„Ja, klar erinnere mich noch“, sagt Alexander Gérard und blickt kurz auf das Foto vor sich. „Das war zwei Monate nach der Vorstellung des Projekts.“ Das Bild vom August 2003 zeigt ihn vor dem noch nackten Kaispeicher A in der HafenCity, roter Backstein vor strahlend blauem Himmel. Diesen klotzigen Kakaospeicher aus den 60er Jahren mit einem gläsernen Konzerthaus zu krönen – das war die Idee von Gérard und seiner Frau, der Historikerin Jana Marko. Der Architekt hat die Details alle noch parat: Die dreieinhalb Jahre Planung, die Reisen zu 40 Konzertsälen in aller Welt, das Rechnen und Kalkulieren zusammen mit dem Projektentwickler Dieter Becken, das Klinkenputzen, all die Überzeugungsarbeit, und dann das: Im Sommer 2004 teilt die Stadt mit: Wir machen es – aber ohne Euch!

„Das Projekt war wie ein Baby für mich, da herausgedrängt zu werden, hat mir einen richtigen Knacks versetzt“, sagt Gérard. Sicher, er und Becken haben insgesamt drei Millionen Euro als Abfindung für ihre Vorarbeit erhalten. Aber kann man so einen Schlag mit Geld ausgleichen? Dieser Stachel, das räumt Gérard ein, sitze immer noch tief. Zumal der 63-Jährige fest davon überzeugt ist, dass damit der Grundstein für zehn Jahre Streit und eine in Hamburg beispiellose Kostenexplosion gelegt wurde. „Uns herauszudrängen, war der entscheidende Fehler“, sagt Gérard. „Wir hatten enormes Know-how angehäuft, und wir wussten auch, was wir nicht wussten und wo das zusätzliche Know-how zu holen war.“ Und dann diese Gerüchte, die ihn bis heute verfolgen. Er habe die Elbphilharmonie ja nur geplant, damit auf dem Kaispeicher nicht eine Büro-Konkurrenz für das von ihm gebaute, benachbarte Hanseatic Trade Center (HTC) entstehe. Was für ein Quatsch, sagt Gérard. „Ich habe meine Anteile am HTC schon 1998 verkauft.“

„789 Millionen Euro Kosten für die Stadt sind ein Wahnsinn“

Vielmehr sei er damals empört gewesen, dass auf diesem exponierten Gelände, für das eine „Sondernutzung Kultur“ vorgeschrieben war, ein schnöder Bürobau entstehen sollte. Entgegengesetzt hat er dem eine simple Idee. „Unser Angebot an die Stadt war: Gebt uns das Grundstück umsonst, und Ihr bekommt die Elbphilharmonie umsonst.“ Gérard und Becken wollten den denkmalwürdigen Speicher erhalten, darin ein Parkhaus und eine Fläche für Off-Kultur einrichten, und oben drauf, im gläsernen Neubau, zwei Konzertsäle, 34 Luxuswohnungen und ein 200-Zimmer-Hotel – der Verkauf dieser privaten Flächen sollte den Konzertbereich finanzieren. Kosten: 156 Millionen Euro. Nachdem die Stadt das Projekt an sich gezogen hatte, wurden daraus drei Säle, 45 Wohnungen, ein 250-Zimmer-Hotel, und der Speicher wurde komplett zum Parkhaus. 42 Prozent mehr Fläche, aber nur 20 Prozent höhere Kosten - da dämmerte Gérard, dass das nicht gut gehen kann. „Ich hätte aber nie gedacht, dass es so schlecht laufen würde.“

Zeitsprung: Nach Jahren des Streits muss die Bürgerschaft über eine völlige Neuordnung des Projekts entscheiden. Was denkt der „Erfinder“ der Elbphilharmonie darüber? „Ich bin entsetzt über die Kosten für die Stadt“, sagt Gérard. „789 Millionen Euro sind ein Wahnsinn. Wenn man das in Relation setzt zu anderen Konzerthäusern, ist es das Vier- bis Fünffache.“ Andererseits müsse die Stadt den Bau zu einem guten Ende führen, und das werde jetzt wahrscheinlicher: „Jetzt wird das Projekt so geordnet, wie es von Anfang an notwendig gewesen wäre.“