„Die Kulturbehörde wird zur Geisel eines 500-Millionen-Euro-Grabes, das nach Fertigstellung bestenfalls eine luxuriöse Spielstätte für Megastars des internationalen Klassik- und Jazz-Tourneezirkus ist. Mal abgesehen davon, dass die Symbolwirkung der Elbphilharmonie nichts an sozialem Zynismus zu wünschen übrig lässt: Da lässt die Stadt ein ,Leuchtturmprojekt‘ bauen, das dem Geldadel ein Fünf-Sterne-Hotel sowie exklusive Eigentumswohnungen zu bieten hat und dem gemeinen Volk nur eine zugige Aussichtsplattform übrig lässt. Was für ein Wahrzeichen!“ Ein Auszug aus dem „Not in our Name, Marke Hamburg!“-Manifest, mit dem örtliche Künstler im Herbst 2009 gegen die Vereinnahmung durch das Stadtmarketing protestierten – einer der Initiatoren war Ted Gaier, Musiker bei den Goldenen Zitronen und Theatermacher. Als er fast vier Jahre später diese Passage hört, meint er nur: „Warum soll das denn heute nicht mehr gelten?“

Gaier, derzeit beim Streit um den Erhalt der Esso-Häuser und des Musikclubs Molotow an der Reeperbahn aktiv, wird sofort grundsätzlich: „Die Frage ist doch: Wer soll das wie bespielen? Das scheint niemanden zu interessieren. Man baut halt ein Wahrzeichen. Aber wozu eigentlich? Diejenigen, die in der Klassik etwas voranbringen wollen, brauchen dafür nicht unbedingt ein Wahrzeichen, glaube ich.“

Eine Stelle des Manifests ist mittlerweile eindeutig falsch und von der Wirklichkeit überholt: der Preis. „Obendrauf, geschenkt“, ist Geiers sarkastische Reaktion. „Natürlich gehört dieses Geld eigentlich der Off-Kultur und anderen weniger repräsentativen Einrichtungen. Natürlich hat dieses Projekt Gelder abgezogen. Aber es ist ja viel schlimmer: Nicht mal da, wo wir unsere andere Kultur ohne Subventionen pflegen, wird man in Ruhe gelassen. Das ist ein totales Ungleichgewicht.“

Das Ding in diesem Zustand als Mahnmal stehen lassen

In seinem Umfeld ist Gaier niemand bekannt, der seit der Protestnote von damals seine Einstellung zur Elbphilharmonie geändert hat. „Es gibt ja auch keinen Anlass dazu. Es ist ja eher so, dass unsere Meinung immer mehr Akzeptanz findet. Auch bei bildungsbürgerlichen Leuten, für die dieser Tempel ja eigentlich gebaut wird. Mittlerweile weiß ich gar nicht mehr, wer noch dafür ist. Auch die Parteien hacken jetzt aufeinander herum.“

Gibt es irgendwann eine gegenseitige Toleranz? Ihr macht euer Ding und wir unseres? „Die lassen uns unser Ding ja nicht machen“, entgegnet Gaier amüsiert, „teilweise sind es ähnliche Sponsoren, die uns hier vertreiben. Versöhnung? Ich weiß nicht. Als Theaterschaffender habe ich gelegentlich in Tempeln zu tun, die sich die Kulturbourgeoisie vor 150 Jahren gebaut hat. Da klappt das ja manchmal mit der Aussöhnung, weil denen nichts mehr einfällt und das dort so hohl ist, lassen sie einen Marthaler, Pollesch oder Typen wie mich rein. Ich hab’ die Elbphilharmonie noch nicht von innen gesehen. Aber mit dieser High-Class-Lage, der Gastronomie und Hotellerie wird klar signalisiert, wen man dort haben will. Und wen nicht.“

Zur Abstimmung in der Bürgerschaft hat er eine klare Meinung. „Mich braucht man dazu nicht zu fragen. Mich fragt ja sonst auch keiner. Ich würde mich unbedingt dem von Christoph Twickel geäußerten Vorschlag anschließen, das Ding in diesem Zustand als Mahnmal für gescheitertes Städtemarketing stehen zu lassen. Das würde ein Ende der Kostenspirale einleiten, weiter Touristen anziehen und eine lehrreiche Botschaft in die Welt senden."