Heute entscheidet die Bürgerschaft über die Elbphilharmonie, die Hamburgs neues Wahrzeichen werden soll. Vier Beteiligte und Betroffene schildern ihre Sicht auf das Jahrhundertbauwerk.

Der Ingenieur

Erst kam die Stadt und dann das Bauwerk. Warum Stephan Deußer 2006 nach Hamburg gekommen ist, um als Ingenieur von Hochtief die Elbphilharmonie mitzubauen? „Der erste Grund war: Meine Frau und ich wollten immer nach Hamburg, und die beiden Söhne waren sofort einverstanden“, sagt Deußer. Der 47-jährige gebürtige Darmstädter ist für den Baukonzern in der technischen Projektleitung für die Ausführung zuständig. Ein Mann der ersten Stunde. Er hat sämtliche Turbulenzen auf der Baustelle hautnah miterlebt.

Für Deußer ist die Elbphilharmonie zweitens das derzeit spannendste Bauprojekt in Europa. Und weil er sich schon in Frankfurt bei Hochtief mit Fassaden beschäftigt hat, lag seine Aufgabe nahe: Der Bau-Ingenieur wurde Projektleiter für den Bereich „Hülle“. Eine seiner wichtigsten Aufgaben: Er gestaltete die Verträge mit der Firma Gartner, die die einzigartigen Glaselemente hergestellt hat. 1089 Fenster, keines gleicht dem anderen, die größten wiegen 1,8 Tonnen und messen fünf mal fünf Meter. Während die Riesen-Fenster ursprünglich per Kran in die 21.500 Quadratmeter große Fassade eingesetzt werden sollten, plädierte Deußer für eine „Monorail“: So wurden die Scheiben an einer Art Seilbahn aus Stahl in luftiger Höhe reihum angebracht.

Die Elbphilharmonie ist für Deußer nach wie vor ein herausragendes Projekt, und wenn er Fachleute aus aller Welt über die Baustelle führt, sind die Gäste voll des Lobes für die Architektur und die Ingenieurskunst. Deußer ist immer noch voller Euphorie, selbst wenn das Bauwerk aufgrund der Kosten und Verzögerungen längst nicht mehr jeden Hamburger in Jubelstürme ausbrechen lässt. In schwierigen Bauphasen hat er sich an Beppo Straßenkehrer erinnert, den Freund von Momo aus Michael Endes gleichnamigem Roman. „Der geduldige Straßenkehrer hat bei seiner Arbeit auch immer nur das nächste Haus oder die nächste Kreuzung im Blick gehabt anstatt die ganz lange Straße, die noch vor ihm liegt.“ So hat Deußer sein Team immer wieder motiviert. Rund 70 Mitarbeiter sind derzeit in der Bauleitung, knapp die Hälfte ist von Anfang an dabei.

Wenn keiner jubelt, ist das doch ein Indiz für einen guten Kompromiss

Sagt er den Leuten noch, wo er arbeitet und was er macht, wenn er gefragt wird? Deußer muss grinsen. „Ja schon, aber im Bekanntenkreis wird das Thema mittlerweile oft ausgeklammert.“ Die Argumente sind ausgetauscht. „Natürlich kann man ernsthaft darüber diskutieren, ob es sinnvoll ist, für ein Konzerthaus so viel Geld auszugeben“, sagt Deußer. Der Preis jedoch sei nicht zu hoch. „Das ist ein Projekt von internationaler Bedeutung. Es zieht schon jetzt sehr viele Besucher an. Deshalb hat Hochtief den Anspruch, den Auftrag so gut wie möglich zu realisieren.“ Die Neuordnung sei jetzt ein sehr guter Kompromiss, der beiden Seiten wehtut. „Das ist ja wohl das Indiz für einen guten Kompromiss, wenn hinterher keiner jubelt.“

Deußer ist sich sicher, dass die Stadt das Gebäude in Eigenregie nicht für den Preis und nicht in der Zeit hätte zu Ende bauen können. Genauso sicher ist er, dass die Elbphilharmonie wie jetzt geplant im Herbst 2016 fertiggestellt wird. Ein Grund dafür sei auch, dass sich das Klima zwischen Hochtief und den Architekten von Herzog & de Meuron verbessert habe. Seit einem Monat sitzen die Teams nun sogar in einem Gebäude zusammen, da sind die Wege viel kürzer.

Wenn die Elbphilharmonie fertig ist, will Deußer mit seiner Frau das ein oder andere Konzert besuchen. Er muss dafür nicht weit reisen. „Wir bleiben in Hamburg, für immer“, sagt er.