SPD, CDU und Grüne setzen auf Verhandlungen. Doch in der Bürgerschaft gab es auch Kritik an Abi-Initiative für G9. Seinen ersten Auftritt als fraktionsloser Abgeordneter hatte Walter Scheuerl.

Hamburg. Vor allem die Fraktionen von SPD, CDU und Grünen, die 2010 den zehnjährigen Schulfrieden ausgehandelt haben, setzen auf Verhandlungen mit der Volksinitiative „G9-Jetzt-HH“ über eine Rückkehr zu G9 am Gymnasium. Aber in der Aktuellen Stunde der Bürgerschaft gab es auch heftige Kritik an den angeblich weit überzogenen Forderungen der Initiative und ihrem Vorgehen.

„Unsere Hand ist ausgestreckt“, sagte CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich. „Der Streit droht die Stadt zu spalten, und wenn wir einen Schulkrieg vermeiden wollen, dann müssen wir bereit sein zu verhandeln.“ Wichtig sei ein breiter Kompromiss, an dem unter anderem auch die Schulkonferenzen beteiligt werden müssen. Wersich unterstützte ausdrücklich den Vorschlag von Schulsenator Ties Rabe (SPD), vor einer Entscheidung ein Meinungsbild der Schulkonferenzen aller 60 Gymnasien einzuholen.

Initiative lehnt separate Verhandlungen mit den Bürgerschaftsfraktionen ab

Der CDU-Fraktionschef forderte außerdem wie auch die Grünen ein Ende der „Separatverhandlungen“ zwischen SPD und Initiative und die Einbeziehung der anderen Bürgerschaftsfraktionen. Das lehnt G9-Jetzt-HH“ aber bislang ab. „Wenn es keinen Kompromiss gibt, dann kämpfen wir für starke Gymnasien und starke Stadtteilschulen“, sagte Wersich. „Dann kämpfen wir beim Volksbegehren gegen eine chaotische Initiative.“ Wersich sagte nicht genau, was er mit diesem Satz meinte, der das Klima zwischen Bürgerschaft und Initiative nicht verbessert haben dürfte.

Auch SPD-Fraktionschef Andreas Dressel, der die Verhandlungen für die SPD leitet, betonte, dass ein breites Einvernehmen für eine derart grundlegende Änderung des Schulsystems erforderlich sei, und bedauerte, dass die Initiative noch nicht zu gemeinsamen Gesprächen mit den anderen Fraktionen bereit sei. Dressel kündigte an, dass die Verhandlungen mit „G9-Jetzt-HH“ auch während der sechs bis acht Wochen weiterlaufen sollen, innerhalb derer an den Gymnasien das Meinungsbild zu G8 und G9 erstellt werden soll.

„Der Vorschlag der Initiative ist so nicht umsetzbar und überfordert das System“, sagte Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan. „Aber wir verstehen das Anliegen und brauchen keine neue Runde im Schulkampf.“ Nach den schlechten Erfahrungen der Grünen bei der per Volksentscheid gekippten Primarschule betonte Kerstan, dass die Zeit für von oben verordnete Reformen vorbei sei. Die Grünen hätten die Einführung von G8 2002 abgelehnt. Aber seitdem habe sich das Schulsystem mit der Einführung des Zwei-Säulen-Modells aus Gymnasium, das G8 anbietet, und Stadtteilschule mit dem G9-Abitur stark verändert. „Dennoch nehmen wir das Anliegen der Initiative ernst“, sagte der Grünen-Fraktionschef, der das parallele Angebot von G8 und G9 an allen Gymnasien als „unrealistische Vorstellung“ bezeichnete. „Wir haben als Volksvertreter auch die Aufgabe, Unsinn zu verhindern“, sagte Kerstan.

Die FDP-Schulpolitikerin Anna von Treuenfels sprach sich am klarsten für die Beibehaltung des Zwei-Säulen-Modells mit G9 an den Stadtteilschulen aus und warnte vor einer „Rolle rückwärts“ zum alten G9 am Gymnasium. „Die Probleme an Gymnasien und Stadtteilschulen wird man nicht mit einer neuen Strukturreform lösen“, sagte von Treuenfels. Es gehe um eine qualitative Stärkung, eine bessere Lehrerausbildung und klug rhythmisierten Unterricht. „Wenn Senat und Parteien derart Kontinuität in das zweigliedrige Schulsystem brächten, bliebe uns Bildungspolitik nach Umfragelage erspart.“

Für Linken-Fraktionschefin Dora Heyenn wäre das parallele Angebot von G8 und G9 ein „Riesenfehler“. Damit würde faktisch eine dritte Schulform geschaffen. Der G9-Initiative warf Heyenn vor, mit ihrem Vorschlag „zur ständischen Gesellschaft zurückkehren“ zu wollen. Es dürfe, wenn überhaupt, nur G9 an allen Schulen flächendeckend geben. Dahinter steht bei den Linken, die G8 immer abgelehnt haben, der Wunsch nach einer Schule für alle.

Walter Scheuerl hatte ersten Auftritt als fraktionsloser Abgeordneter

Seinen ersten Auftritt als fraktionsloser Abgeordneter hatte Walter Scheuerl, der die CDU-Fraktion verlassen hat. „Mehr Zeit für Bildung ist im Prinzip nicht schlecht“, sagte Scheuerl, ohne sich für die Rückkehr zu G9 klar auszusprechen. Die Diskussion sei so emotional, weil das Thema mit den Stadtteilschulen verknüpft werde. „Es ist irreführend, dass die Stadtteilschulen G9 anbieten, denn in der Mittelstufe arbeiten sie nicht gymnasial“, sagte Scheuerl.

Trotz des Auslaufens der Verhandlungsfrist Ende April will die SPD weiter Gespräche mit der Initiative und möglichst den anderen Fraktionen führen. „G9-Jetzt-HH“ würde das Volksbegehren anmelden, aber absagen, falls es doch noch zu einer Einigung mit der Bürgerschaft kommen sollte.