Sie sollten weichen, weil ein Investor Eigentumswohnungen bauen wollte: Das Hamburger Amtsgericht weist die Räumungsklagen gegen sechs Bewohner der Hegestraße 46 ab. Doch endgültig ist das nicht.

Hamburg. Der Termin am Montag um 10Uhr vor dem Hamburger Amtsgericht dauerte nur wenige Minuten, dann stand fest: Die Mieter der Hegestraße 46 haben im Konflikt mit ihrem Vermieter einen Etappensieg vor Gericht errungen. Die Vorsitzende Richterin wies die Räumungsklagen gegen sechs Mieter ab. Die Anwälte des Vermieters waren erst gar nicht zu der Verhandlung erschienen. Die juristisch zwingende Folge: Die Richterin erließ auf Antrag der Gegenseite ein sogenanntes Versäumnisurteil.

Der Investor „GbR Hegestraße 44-48“ will den Komplex Hegestraße 46 umbauen: Aus 36 kleinen Wohnungen sollen 24 neue Wohnungen verschiedener Größe werden. Der Eigentümer will die Wohnungen verkaufen, dafür dürfte er einen guten Preis erzielen. Denn das Areal liegt auf einem Filetgrundstück am Eppendorfer Baum und geht an den Isebekkanal raus. Das Problem für den Investor: Viele Mieter der 36 Wohnungen sind ausgezogen – auch weil der Investor hohe Prämien gezahlt hat. Aber: Die acht verbliebenen Mieter wollen nicht weichen. Deshalb hat der Investor ihnen im August 2012 gekündigt: Die Mietverhältnisse hinderten ihn „an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstückes“, argumentierten die Anwälte.

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Seitdem tobt der Streit, der zunächst einmal ein juristischer Streit ist. „Verwertungskündigungen“, wie sie der Investor ausgesprochen hat, scheitern häufig vor Gericht. So auch die Räumungsklage gegen die erste Mieterin, die schon im vergangenen Sommer vor dem Amtsgericht verhandelt wurde. Begründung: Der Investor hatte zum Zeitpunkt der Kündigung nicht die nötigen Genehmigungen für sein Bauprojekt. Auch seien seine Pläne gar keine Sanierung, sondern eher ein Abriss, wofür man noch mehr Genehmigungen bräuchte. Bernd Vetter, der Anwalt der Hegestraßen-Mieter, erwartete, dass die Richterin jetzt dieser Argumentation folgen würde. Doch so weit kam es nicht: Weil die Anwälte des Investors am Montag nicht erschienen, war der Prozess sowieso verloren. Aber: Der Kläger hat zwei Wochen Zeit, um gegen das Urteil Einspruch einzulegen. Macht er dies, so gibt es einen neuen Gerichtstermin. „Das Vorgehen des Investors ist eine Verzögerungstaktik“, sagt Mieter-Anwalt Vetter. Der Investor wolle Zeit gewinnen, um in der Zwischenzeit fehlende Genehmigungen doch noch zu erhalten. Dann hätte er möglicherweise eine bessere Position vor Gericht.

Jürgen Kaape, Gesellschafter der „GbR Hegestraße 44-48“, begründet das Fernbleiben seiner Anwälte so: „Wir wollen die Gespräche, die wir führen, nicht belasten. Ich habe keine Lust auf Prozessiererei.“ Kaape hat den Mietern angeboten, in der Hegestraße bleiben zu können. Er will für die Zeit des Umbaus für Übergangswohnungen sorgen und die Mieter bei der Umgestaltung der neuen Wohnungen beteiligen. Auch die Mieten sollen moderat bleiben, Eigenbedarfskündigungen schließt Kaape für die Zukunft aus.

Dieses Angebot hat Kaape den Mietern vorgelegt – deren Anwalt Bernd Vetter hat die Verhandlungen allerdings gestoppt, weil er sich übergangen fühlte. Und weil der Investor ausschließlich über die acht Mieter reden will – Vetter zufolge geht es bei den Verhandlungen aber um viel mehr.

Die Bezirksversammlung Nord hat nämlich den Bezirksamtschef Harald Rösler (SPD) damit beauftragt, dass „in der Hegestraße 46 a–f ein mieterfreundlicher Weg gefunden wird, die Häuser zu sanieren und bezahlbaren Wohnraum zu erhalten“. Auch sollte ein runder Tisch eingerichtet werden. Investor Kaape und Rösler leiten davon ab, dass es nur für die acht Mieter eine Lösung geben soll. Mieter-Anwalt Vetter und die Aktivisten der Initiative „Wir sind Eppendorf“ fordern, dass es nicht nur um alle Wohnungen der Hegestraße 46, sondern auch um die Häuser der Nummern 44 und 48 gehen soll, die auch dem Investor gehören.

Behördenchef Rösler steht in der Kritik: Gegen den Investor hat er zwei Verfahren eingeleitet. Die Beamten aus dem Bezirksamt sollen überprüfen, ob die Baugenehmigung wieder entzogen werden kann. Bevor der Fall Hegestraße für Proteste sorgte, hatte Röslers Behörde die Baugenehmigung für die Pläne des Investors im vereinfachten Verfahren erteilt. Darüber hinaus werfen die Mieter dem Investor vor, dass er illegal Wohnungen leer stehen ließ. Auch für diese Vorwürfe ist das Bezirksamt zuständig – und leitete viel zu spät ein Verfahren ein. Da nicht sicher ist, ob der Ausgang der Verfahren die Situation einfacher macht, will Rösler den Konflikt am runden Tisch gütlich lösen. Es wäre auch für den SPD-Politiker die Gelegenheit, aus den Verfahren herauszukommen. Doch der erste Termin platzte, weil die Mieter dem Investor und auch Rösler nicht mehr vertrauen. Auch in der eigenen Partei steht Rösler in der Kritik, einer der schärfsten Kritiker ist der langjährige Bürgerschaftsabgeordnete Werner Dobritz. Er sagt über seinen Parteifreund: „Rösler hat seine unabhängige Rolle als Mediator aufgrund seiner Kumpanei mit dem Investor verwirkt. Er hat sich in der Öffentlichkeit zu häufig verzockt.“ Rösler kündigte an, die ausstehenden Verfahren seiner Behörde „voraussichtlich innerhalb von vier Wochen“ zu beenden, sollte der runde Tisch scheitern. Sicher ist: Der Streit wird auch danach weitergehen.