Hamburg. Die Pläne Hamburgs, in Gerichten künftig auch auf Englisch verhandeln zu lassen, fallen beim Verein Deutsche Sprache auf große Kritik. „Damit wird dem Bedeutungsverlust der deutschen Sprache Vorschub geleistet“, sagt Hans Kaufmann, Regionalleiter des Vereins. Mit der Möglichkeit, auf Englisch zu verhandeln, erhoffe man sich, internationale Prozesse nach Hamburg zu ziehen, „damit eine kleine Gruppe spezialisierter Anwälte Geld verdienen kann“. Die eigene Sprache werde verkauft, befürchtet der Verein.
Aus Kaufmanns Sicht verletze das Vorhaben den Grundsatz des Gerichtsverfassungsgesetzes, wonach die Gerichtssprache Deutsch sei. Sollten Verhandlungen künftig auf Englisch abgehalten werden, käme das eine „sprachlichen Selbstkolonisierung“ gleich. „Wir fordern, diese Initiative fallen zu lassen.“
Den Vorstoß, internationalen Wirtschaftsunternehmen das Austragen von Rechtsstreitigkeiten vor deutschen Gerichten auf Englisch zu ermöglichen, hatte der SPD-geführte Senat bereits 2011 zusammen mit anderen Bundesländern unternommen. Bei einer Anhörung des Bundestages hatten sich daraufhin fünf von sieben Experten für die Initiative ausgesprochen. Da es wegen des Ablaufs der Wahlperiode nicht mehr zu einer Abstimmung im Bundestag kam, hatten die Länder Anfang 2014 einen zweiten Anlauf unternommen. Mittlerweile hat sich auch die schwarz-rote Bundesregierung positiv dazu geäußert und den Bundestag um Zustimmung gebeten – wann er sich damit befasst, ist noch offen.
„Wir wollen den Rechts- und Wirtschaftsstandort Hamburg stärken und internationale Rechtsstreitigkeiten nach Hamburg holen“, sagte Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD). Die Stadt sei dafür mit spezialisierten Richtern und Wirtschaftsanwälten „hervorragend aufgestellt“.
Höhere Ausgaben befürchten die Länder unterm Strich nicht, im Gegenteil. Da es bei internationalen Handelsstreitigkeiten meist um erhebliche Werte gehe, würden die Kosten für die Verhandlungen durch die Gebühren – die sich am Streitwert bemessen – mehr als ausgeglichen. Dies gelte umso mehr, wenn sich die Kammern für internationale Handelssachen wie gewünscht zu einem attraktiven Gerichtsplatz entwickeln. Im Übrigen sprächen viele Richter ohnehin hervorragend Englisch, inklusive des Fachvokabulars.
Die Handelskammer befürwortet die Einführung der englischen Sprache an den Gerichten. „Hamburg ist ein internationaler Standort. Viele internationale Verträge werden auf Englisch verfasst. Bei Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen ist dann der Rechtsstandort aber meist London, weil dort Englisch gesprochen wird“, sagt Petra Sandvoß, stellvertretende Geschäftsführerin der Handelskammer. Und London sei ein „extrem teurer Standort“ für Prozesse. „Wenn man auch in Hamburg auf Englisch verhandeln kann, dann werden sich die Unternehmen bei Vertragsabschluss eher auf Hamburg einigen“, so Sandvoß. Wie viele Verfahren das sein könnten, sei noch nicht abzuschätzen.
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