Landgericht

Ex-SPD-Sprecher Ciftlik steht erneut vor Gericht

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Daniel Herder
Bülent Ciftlik mit seinem Anwalt Florian Melloh vor Beginn des Prozesses

Bülent Ciftlik mit seinem Anwalt Florian Melloh vor Beginn des Prozesses

Foto: Axel Heimken / dpa

Anstiftung einer Scheinehe und weitere Delikte werden Bülent Ciftlik vorgeworfen. Fall zehrt an den Nerven der Hamburger Justiz.

Hamburg.  Als Bülent Ciftlik zur dritten Auflage seines Falls im Landgericht aufkreuzt, ist alles wie bei den früheren Terminen: Die gesamte Hamburger Presse steht Spalier, obwohl Ciftlik schon lange politisch erledigt ist und die Hamburger SPD seit fünf Jahren daran arbeitet, ihren Ex-Sprecher aus der Partei zu werfen. Ciftlik ist an diesem Montagmorgen fast zehn Minuten zu spät dran, sei’s drum. Selbstbewusst und gut aussehend wie eh und je schlendert der 43-Jährige in den Gerichtssaal. Doch bis der Prozess richtig in Fahrt kommt, vergehen Stunden. Was daran liegt, dass sich Anträge der Verteidigung, über die das Gericht entscheiden muss, mit Beratungspausen der Verteidigung abwechseln. So kann Ciftliks Ex-Freundin Nicole D., damals wie heute die zentrale Zeugin, erst am Nachmittag vernommen werden.

Der Fall Ciftlik zehrt an den Nerven der Hamburger Justiz wie kaum ein anderer. Seit sechs Jahren versuchen die Gerichte, den Fall aufzudröseln, und genauso lang rätselt die Öffentlichkeit darüber, was den einst als „Obama von Altona“ („Brigitte“) gefeierten Nachwuchsstar der Hamburger SPD dazu bewogen haben mag, seine Freundin Nicole zu einer Scheinehe mit seinem türkischen Kumpel Kenan T. angestiftet zu haben. Im April 2010 verurteilte ihn das Amtsgericht St. Georg deshalb zwar zu einer Geldstrafe.

Doch mit dem Prozess begannen Ciftliks Probleme erst richtig: Drei Zeugen soll Ciftlik damals zu Falschaussagen angestiftet und zwei Handlanger damit beauftragt haben, ein Spionageprogramm auf dem Computer seiner Ex-Freundin zu installieren. Sodann soll er von ihrem Postfach aus eine E-Mail geschrieben haben, die ihn entlastete. Der Schrieb landete dann ausgedruckt bei der Staatsanwaltschaft. Insgesamt zehn Straftaten legte die Anklage dem 43-Jährigen im Fe­bruar 2012 vor dem Landgericht zur Last. Damals erklärte sich die Kammer wegen des „engen Sachzusammenhangs“ der Anklagevorwürfe zudem als erste Instanz für den Fall „Scheinehe“ zuständig. Mehr als ein Jahr wurde verhandelt, bevor im Juni 2013 die Verhandlung platzte, weil Ciftlik nach einem Autounfall in Indien festsaß und deshalb wochenlang nicht an dem Prozess teilnehmen konnte.

So viel zur kuriosen Vorgeschichte der bis Ende Februar terminierten Hauptverhandlung. Ginge es nach Ciftliks Verteidigern Gabriele Heinecke und Florian Melloh, dürfte es etwas schneller gehen. Am Montag beantragten sie, das Verfahren einzustellen: Die Verteidigung habe in dem Prozess keine Chance, da die Staatsanwalt alle Entlastungszeugen „mit Strafverfahren überzogen habe“. Zu „99,9 Prozent“ würden diese daher vor Gericht von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen. Zum „Zerpflücken“ blieben der Verteidigung daher nur die Aussagen der Belastungszeuginnen Nicole D. und Constanze K., so Heinecke.

Bei den vermeintlichen Entlastungszeugen wiederum handelt es sich unter anderem um zwei Mitglieder der türkischen Gemeinde und eine Fotografin. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, für Ciftlik im ersten Prozess in St. Georg gelogen zu haben. Die Fälle hängen noch immer bei den Amtsgerichten, weil diese zunächst die Entscheidung des Landgerichts im aktuellen Prozess gegen Ciftlik abwarten wollen. „Ein faires Verfahren und eine wirkliche Verteidigung ist unter diesen Bedingungen nicht möglich“, so Hei­necke. Sie argumentierte letztlich vergeblich: Das Gericht lehnte den Antrag ab, erkannte aber doch die „großen Probleme“ an, die sich durch die besondere Zeugensituation ergeben könnten.

Nach Stunden des juristischen Geplänkels kommt am Nachmittag Zeugin Nicole D., begleitet von Ex-Kachelmann-Anwalt Johann Schwenn. Sie erzählt das, was sie als Angeklagte 2010 dem Amts- und zwei Jahre später als Zeugin dem Landgericht erzählte: Wie sie Ciftlik, der sich erst als Lorenz ausgab, über eine Kontaktanzeige kennengelernt hatte. Wie sie sich mit der Zeit in ihn verliebte, während er nur Sex wollte. Wie sie seinem Drängen, seinen türkischen Freund zum Schein zu heiraten, nachgab – in der Hoffnung, dass sich Ciftlik dann auf eine Beziehung mit ihr einlassen werde. Im Februar 2008 habe sie Kenan T. geheiratet. Als der Schmu Monate später aufflog, habe Ciftlik sie aufgefordert, eine eidesstattliche Versicherung zu unterschreiben, wonach sie keine Scheinehe mit Kenan T. führe. Für den Fall, dass sie sich weigere, habe er gedroht, „sein Netzwerk zu aktivieren“ und dafür zu sorgen, dass sie keinen Job mehr finde. Der Prozess wird fortgesetzt.

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