Der ehemalige Sportamtsdirektor Hans-Jürgen Schulke schlägt vor, Hamburg und Berlin sollten sich gemeinsam um die Austragung der Olympischem Spiele bewerben. Der Sportbund empfiehlt Bewerbung für 2028.

Hamburg. Nach der Handelskammer (HK) und dem Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) hat sich jetzt auch der Hamburger Sportbund (HSB) positiv zu einer möglichen Olympiabewerbung Hamburgs für die Sommerspiele in den Jahren 2024 oder 2028 geäußert. „Olympia wäre ein Megaevent mit größter Strahlkraft für den organisierten Sport, aber auch für die Gesellschaft, Wirtschaft und Stadtentwicklung. Das HSB-Präsidium unterstützt grundsätzlich die Idee der Durchführung Olympischer Spiele in Hamburg“, schreibt der Verband in Punkt eins seines Positionspapiers, das er während seiner Klausurtagung am Sonnabend im Haus des Sports am Schlump entwickelte.

Das Bekenntnis zu Olympia wird in den folgenden Absätzen indes relativiert und an verschiedene Bedingungen geknüpft: eine enge Abstimmung mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), die Aufarbeitung der gescheiterten Münchner Kandidatur für die Winterspiele 2022, ein tragfähiges Finanzierungskonzept und ein erfolgreicher Bürgerentscheid. Der HSB empfiehlt deshalb eine Bewerbung erst für 2028, nicht schon für 2024. Die Meldefrist beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) für die Sommerspiele in zehneinhalb Jahren endet im November 2015. „In dieser kurzen Zeit ein siegfähiges Konzept vorzulegen ist kaum zu schaffen. Wir wehren uns gegen eine Holterdiepolterkampagne. Wir wollen Olympia seriös auf den Weg bringen“, sagte HSB-Präsident Günter Ploß dem Abendblatt. Er tritt damit Plänen der Handelskammer entgegen, die eine Bewerbung für 2024 befürwortet.

Ploß liegt mit seiner Einschätzung auf der Linie des DOSB, der nach dem verlorenen Volksentscheid im vergangenen November in München nichts überstürzen möchte. Würden die Bürger demnächst auch anderswo gegen Olympia stimmen, fürchtet man in der Zentrale des deutschen Sports in Frankfurt am Main, wären Olympische Spiele in Deutschland im Sommer wie im Winter wohl auf Jahrzehnte hinaus nicht mehr konsensfähig. Vor einer erneuten Bewerbung plant der DOSB eine Kommunikationskampagne zu starten, um den Menschen hierzulande die Vorzüge Olympias zu vermitteln.

„Der nächste Schuss muss sitzen“, sagt der neue DOSB-Präsident Alfons Hörmann. Ob und wann sich Deutschland wieder um Olympische Spiele bewirbt, wird das DOSB-Präsidium Anfang April beraten. 2024 sei nur dann eine Option, heißt es bisher, wenn international große Chancen auf einen Zuschlag bestünden. Nach Rio de Janeiro 2016 und Tokio 2020 gelten aber US-Städte als die aussichtsreichsten Kandidaten. Nach dieser Arithmetik würde Olympia frühestens 2028 nach Europa zurückkehren – falls es keinen Bewerber aus Afrika gibt. Dort fanden Olympische Spiele noch nie statt.

Zu hohe Kosten, zu wenig Gewinn für die Städte – das waren die ausschlaggebenden Argumente der Münchner gegen Winterspiele in ihrer Region. Der Hamburger Sportsoziologe und ehemalige Sportamtsdirektor Prof. Hans-Jürgen Schulke macht nun den Vorschlag, Hamburg und Berlin sollten sich gemeinsam um die Austragung Olympias bewerben. Die vorhandenen Ressourcen könnten in dieser Konstellation optimal genutzt und die Ausgaben dramatisch gesenkt werden. In beiden Städten seien alle notwendigen Sportstätten vorhanden und wettkampferprobt, teure Neubauten – wie in Hamburg die Errichtung eines Olympiastadions und einer Schwimmhalle – könnten vermieden werden. „Zwischen Hamburg und Berlin liegen momentan gerade 100 Zugminuten, in zehn, 14 Jahren vielleicht nur noch 60“, sagt Schulke, „das sollte logistisch kein Problem sein. In beiden Städten fährt man von einem zum anderen Ende oft viel länger.“ Vor zwei Wochen hatte Clemens Prokop, der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, einen noch weitergehenden Vorstoß gemacht. Olympia solle künftig ähnlich wie eine Fußball-Weltmeisterschaft im gesamten Land abgehalten werden.

Bislang bestand das IOC darauf, Olympische Spiele in einer Stadt/Metropolregion auszurichten, Flächenkonzepte wurden stets abgelehnt. Diese Vorgabe könnte sich ändern, weil das IOC, allen voran dessen neuer Präsident Thomas Bach, erheblichen Reformbedarf für die Ausrichtung Olympias sieht. Die Vorbehalte der Bürger gegen Olympische Spiele hatten sich gerade in Europa gehäuft, zuletzt hatte Stockholm seine Kampagne für die Winterspiele 2022 eingestellt. Auch in Österreich und der Schweiz waren im vergangenen Jahr Olympiabewerbungen an dem Widerstand der Bevölkerung gescheitert. Die Vergabe der Winterspiele 2014 ins russische Sotschi (Kosten: rund 42 Milliarden Euro) und der Fußball-WM 2022 an das Scheichtum Katar hatten die beiden größten Sportereignisse der Welt ins Zwielicht gesetzt.

Schulkes Idee klingt revolutionär, sie wird nach Abendblatt-Informationen aber längst zwischen Politikern und Wirtschaftsrepräsentanten aus Hamburg und Berlin erörtert. Öffentlich sollen diese Überlegungen erst werden, wenn das IOC solchen Bewerbungsplänen Raum gibt. Unmöglich scheint das nicht mehr, sind doch auch bei Winterspielen regelmäßig größere Distanzen zwischen den Wettkampfstätten zu überbrücken. 2006 in Turin etwa brauchten Sportler, Funktionäre und Zuschauer zweieinhalb Stunden, um von der Stadt in die Berge zu gelangen.

Das IOC wird sich während der Winterspiele Mitte Februar in Sotschi mit dieser Problematik auseinandersetzen. Wie schnell mögliche Reformpläne umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Insider rechnen mit grundlegenden Änderungen in der Ausschreibung Olympischer Spiele erst für 2028, eher für 2032.