Michael Otto ist davon überzeugt, dass die Hamburgerinnen und Hamburger nur nachhaltig vorbereitete und durchgeführte Olympische Sommerspiele akzeptieren werden

Die Zahl der Unterstützer für Hamburgs Olympiabewerbung wird täglich größer. Zurückhaltung gibt es bislang bei den älteren Hamburgerinnen und Hamburger. Wie sollte die Stadt den Zweiflern begegnen? Mit Dr. Michael Otto, 71, Hamburger Ehrenbürger und Aufsichtsratsvorsitzender der Otto Group, sprach Oliver Schirg.

Hamburger Abendblatt: Welche Argumente sprechen aus Ihrer Sicht für Olympische Sommerspiele in Hamburg?
Dr. Michael Otto: Olympia ist für Hamburg eine bedeutende Investition in die Zukunft, denn es bringt der Stadt viele Vorteile. So wird die Verkehrsinfrastruktur deutlich verbessert, und zwar sehr viel zügiger, als es sonst erfolgen würde. Dann werden unsere bestehenden Sportstätten saniert. Letztlich entsteht auf dem Kleinen Grasbrook ein neuer Stadtteil mit mindestens 3000 Wohnungen. 1000 davon werden staatlich gefördert sein, also günstige Mieten haben. Ferner wird ein Sportpark geschaffen. Und das alles auf einem Gelände, das heute industriell genutzt wird, also versiegelt ist.

Das wird eine Menge Geld kosten.
Otto: Das ist richtig. Aber vergessen Sie nicht: Ein großer Teil der Investitionen wird, sollte Hamburg als Deutschlands Bewerber erfolgreich sein, vom Bund und dem IOC übernommen.

Sind Olympische Spiele ein Motor für die Stadtentwicklung?
Otto: Zumindest würden Olympische Spiele die Umsetzung vieler Infrastrukturprojekte, die ohnehin verwirklicht werden müssten, vorantreiben. Der Weiterbau der U-Bahn in Richtung Süden bekäme sicher einen Schub. Hamburg würde durch ein so großes Sportereignis für die nächste Generation modern aufgestellt.

Kritiker beklagen, Hamburg könne sich Olympische Spiele nicht leisten.
Otto: Die Idee, Olympische Sommerspiele in Hamburg zu veranstalten, hat sehr viel mit Nachhaltigkeit zu tun. Hier würden ja keine gigantischen Neubauten entstehen, die nach den Wettkämpfen dann nutzlos herumständen. Olympische Spiele würden notwendige Arbeiten und sinnvolle Investitionen lediglich beschleunigen, und am Ende würde Hamburg dafür sogar Zuschüsse in Milliardenhöhe vom Bund und vom Internationalen Olympischen Komitee erhalten.

Läge ein positiver Nebeneffekt auch darin, dass der Druck auf die Politik, in die Infrastruktur der Stadt zu investieren, stärker würde?
Otto: Der Druck auf die Politik würde garantiert wachsen. Wenn man so einen konkreten Termin hat, muss entsprechend geplant und umgesetzt werden.

Wir schauen immer auf Hamburg. Was hätte der Norden von Olympischen Spielen in der Hansestadt?
Otto: Das neu zu errichtende Olympiastadion bliebe uns nach den Spielen erhalten und würde als neues Leichtathletikstadion auf den ganzen Norden ausstrahlen. Zudem lenken Olympische Spiele das Interesse der Welt ja nicht nur auf die Stadt, sondern auf die gesamte Region; einmal davon abgesehen, dass auch einige Wettkämpfe dort ausgetragen würden. Das, was für Hamburg gilt, gilt auch für die Region: Beide würden in der Welt bekannter werden und könnten mit ihrer Attraktivität werben. Am Ende kommen nicht nur mehr Touristen nach Norddeutschland, sondern vor allem auch Talente und Unternehmen. Damit verbunden entstehen auch mehr Arbeitsplätze.

Es fällt auf, dass jüngere Menschen von der Idee, Olympische Spiele in Hamburg auszutragen, eher begeistert sind als ältere Menschen. Was könnte aus Ihrer Sicht ältere Menschen umstimmen?
Otto: Ich habe Verständnis dafür, dass ältere Menschen skeptisch sind, dass sie sich vor den jahrelangen Bauarbeiten sorgen und fragen: Was haben wir davon? Aber Hamburg hat traditionell immer über Generationen hinaus gedacht. Auch heute müssen wir die Weichen für künftige Generationen stellen.

Ein wichtiges Thema bei Olympia ist inzwischen Nachhaltigkeit. Auch beim IOC verändert sich in diesem Punkt gerade etwas. Was kann Hamburg in dieser Hinsicht leisten?
Otto: Es ist höchst ehrenwert und wichtig, dass IOC-Präsident Thomas Bach dieses Thema in den Vordergrund gerückt hat. Man muss wegkommen von Gigantomanie und hinkommen zu nachhaltigen Olympischen Spielen. Das wiederum ist entscheidend für Hamburgs Bewerbung. Die Bürgerinnen und Bürger der Hansestadt werden nur nachhaltig vorbereitete und durchgeführte Olympische Spiele akzeptieren.

Macht Hamburg dafür bereits genug?
Otto: Gemeinsam mit der Stadt organisieren wir einen Nachhaltigkeitsdialog mit Vertretern von Nichtregierungsorganisationen (NGO), der Zivilgesellschaft, der Kirchen, der Sportverbände und der Wirtschaft. Dabei geht es uns nicht nur um eine Diskussion über Nachhaltigkeit. Wir müssen darauf achten, dass die in dem Dialog gefundenen Kompromisse in der Hamburger Bewerbung auch zu 100 Prozent umgesetzt werden.

Gibt es schon Ergebnisse?
Otto: Wir würden Olympische Spiele der kurzen Wege bekommen. Vom Olympiazentrum sind alle Sportstätten in weniger als 30 Minuten zu erreichen. Beim Transport der Gäste setzt Hamburg auf den öffentlichen Personennahverkehr. Dazu gehören wegen der Hafennähe vermehrt Schiffe. Viele Sportstätten sind zudem zu Fuß oder mit dem Rad zu erreichen. Beim Bauen von Unterkünften und Sportstätten achten wir nicht nur darauf, dass umweltfreundliche Materialien verwendet, sondern dass auch die Sozialstandards eingehalten werden. In Hamburg, dessen können Sie sich sicher sein, werden faire Löhne gezahlt werden.

Kann Hamburg beweisen, dass auch ein demokratisch verfasstes Land heute noch ein sportliches Großereignis organisieren kann?
Otto: Das ist in der Tat die große Chance für Hamburg. Wir können anderen Städten zeigen, dass Olympische Spiele nachhaltig und sozial gerecht organisiert werden können – also ohne Gigantomanie und Milliardenverlust.

Kritiker trauen dem IOC nicht über den Weg und fürchten, dass es am Ende die Konzepte der Bewerber ignoriert. Wo ist die Grenze, die Hamburg nicht überschreiten darf?
Otto: Ich kenne den IOC-Präsidenten Herrn Bach seit Hamburgs Olympiabewerbung 2003 und habe großes Zutrauen zu ihm. Er wird die Reform umsetzen. Aber klar ist auch, dass Hamburg nur für nachhaltige Olympische Spiele zur Verfügung steht.

Sie haben bereits auf das Nachhaltigkeitsteam hingewiesen. Wie wird es in die Hamburger Olympiabewerbung integriert?
Otto: Das Team ist bereits integriert. Das ist im Übrigen eine Stärke der Hamburger Bewerbung. Von Anfang an wurden alle Beteiligten eingebunden. Zudem wurden die Ideen online gestellt, und Bürgerinnen und Bürger beteiligten sich. Wir wollen am Ende ein Konzept haben, das transparent ist und hinter dem alle stehen.

Dass am Ende alle Menschen eine Hamburger Olympiabewerbung unterstützen, wird man wohl nicht erreichen.
Otto: Bei großen Projekten sollte man alle, die beteiligt oder tangiert sind, von Anfang an einbeziehen. Dann gibt es am Ende eine gute Lösung. Im Übrigen findet man immer eine Lösung, wenn man offen für die Vorschläge anderer ist.

Haben Sie in den bisherigen Gesprächen den Eindruck gewinnen können, dass die Kritiker der Bewerbung über diese Brücke gehen würden?
Otto: Ich hatte immer den Eindruck, dass Nichtregierungsorganisationen kompetent und lösungsorientiert mitarbeiten, wenn man sie vom ersten Tag einbezieht, so auch bei der Organisation der Olympischen Spiele. Das zeigen mir im Übrigen auch meine jahrzehntelangen Erfahrungen, die ich mit meiner Umweltstiftung habe sammeln können. Ich bin ja des Öfteren als Mediator aufgetreten, wenn zwischen NGOs und Politikern Sprachlosigkeit herrschte.

Sie stünden als Mediator zur Verfügung, wenn es sich zwischen Befürwortern und Gegnern der Olympiabewerbung verkanten würde?
Otto: Wenn es sein müsste, auf jeden Fall.

Wie kann jeder Einzelne, der Olympia in Hamburg will, die Bewerbung der Stadt unterstützen?
Otto: Sollte man bei der für die letzte Februarwoche geplanten Umfrage des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) angerufen werden, dann sollte man natürlich für Olympia in Hamburg stimmen. Wir konkurrieren ja mit Berlin, und die Sportfunktionäre werden sich für die Metropole entscheiden, in der die größere Mehrheit hinter einer Bewerbung steht. Bis dahin kann jeder sich nicht nur informieren, sondern sollte in seinem Bekanntenkreis auch für Olympia in Hamburg werben.

Kann die Hamburger Wirtschaft die Olympiabewerbung der Stadt noch stärker unterstützen?
Otto: Im Augenblick sind die Unternehmen aufgerufen, sich finanziell an der Bewerbung zu beteiligen. Die Otto Group tut das. Daneben finde ich es wichtig, die Sportler, die an den Olympischen Sommerspielen im kommenden Jahr in Brasilien teilnehmen, finanziell zu unterstützen. Auch das tut die Otto Group. Am Ende stehen die Sportler und ihre Leistungen im Mittelpunkt.

Gingen durch eine Olympiakandidatur dem Breitensport öffentliche und private finanzielle Mittel verloren?
Otto: Ganz im Gegenteil. Durch Olympische Spiele in Hamburg rückt der Sport in den Mittelpunkt. Wir erleben jedes Jahr, dass große sportliche Ereignisse wie der Marathon, der Triathlon oder die Cyclassics nicht nur Tausende Menschen auf die Straße bringen, sondern sie animieren, Sport zu treiben.

Haben wir aber angesichts der großen Zahl an Flüchtlingen, die Hamburg aufnimmt, nicht wirklich andere Aufgaben?
Otto: Gerade Sport und Musik sind die beiden Bereiche, in denen Menschen integriert werden. Sport bringt Menschen zusammen. Im Übrigen hat Hamburg klargemacht: Auch wenn hier Olympische Sommerspiele 2024 oder 2028 stattfinden werden, wird die Stadt ihre Schuldenbremse einhalten. Also ein Milliardengrab darf und wird es auch nicht geben, im Gegenteil: Olympia ist eine Chance für alle Hamburgerinnen und Hamburger.