Ohne Freiwillige läuft bei Olympischen Spielen nichts. Geld gibt es nicht, aber faszinierende Einblicke. Hamburg will schon jetzt Interessenten suchen

Hamburg. Der wohl berühmteste weibliche Volunteer der Weltgeschichte dürfte Silvia Renate Sommerlath sein. Die 1943 geborene Heidelbergerin arbeitete 1972 als Freiwillige bei den Olympischen Sommerspielen in München und lernte dort Schwedens Kronprinzen Carl Gustaf kennen. Gut vier Jahre später heirateten die beiden, und seitdem ist Silvia Renate Sommerlath Königin von Schweden.

Derart privates Glück ist natürlich nur den wenigsten bei Olympischen Spielen eingesetzten Helferinnen und Helfern vergönnt. Aber den meisten von ihnen dürfte es eher auch darum gehen, einmal hautnah die Spiele und die Sportler erleben zu dürfen. Denn eines ist gewiss: So nah wie die Freiwilligen kommen den Athleten nur wenige Gäste der Olympischen Spiele.

Die Hamburgerin Melanie Nickel war im Jahr 2000 in Sydney dabei. Damals studierte die heute 36-Jährige in der Hansestadt Sport und Journalistik. In der australischen Metropole durfte sie während der Spiele in den Bereichen Handball, Basketball und Badminton als Flash-Quote-Reporterin arbeiten.

„Ich habe für das Intranet der Olympischen Spiele nach den Wettkämpfen mit den Sportlern gesprochen. Die Zitate standen dann Sportjournalisten zur Verfügung“, erzählt Melanie Nickel. Mit ihrem Einsatz in Sydney erfüllte sie sich einen großen Wunsch. „Für jemanden, der Sport studiert, sind Olympische Spiele das Ereignis schlechthin. Da wollte ich unbedingt einmal dabei sein.“

Die Volunteers stammen in der Regel aus allen Altersgruppen. Schüler sind dabei, Studenten und Rentner auch. „Jedes Lebensalter war in Sydney vertreten“, erzählt Melanie Nickel. Auch Berufstätige sind unter ihnen zu finden. Sie opfern ihren Jahresurlaub, um im Olympischen Dorf oder an einer der Wettkampfstätten dabei zu sein. Wer so etwas auf sich nimmt, ist hoch motiviert.

Es ist aber längst nicht so einseitig, wie es sich im ersten Moment anhört. Ohne die Zehntausende Volunteers wären Olympische Spiele – egal ob im Sommer oder im Winter – heute kaum mehr durchführbar. Bei den Sommerspielen im Jahr 2012 in London waren etwa 70.000 dieser Hilfskräfte im Einsatz, bei den Winterspielen in Sotschi im vergangenen Jahr betrug die Zahl der Helfer rund 25.000.

Bei den Olympischen Spielen und den Paralympics im kommenden Jahr in Brasilien werden bis zu 60.000 Freiwillige benötigt. Sie sollen in rund 500 verschiedenen Bereichen eingesetzt werden, berichtet der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) auf seiner Internetseite: Das kann als Übersetzer, als Sicherheitspersonal oder bei der Betreuung von Sportlern geschehen.

Geld erhalten Volunteers nicht. Wer in Brasilien dabei sein will, muss sogar für seine An- und Abreise von und nach Rio de Janeiro sowie die Unterkunft selbst sorgen. Vor Ort gibt es kostenlose Mahlzeiten. Übernommen wird der Transport zu und von den Einsatzorten. Ferner erhalten Volunteers eine Uniform und am Ende eine Teilnahmeurkunde als Dank.

Bei den Sommerspielen 1948 in London gab es erstmals freiwillige Helfer

Wer hofft, als Volunteer leichter oder günstiger an Karten für die Wettkämpfe zu kommen, wird enttäuscht werden. Sie habe zwar „aus dienstlichen Gründen“ die Spiele der Basket- und der Handballer sehen können, erzählt Melanie Nickel. Aber für andere Wettkämpfe habe sie sich die Eintrittskarten selbst gekauft. Die Idee, Ehrenamtliche in die Organisation von Olympischen Spielen einzubinden, ist nicht neu. 1948, bei den ersten Olympischen Sommerspielen nach dem Zweiten Weltkrieg, stand es um Europas Länder und seine Sportler so schlecht, dass ohne kostenlose Kräfte die Spiele nicht hätten organisiert werden können. So mussten seinerzeit die Athleten sogar ihre eigenen Handtücher nach London mitbringen. Obst für die Sportler spendeten die USA.

Während bei den Spielen 1948 in London die Freiwilligen aus dem Stegreif akquiriert wurden, erfolgt seit den Spielen 1984 in Los Angeles die Auswahl offiziell durch ein Bewerbungsverfahren. Das mag auch daran liegen, dass die Zahl der Bewerber inzwischen das der am Ende eingesetzten Kräfte um ein Mehrfaches übersteigt. Für London 2012 gab es rund 300.000 Bewerber – mehr als viermal so viele, wie dann wirklich dabei waren.

Auch für Rio de Janeiro ist der Andrang groß. Auf der Internetseite heißt es, dass sich Hunderttausende eingetragen hätten, „um Teil des Teams Rio 2016“ zu sein. Wer jetzt noch auf eine Chance hofft, muss sich auf eine Warteliste eintragen. Auf alle Fälle müssen Bewerber unter anderem einen Sprachtest absolvieren und gegebenenfalls auch persönliche Fragen beantworten.

In Hamburg wird bereits in diesem Jahr eine Volunteer-Aktion gestartet – unabhängig vom Erfolg der Bewerbung der Hansestadt. Ziel sei es, den Bewerberinnen und Bewerbern olympische Werte zu vermitteln, heißt es.

Melanie Nickel hatte seinerzeit das Glück, dass sie mit ihrer Olympiachefin befreundet war und ihr der Volunteer-job quasi angeboten wurde. Sie denkt gern an die Zeit zurück, vor allem, weil es selten im Leben eine derartige Möglichkeit gibt, so ein internationales Flair zu erleben. „Eines meiner Highlights war die Generalprobe der Eröffnungsfeier im Olympiastadion, zu der alle Volunteers eingeladen waren.“

Wer sich für Rio des Janeiro auf die Warteliste für Volunteers setzen lassen will, kann sich im Internet unter www.rio2016.com/volunteers informieren.