Mit Ole von Beust und der Elbphilharmonie ist das so eine Sache. Die einen preisen den CDU-Politiker noch heute, dafür dass er damals, Mitte des vergangenen Jahrzehnts, als Bürgermeister den Mumm hatte, das Projekt zu starten. Unter einem SPD-Senat, behaupten nicht wenige Politikbeobachter, hätte es nie eine Elbphilharmonie gegeben. Die anderen verfluchen ihn für diese Entscheidung, die Hamburg ein Millionengrab an der Elbe beschert habe, das nun die Steuerzahler mit immer mehr Geld zuschaufeln müssen.

Wie dem auch sei: In den knapp drei Jahren seit seinem Abschied als Bürgermeister hat von Beust eine gewisse Distanz zum Politikbetrieb aufgebaut, er ist jetzt als Anwalt, als Berater bei Roland Berger sowie bei einigen kleineren Firmen aktiv. Selbst die Streitigkeiten um das bedeutendste Projekt seiner fast zehnjährigen Amtszeit verfolge er daher auch nur in Medien, sagt der 58-Jährige. Seine Gedanken macht er sich dennoch und dabei dominieren zwei grundsätzliche Einschätzungen. Erstens: „Zu dem Projekt stehe ich ohne Wenn und Aber. Welcher Senat es auch immer einweihen wird: Er kann sich freuen, und alle anderen Hamburger auch.“ Zweitens, in Kurzform: „Im Nachhinein ist man immer klüger.“ In der Langfassung erklärt er das so: „Dass es unterm Strich zehn Jahre dauern würde, und das bei enormen Mehrkosten, habe ich mir nicht vorstellen können. Ich habe mich häufig gefragt, wo man die Weichen hätte anders stellen können oder müssen. Als bei der Ausschreibung 2006 mit Hochtief nur noch ein Anbieter übrig war – vielleicht hätte man da neu ausschreiben müssen, um wieder eine Wettbewerbssituation zu haben. Aber damals waren alle euphorisiert von dem Projekt, ich auch.“ Und eine Neuausschreibung hätte die ganze Sache wieder um zwei, drei Jahre verzögert. „Daher haben wir gesagt, wir machen das jetzt.“ Die zweite Frage sei, ob man die städtische Realisierungsgesellschaft (ReGe) personell besser hätte ausstatten müssen, so dass sie dem Kleinkrieg mit Hochtief besser gewachsen gewesen wäre. Hätte man wohl, ist heute Konsens. Aber wie gesagt. „Im Nachhinein ist man immer klüger.“

Von Beust ist nicht der Typ, der sich mit Ratschlägen in die Arbeit seiner Nachfolger einmischt. Ein Urteil über die grundlegende Neuordnung des Projekts, die die Bürgerschaft am heutigen Mittwoch absegnen soll, erlaubt er sich daher nicht – ebenso wenig über die Frage, wie seine CDU abstimmen sollte. Darf sie die SPD mit dem Schlammassel allein lassen, den sie ihr hinterlassen hat? „Ich gebe keine öffentlichen Empfehlungen ab“, sagt von Beust. „Entscheidend ist, dass ein vernünftiger Weg gefunden wird, die Sache im Zeit- und Finanzplan zu Ende zu führen. Dafür reicht auch eine Stimme Mehrheit.“

„Natürlich kann ich mir vorstellen, wie schwierig und nervig die Situation ist“

Wer möchte, kann zwischen den Zeilen heraushören, dass er etwas mehr Verantwortungsbewusstsein bei den Seinen für die Fehler der Vergangenheit begrüßt hätte. Denn dass die getrennten Verträge mit Hochtief und den Architekten Herzog & de Meuron (die jetzt zu einem neuen zusammengefasst werden) nicht das Gelbe vom Ei waren, war schon zu CDU-Regierungszeit klar. Dazu wurde extra ein Gutachten in Auftrag gegeben. „Und die Gutachter haben gesagt: Die Konstruktion ist zwar schwierig, aber nicht die eigentliche Ursache der Probleme“, erinnert sich von Beust. Offensichtlich bewerte Olaf Scholz das jetzt anders.

Ob er auch mal Mitleid mit dem heutigen Senat habe? „Mitleid ist vielleicht das falsche Wort“, sagt von Beust, „aber natürlich kann ich mir vorstellen, wie schwierig und nervig die Situation ist.“ Aber Probleme zu erben, gehöre zur Politik dazu. „Die Elbphilharmonie ist für die Stadt objektiv wichtig, und ich bin überzeugt, dass sie sich bemühen, das vernünftig zu Ende zu kriegen.“ Wobei „sie“ jetzt halt die anderen sind.