Bewerbung um Sommerspiele 2024 oder 2028 umstritten. Stadt hält Grundstücke frei. Viele Sportstätten sind schon da. 59 Prozent der Hamburger befürworten eine neue Olympiakampagne.

Hamburg. Die Aufforderung der Handelskammer an Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), Hamburg solle sich erneut um die Ausrichtung Olympischer Sommerspiele bewerben, hat unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Während sich der SPD-Senat in dieser Frage Zurückhaltung auferlegt hat, plädiert Schleswig-Holsteins Verkehrs- und Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) für eine Bewerbung um die Jahre 2024 oder 2028: „Eine solche Bewerbung würde mithilfe des Bundes dazu führen, die Infrastruktur im Norden innerhalb weniger Jahre fit zu machen.“

Das gelte für den Ausbau der A7, die westliche A-20-Elbquerung sowie die geplante S4 nach Bad Oldesloe und S21 nach Kaltenkirchen. Kiel oder Lübeck seien ideale Austragungssorte für die olympischen Segelwettbewerbe.

59 Prozent der Hamburger befürworten laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Emnid eine neue Olympiakampagne, 37 Prozent sind dagegen. Die Erhebung hatte die Handelskammer im Dezember in Auftrag gegeben. Die E-Mails der Abendblatt-Leser an die Redaktion lassen eine gegenteilige Tendenz vermuten. Der fast einhellige Tenor: Hamburg brauche keine Olympische Spiele, die Nachteile, wie neue Schulden und später hohe Betriebskosten der Anlagen, seien größer als der mutmaßliche Imagegewinn. Von Größenwahn ist in den Schreiben die Rede, und dass eine Stadt, deren Bewohner gerichtlich gegen die Lärmbelästigung von Sportlern vorgehen, nicht olympiareif sei.

Dass sich bei strittigen Themen vor allem Kritiker zu Wort melden, ist ein bekanntes Phänomen. Deren Argumente werden aber ernst genommen. „Ich kann die Bedenken vieler Menschen verstehen“, sagt der Fotograf Thomas Metelmann, Vorsitzender des Hamburger Verbandes der Deutschen Olympischen Gesellschaft (DOG). „Wir müssen den Hamburgern jetzt sehr genau erklären, warum es sich für die Stadt sehr wohl lohnt, Olympia auszurichten.“ Vor einer Bewerbung, das hat Sportsenator Michael Neumann (SPD) angekündigt, werde es einen Bürgerentscheid geben. Metelmann: „Je geringer die Beteiligung, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Olympiagegner durchsetzen.“ Die seien leichter zu mobilisieren als die Befürworter.

Reinhard Wolf, Syndikus der Handelskammer, ist weniger skeptisch: „Die Hamburger befürchten vor allem Verkehrs- und Umweltbelastungen. Die könnten wir mit dem Olympia-Park auf dem Kleinen Grasbrook und einer Baustellenlogistik per Binnenschiff weitgehend vermeiden.“

Für Günter Ploß, den Präsidenten des Hamburger Sportbundes (HSB), kommt die Diskussion zu früh. „Natürlich wünscht sich der HSB Olympische Spiele in Hamburg unter Einbindung der Metropolregion, doch wir müssen erst klären, und genau das tun wir gerade, ob der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) nach der gescheiterten Kampagne Münchens für die Winterspiele 2022 überhaupt eine Bewerbung für die nächsten Jahre erwägt.“ Auf der Konferenz seiner Mitgliedsorganisationen hatte der DOSB am 30. September des vergangenen Jahres allerdings beschlossen, „einen neuen Anlauf zu starten, um Olympische und Paralympische Spiele nach Deutschland zu holen“.

Die Bewerbungsfrist für die Sommerspiele 2024 läuft Mitte November 2015 ab. Berlin hat bereits sein Interesse signalisiert. Und der Hauptstadtbonus wiegt bei der Vergabe von Großereignissen gewöhnlich schwer.

Hamburg gegen Berlin – der DOSB entscheidet

Sollte sich der DOSB für eine Olympiakandidatur 2024 entscheiden und Hamburgs Bevölkerung mehrheitlich hinter einer Bewerbung stehen, wären die Chancen dennoch gut, sich gegen Berlin durchzusetzen. Hamburgs Vorteil: Die Pläne der 2003 gescheiterten Kampagne für 2012 müssten nicht wesentlich umgeschrieben werden, ein Großteil der benötigten Flächen östlich und südlich der HafenCity rund um die Elbbrücken sind weiter im Besitz der Stadt und bislang nicht bebaut. Berlin fehlen momentan diese Grundlagen.

Hamburgs Konzept der Spiele der kurzen Wege am Wasser und in der City, beschieden vor elf Jahren Insider des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) der Stadt, sei international siegfähig. Hamburg scheiterte indes im April 2003 in der nationalen Ausscheidung an Leipzig. Die Sommerspiele 2012 fanden schließlich in London statt.

Bereits heute genügen viele Hamburger Sportstätten in ihrer Grundstruktur olympischen Ansprüchen. Die Regattastrecke in Allermöhe wurde kürzlich für drei Millionen Euro modernisiert. Hier würden die Ruder- und Kanuwettbewerbe ausgetragen werden. In den Stadien des HSV im Volkspark und des FC St. Pauli am Millerntor könnten Fußball und Hockey gespielt werden, am Rothenbaum Tennis. Der Derbypark in Klein Flottbek und die Galopprennbahn in Horn bieten den Reitern beste Bedingungen. Die meisten Hallenwettbewerbe könnten auf dem Messegelände am Fernsehturm und in der O2 World im Volkspark stattfinden, Beachvolleyball auf dem Rathausmarkt.

Im Gegensatz zu Berlin fehlen Hamburg ein Olympiastadion, eine Schwimmhalle und ein Radstadion. Allein der Bau dieser drei Arenen würde bis zu 600 Millionen Euro kosten, die Nachnutzung wäre zudem problematisch. Intelligente, vorübergehende Lösungen sind hier gefragt, London hat sie zum Teil vorgemacht. Die Basketballhalle zum Beispiel wurde nach Rio de Janeiro verschifft, dem Austragungsort der Sommerspiele 2016. Das olympische Dorf wiederum wäre für Hamburg von nachhaltigem Nutzen. Hier entstünden 4000 Wohnungen in bester Lage mit hervorragender Verkehrsanbindung, die nach den Spielen einen neuen Stadtteil südlich der Elbe bilden würden. „Olympia“, sagt Handelskammer-Syndikus Wolf, „wäre ein fantastisches Stadtentwicklungsprogramm, das Hamburgs Gesicht, seine Wettbewerbsfähigkeit und damit das Wohl seiner Bürger auf Jahrzehnte sichert.“