Der Eigentümer der Roten Flora sieht einer Klage der Stadt auf Rückkauf des autonomen Kulturzentrums gelassen entgegen. Stadt schaltet Anwälte ein, Eigner Kretschmer kündigt Neubau an.

Hamburg. Der Konflikt um die Rote Flora wird ein Fall für die Justiz. Der Eigentümer des seit 1989 besetzten Kulturzentrums, Klausmartin Kretschmer, hat auf das bis Montag um 24 Uhr befristete Angebot des Senats, das Gebäude samt Grundstück für 1,1 Millionen Euro zu kaufen, nicht reagiert. Stattdessen ließ er erneut verkünden, dass er auf dem Grundstück am Schulterblatt einen Neubau errichten wolle. Die Finanzbehörde, der das städtische Immobilienmanagement untersteht, hat daher eine Rechtsanwaltskanzlei „mit der Durchsetzung ihrer Ansprüche beauftragt“, teilte die Behörde am Dienstag mit. Ob und wann es eventuell zu einer Klage kommt und vor Gericht geht, ist aber ebenso offen wie der Ausgang des Verfahrens.

Die Lage für die Stadt ist heikel, denn um ihr vertraglich zugesichertes Wiederkaufsrecht ausüben zu können, müsste sie Kretschmer vertragswidriges Verhalten nachweisen. Das wird nun die Aufgabe der Kanzlei Truon sein, die ihren Sitz unweit der Flora auf St.Pauli hat. Auf welche Karte die Juristen setzen werden, wollte aufseiten der Stadt niemand verraten. Erkennbar wurde es aber zwischen den Zeilen der Senatspressemitteilung, in der Kretschmer vorgeworfen wird, er habe „öffentlich erklärt, sein vertragswidriges Verhalten fortsetzen zu wollen, indem er erneut angekündigt hat, einen ... unzulässigen Neubau errichten zu wollen“. Mit anderen Worten: Die Stadt setzt zunächst darauf, dass ein Gericht die mehrfachen und deutlichen Ankündigungen des Investors, gegen den Vertrag verstoßen zu wollen, schon als vertragsbrüchiges Verhalten wertet. Sollte das nicht ziehen, könnte auch eine Enteignung infrage kommen, weil Kretschmer mit seinen Provokationen die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. So oder so ist der Senat entschlossen, die Flora wieder in städtischen Besitz zu bringen, damit im Schanzenviertel Ruhe einkehrt.

Ironie der Geschichte: Aus genau dem Grund – Ruhe an der Flora-Front – hatte der damalige rot-grüne Senat das Gebäude 2001 für 370.000 Mark (190.000 Euro) an den selbst ernannten „Kulturinvestor“ Kretschmer verkauft. Dieser betonte seinerzeit, keinerlei kommerzielle Interessen zu verfolgen. Im Vertrag wurde geregelt, dass er das Gebäude nicht verändern darf und die Nutzung durch den Verein Flora e. V. duldet. Ein Weiterverkauf wurde ihm erst nach zehn Jahren gestattet, und das auch nur nach vorheriger Zustimmung der Stadt und unter der Maßgabe, dass der neue Eigentümer die alten Verpflichtungen übernimmt. Für den Fall, dass er sich nicht an den Vertrag hält, ließ sich die Stadt das Recht einräumen, das Gebäude für 190.000 Euro zurückzukaufen.

Dieser „Friede“ hielt zehn Jahre lang. Doch seit 2011 machte Kretschmer mehrfach deutlich, dass er die Immobilie mit Gewinn verkaufen oder einen Neubau errichten will, der Rendite abwirft – was stets für Unruhe in der linken Szene sorgte. Schon damals bot ihm der Senat daher an, das Objekt für 1,1Millionen Euro zurückzukaufen – obwohl der Verkehrswert der Immobilie nur 540.000 Euro beträgt. Der Aufschlag sollte eine Anerkennung für sein bis dahin kooperatives Verhalten sein.

Weil sich Kretschmer nicht rührte, ist das Angebot der Stadt hinfällig

Doch Kretschmer lehnte ab, seine Vorstellungen lagen eher oberhalb von fünf Millionen Euro. Stattdessen provozierte er weiter – mit Bauanfragen für ein neues Kulturzentrum mit Gastronomie und Einzelhandel, mit Überlegungen, das Gebäude an eine US-Sicherheitsfirma zu verkaufen oder mit der Aufforderung an die Nutzer, die Flora bis 20. Dezember zu räumen. Das alles führte zu der Großdemonstration am 21. Dezember, bei der Hunderte Polizisten und Demonstranten verletzt wurden. Am 14. Januar stellte die Stadt Kretschmer daher ein Ultimatum: Bis zum 3. Februar sollte er das Angebot über 1,1 Millionen annehmen oder alle seine Bauanfragen zurückziehen. Doch Kretschmer rührte sich nicht. Damit sei das Angebot über 1,1 Millionen „hinfällig geworden“, teilte die Stadt mit.

Kretschmer und sein Berater Gert Baer sehen einer Klage des Senats nach eigenem Bekunden mit Gelassenheit entgegen. „Ich bin überzeugt, dass die Klage keine Aussicht auf Erfolg hat“, sagte Baer dem Abendblatt. Kretschmer habe lediglich eine Bauvoranfrage gestellt, wie sie jeder Bürger zu jedem Grundstück stellen könne. „Es ist kein Verstoß gegen den Kaufvertrag, wenn man nur Fragen stellt. Das als Rechtsbruch zu betrachten ist Unfug“, so Baer. „Sollen sie klagen.“ Baer wirft dem Senat allerdings vor, mit dem Ultimatum und den nun folgenden rechtlichen Schritten nur Zeit gewinnen zu wollen, „um über die Bürgerschaftswahl Anfang 2015 zu kommen“.

Kretschmer selbst werde, wie bereits mehrfach angekündigt, „in den kommenden Monaten“ gegen den geänderten Bebauungsplan klagen, mit dem die Nutzung der Roten Flora festgeschrieben wird. „Das bereiten wir sorgfältig vor, wir wollen keinen Schnellschuss“, so Baer. Den Vorwurf, Kretschmer wolle mit seinem Gebaren nur den Kaufpreis in die Höhe treiben, wies Baer zurück. „Wir wollen gar nicht mehr verkaufen, nicht einmal für fünf Millionen Euro. Wir wollen es selbst machen und haben einen Investor und einen Betreiber für ein Kulturzentrum.“