Hamburg. Siegessicherheit sieht anders aus. Früher hat Bülent Ciftlik die Öffentlichkeit gesucht. Doch jetzt wirkt es ein bisschen so, als ducke sich der frühere Politik-Shootingstar auf dem Weg zum Gerichtssaal vor den Kameras weg. Der 45-Jährige blickt zu Boden, mit nachdenklicher Miene. Es ging ja auch stetig abwärts mit ihm und seiner Karriere, seit der Ex-Bürgerschaftsabgeordnete im Verdacht steht, mehrere Straftaten begangen zu haben. Und wegen dieser, so fordert es nun Staatsanwaltschaft zum Ende eines jahrelangen Verfahrens, soll Ciftlik für dreieinhalb Jahre ins Gefängnis.
Damit wäre es auch mit der Freiheit des früheren SPD-Sprechers vorbei, nachdem der ehemals als „Obama von Altona“ (Brigitte) gefeierte Mann schon seit Langem politisch erledigt ist. Seit mehr als sieben Jahren versucht die Justiz, den Fall Ciftlik zu klären. Am Anfang steht der Vorwurf, er habe eine Bekannte dazu angestiftet, eine Scheinehe mit einem türkischen Kumpel von ihm einzugehen. Nachdem er deshalb im April 2010 vom Amtsgericht zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, folgte nicht nur das politische Aus. „Das Urteil beendet auch die politische Karriere Bülent Ciftliks", sagte Bürgermeister Olaf Scholz damals. Vor allem soll der 45-Jährige Angeklagte seine vermeintliche erste Straftat mit mehreren weiteren glattzubügeln versucht haben.
Aktennotiz zur Ehe war Auslöser für Ermittlungen
Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft hat Ciftlik im damaligen Prozess drei Zeugen zu Falschaussagen angestiftet. Darüber hinaus habe er über Mittelsleute und mithilfe eines Spionageprogramm ein Computer-Passwort der Hauptbelastungszeugin ausgelotet und in deren Namen E-Mails geschickt, die ihn entlasten sollten. Darin hieß es, dass Ciftlik sie „natürlich nicht“ zu einer falschen Hochzeit angestiftet, sondern ihr sogar „davon abgeraten“ habe. Das Schreiben landete bei der Staatsanwaltschaft - nach deren Überzeugung eine Fälschung Ciftliks. „Um einen Fehler zu vertuschen“, habe der Ex-Bürgerschaftsabgeordnete „Riesenfehler begangen“, sagte der Staatsanwalt in seinem gut zweistündigen Plädoyer. Weil der Vorwurf der Scheinehe mit den weiteren vorgeworfenen Taten in einem „engen Sachzusammenhang“ stehen, wird beides zusammen vor dem Landgericht verhandelt.
Auslöser für die Ermittlungen gegen Ciftlik in Sachen Scheinehe und damit letztlich auch Grund für seine politische Bruchlandung nach seinem Höhenflug war eine Aktennotiz eines Mitarbeiters des Einwohnerzentralamtes, der Zweifel an der Seriosität der Ehe hatte. Acht dürre Zeilen waren dies, die am Ende zu einer sehr langen Reihe von Ordnern mit Tausenden von Seiten angewachsen sind. Allein ganze 13 mal ist die Hauptbelastungszeugin vernommen worden. Unter anderem aufgrund ihrer Aussage steht aus Sicht der Staatsanwaltschaft fest, dass Ciftlik sie dazu drängte, die Scheinehe mit seinem Bekannten einzugehen. Als sie sich zunächst weigerte, machte er der Frau, die damals in ihn verliebt war, die Hoffnung, er werde „an der Beziehung mit ihr arbeiten“. In einer Mail an ihn bat sie schließlich, er möge sie über die rechtlichen Folgen einer Scheinehe aufklären. Später bei besagter Hochzeit war der damalige Bürgerschaftsabgeordnete sogar Trauzeuge.
Urteil könnte am 19. Juni fallen
Dass es sich um eine Scheinehe handelte, so der Ankläger weiter, sei nicht nur durch die Zeugenaussage bewiesen, sondern auch, weil die beiden Ehepartner während einer Anhörung bei der Ausländerbehörde kaum etwas über das Leben des anderen erzählen konnten. Sogar die Adresse, die der scheinbar glücklich Vermählte als gemeinsame Wohnung angab, stimmte nicht. Als die Zeugin später zugeben wollte, sich auf dieses illegale Arrangement eingelassen zu haben, soll Ciftlik ihr gedroht haben, wenn sie sie dies tue, werde er „sein ganzes Netzwerk aktivieren“ und dafür sorgen, dass sie keine Arbeit finde.
Strafmildernd sei zu berücksichtigen, so der Staatsanwalt, dass Ciftlik bisher unbestraft ist und eine zeitlang in Untersuchungshaft saß. Zudem solle von den dreieinhalb Jahren Freiheitsstrafe, die er fordert, sechs Monate als „vollstreckt“ gelten, weil das Verfahren teilweise nicht ausreichend zügig gefördert worden sei. Strafverschärfend falle indes ins Gewicht, dass der Angeklagte mit „erheblicher krimineller Energie“ gehandelt habe. Zudem handele es sich „um keine unerheblichen Straftaten“. Nachdenklich wirkt der Angeklagte während des Schlussvortrags des Staatsanwalts. Im Prozess hat Ciftlik geschwiegen. Nun haben seine Verteidiger am 16. Juni das Wort. Ein Urteil des Landgerichts soll voraussichtlich drei Tage später verkündet werden.
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