Hamburg

Ex-SPD-Shootingstar Bülent Ciftlik zu Haftstrafe verurteilt

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Bettina Mittelacher
Der ehemalige SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Bülent Ciftlik und seine Anwälte Florian Melloh (r) und Gabriele Heinecke kurz vor der Urteilsverkündung

Der ehemalige SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Bülent Ciftlik und seine Anwälte Florian Melloh (r) und Gabriele Heinecke kurz vor der Urteilsverkündung

Foto: Christina Sabrowsky / dpa

Der "Obama von Altona" wurde unter anderem wegen Anstiftung zur Scheinehe verurteilt. Fall beschäftigt die Justiz seit sieben Jahren.

Hamburg. Vielleicht hat er damals geglaubt, er sei unantastbar. Er, Bülent Ciftlik, der politische Hoffnungsträger, dem alles zu gelingen schien und der bei der SPD eine glänzende Karriere hingelegt hatte. Der Mann, der als „Obama von Altona“ gefeiert wurde. So verzückt war der damalige Bürgerschaftsabgeordnete offenbar von seinem Erfolg, dass er keine Grenzen mehr sah – und zu allem bereit war, um auf der Höhe der Macht zu bleiben. Auch als es eng wurde für ihn und er längst im Visier der Ermittlungsbehörden war. Er „brauche einen Freispruch Erster Klasse“, hat der 45-Jährige laut einer Zeugin damals gesagt. Dafür sei er bereit, alles zu tun – außer Mord.

Es wurde nichts daraus. Es gibt keinen Freispruch für Bülent Ciftlik. Am Montag verurteilte das Landgericht den einstigen Politik-Shootingstar zu zweieinhalb Jahre Haft. Zugleich erklärte das Gericht sechs Monate davon als „vollstreckt“, weil das Verfahren übermäßig lange gedauert habe. Trotzdem kann eine Strafe in dieser Höhe nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden. Damit müsste der Hamburger ins Gefängnis. Mit versteinertem Gesicht nahm der Angeklagte den Schuldspruch auf, nachdem er vor der Urteilsverkündung noch verhalten in die zahlreichen Kameras gelächelt hatte.

Richter: "Kalkül ist beinahe aufgegangen"

Es dürfte bis auf weiteres der letzter große öffentliche Auftritt des früheren Bürgerschaftsabgeordneten gewesen sein. Das Aus seiner politischen Karriere liegt schon Jahre zurück, ein steiler Absturz, den er nach Überzeugung des Gerichts sich selber zuzuschreiben hat. „Es ging Herrn Ciftlik darum, sein Lebensziel, als Politiker Erfolg zu haben, zu verteidigen“, formulierte der Vorsitzende Richter als Motiv dafür, dass sich der 45-Jährige strafbar gemacht hat. Es habe ein „System der Beweismanipulation“ gegeben, um „die Justiz hinters Licht zu führen“.

Am Anfang der Verfehlungen stand die Scheinehe eines Bekannten von Ciftlik, die der damalige SPD-Sprecher nach Überzeugung der Kammer eingefädelt hat, um seinem Kumpel das Aufenthaltsrecht zu sichern. Ciftlik sei mit viel Selbstvertrauen und guten politischen Kontakten ausgestattet gewesen und habe deshalb wohl gemeint, dass ihm das Anstiften einer Scheinehe „nie nachzuweisen sein wird“, so der Kammervorsitzende. „Dieses Kalkül ist beinahe aufgegangen.“

Doch ein Sachbearbeiter bei der Ausländerbehörde schöpfte schließlich Verdacht, dass es bei der Ehe nicht mit rechten Dingen zuging. Der Fall ging an die Ermittlungsbehörden. Ciftlik setzte laut Urteil daraufhin „alles daran, einen Freispruch zu erreichen. Nur so könnte er seine politische Karriere fortsetzen“, sagte der Vorsitzende. Er habe mehrere Personen eingebunden beim Versuch, den Vorwurf der Scheinehe zu entkräften. „Das zeigt, wie viel Druck auf ihm lastete, um den Vorwurf auszuräumen.“

Zeugen zu Falschaussagen angestiftet

Deshalb habe der 45-Jährige „eine Strategie entworfen“. Dazu habe gehört, dass er drei Zeugen zu Falschaussagen anstiftete. Darüber hinaus habe er über Mittelsleute und mithilfe eines Spionageprogramm das Computer-Passwort der Hauptbelastungszeugin ausgelotet und in deren Namen gefälschte E-Mails geschickt, um sich zu entlasten. In den Nachrichten hieß es, dass Ciftlik die Frau „natürlich nicht“ zu einer falschen Hochzeit angestiftet, sondern ihr im Gegenteil „davon abgeraten“ habe. Die Mails landeten bei der Staatsanwaltschaft. Doch sie führten nicht zu einer Entlastung Ciftliks, sondern zu weiteren Ermittlungen.

66 Verhandlungstage hatte der Prozess gedauert, 54 Zeugen wurden vernommen. Und dies war schon der dritte Versuch, das Verfahren zu einem Abschluss zu bringen. Gegen ein erstes Urteil des Amtsgerichts, das Ciftlik zu einer Geldstrafe verurteilt hatte, hatte der Angeklagte Berufung eingelegt. Und ein zweites Verfahren vor dem Landgericht, nun auch unter anderem wegen des Vorwurfs der Anstiftung zur Falschaussage, war geplatzt. Ciftik hatte im Zusammenhang mit einer Indienreise mehrere Monate in dem Land festgesessen – nach seiner Darstellung, weil er in einen Autounfall verwickelt gewesen ist und die Behörden ihn deshalb nicht ausreisen ließen. Mit dem jetzigen Urteil ist das Verfahren indes noch nicht abgeschlossen. Die Verteidigung kündigte an, in Revision zu gehen.

Zugunsten des Angeklagten wertete das Landgericht unter anderem, dass Ciftlik nicht vorbestraft ist, sowie die lange Dauer des Verfahrens. Zudem sei sein „Lebensziel, seine politische Karriere, dahin“. Zu seinen Lasten falle jedoch, dass er mit „erheblicher krimineller Energie“ vorgegangen sei und darüber hinaus als damaliges Mitglied der Bürgerschaft gehandelt habe. Als solcher, betonte der Vorsitzende, stehe er als Repräsentant für ein gesetzestreues Verhalten. „Darauf verlassen wir uns.“

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