Seit Neujahr darf in Kneipen mit Essen nicht mehr gequalmt werden. Viele Wirte sind verärgert über das neue Gesetz.

Hamburg. Neujahrsmittag auf dem Kiez: Die Party scheint noch nicht vorbei, aus Kneipen dringen immer noch Musik und Gelächter in den trüben Tag. Auch das Steirer Stüberl an der Davidstraße hat noch geöffnet. Im Zigarettenqualm sitzen drei Männer am Tresen, ein Hirschgeweih hängt neben einem Regal mit Whiskey-Flaschen. "Gulaschsuppe, 3,50 Euro", steht auf einer grünen Tafel. "Das ist noch von gestern, das muss jetzt weg", knurrt Wirt Herbert Baierl (66). Suppe, Frühstücksbrötchen oder eine Wurst - das darf er seinen Gästen jetzt nicht mehr verkaufen.

Neujahr, das war für die Hamburger Gastronomie auch der Tag eins mit dem neuen Nichtraucherschutzgesetz. Es gilt als eines der schärfsten aller Bundesländer. Seit Freitag heißt es: Wo gegessen wird, ist Qualmen absolut tabu. Ob Frikadellen, Bockwurst, Kuchen oder belegte Brötchen - wer zubereitete Speisen anbietet, muss seine rauchenden Gäste vor die Tür schicken. Wirten, die gegen die Regelung verstoßen, drohen bis zu 500 Euro Verwarnungsgeld. In Kneipen mit mehr als 75 Quadratmeter Fläche darf zwar in separaten Raucherräumen gequalmt werden. Und in Gaststätten mit weniger als 75 Quadratmetern kann der Gastronom das Rauchen ebenfalls gestatten - doch selbst einfache Speisen dürfen da wie dort nicht mehr gereicht werden.

Eine totale "Drangsalierung" nennt Stüberl-Wirt Baierl diese Regelung. Seit 20 Jahren ist der gebürtige Österreicher schon Wirt auf dem Kiez. Doch so etwas verleide einem die Gastronomie, sagt er und schimpft: "So ein Quatsch - sollen die sich lieber um den Qualm der Schiffe kümmern, die hier den Dreck hochpusten." Auch in der Gaststätte Behr (Stellinger Weg) kochen die Emotionen hoch. Aus einer kleinen Anlage plärrt Volksmusik, die Gäste am Tresen rauchen - viele von ihnen Kette. "Totaler Schwachsinn, dieses Gesetz", schimpft Rosella Monique Heinicke (62) und zieht hastig an ihrem Zigarillo. "Sollen die Nichtraucher doch draußen bleiben."

Viele Gastronomen befürchten dagegen, dass künftig die Raucher fernbleiben, wenn das Qualmen untersagt ist. "Ich rechne mit einem Umsatzrückgang von bis zu 40 Prozent", sagt Carlo Bassam, Inhaber der Gaststätte Backatelle (Heußweg). In einer Kiste liegen gut 30 Aschenbecher, die Kellner Sascha Dieckhoff (23) wegräumt. "Ich schätze, die können verrotten", sagt er. Für seinen Chef besonders ärgerlich: Erst vor zwei Jahren hatte Bassam 5500 Euro in einen Raucherraum investiert - gemäß der alten Regelung. Doch seit Freitag darf auch dort nicht mehr gequalmt werden. Während der Gaststättenverband Dehoga Sturm läuft gegen diese Verschärfung, frohlocken Nichtraucherschutzverbände. "Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber richtig gerecht wäre die Regelung nur dann, wenn es ein absolutes Rauchverbot gibt", sagt Birgit Reichel von "pro rauchfrei". So sieht das auch Andreas Lübcke (36), Inhaber des Old MacDonald in Eimsbüttel. Viele Stammkunden, so seine Befürchtung, könnten dorthin wechseln, wo sie weiterhin ihrem Laster frönen dürfen. "Die einzige vernünftige Alternative", sagt er, "wäre ein absolutes Rauchverbot. Dann gibt es keine Benachteiligungen mehr."

Eine Stichprobe des Abendblatts in Eimsbüttel ergab am Freitagabend: Nicht alle Kneipen, die Speisen anbieten, halten sich an das neue Verbot. In aller Seelenruhe steckt sich eine Frau im Rucola e Parma am Schlump eine Zigarette an. Auch in der Scubar an der Osterstraße wird geraucht, ebenso im Fasan an der Eichenstraße. Der Wirt, der dem Verein zur Pflege der Hamburgischen Wirtshauskultur angehört, sieht den Fasan als Vereinsheim: "Da mir das Gesetz nicht gedruckt vorliegt, weiß ich nicht, ob die Vereinsregeln gelten oder nicht."