Jeder zweite Hamburger Jugendliche ist nicht gläubig. Das ist das Ergebnis der Abendblatt-Religionsumfrage. Jugend ohne Gott.

Jeder zweite Hamburger Jugendliche zwischen 14 bis 19 Jahren hält sich weder für religiös noch für gläubig. Damit liegt der Anteil der Jugendlichen mit nicht ausgeprägter Religiosität in der Kirchentagsmetropole deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Zum Vergleich: In der großen Religionsumfrage des Marktforschungsinstituts Harris Interactive im Auftrag des Hamburger Abendblatts hatten dagegen lediglich 23 Prozent der bundesweit befragten Jugendlichen angegeben, weder religiös noch gläubig zu sein.

Die Hamburger Forscher hatten in Kooperation mit der Hapag-Lloyd-Stiftung und der Drogeriekette Budnikowsky 1541 junge Menschen in Hamburg und ganz Deutschland im März 2013 online befragt. Das nicht vorhandene - oder noch nicht entdeckte - religiöse Bedürfnis junger Menschen ist auch bei der Mitgliedschaft in einer religiösen Glaubensgemeinschaft messbar. Hier zeigen sich ebenfalls deutliche Unterschiede zwischen den Hamburgern und dem Bundesdurchschnitt. So gehören rund 60 Prozent der Hanseaten zwischen 20 und 29 Jahren keiner christlichen Glaubensgemeinschaft an; bundesweit sind es nur rund 49 Prozent. Erst mit zunehmendem Alter wächst das Interesse an einer institutionalisierten religiösen Bindung.

Selbst beim Kirchenbesuch übt Hamburgs Jugend erhebliche Zurückhaltung. 60 Prozent der 14- bis 19-jährigen Jugendlichen besuchen nie religiöse Veranstaltungen in der Kirche - diese Zahl ist doppelt so hoch wie der Bundesdurchschnitt in dieser Altersgruppe. Und nicht einmal an Weihnachten zieht es die jungen Frauen und Männer in die Gotteshäuser, um die Geburt Jesu und die Heilige Familie zu feiern: Deutschlandweit gehen im Schnitt fünfmal mehr 14- bis 19-Jährige zum Christfest in die Kirche als in der Kirchentagsmetropole Hamburg. Mehr noch: Drei Viertel der Hamburger Jugendlichen beten nie.

Umso stärker ist der Fortschrittsglaube in dieser Altersgruppe ausgeprägt. In keiner Generation ist die Vorstellung so weit verbreitet, dass die Menschheit über kurz oder lang den Tod durch den technischen Fortschritt überwindet. 25 Prozent der 14- bis 19-jährigen Hamburger halten das für möglich; bundesweit sind es sogar mehr als 30 Prozent.

Die kirchlichen Glaubenslehren verlieren dagegen in allen Altersgruppen an Bedeutung. Nur noch 20 Prozent der Hamburger glauben an die Auferstehung der Toten (Bund: 30 Prozent). Dass Jesus Christus der Erlöser der Menschen sei, glauben ebenfalls nur noch etwas mehr als 20 Prozent der Hanseaten. Stattdessen ist ein intensives Interesse an fernöstlichen Religionen und Glaubensgemeinschaften messbar. Es ist bei Protestanten stärker ausgeprägt als bei Katholiken und bei jungen Leuten höher als bei den über 50-Jährigen. "Hamburg", sagt Georg Bergner, Geistlicher Rat und Leiter der Pastoralen Dienststelle des Erzbistums Hamburg, "ist Trendsetter. Glaubensvorstellungen sind zunehmend diffus, feste Glaubenssätze wie sie das Christentum und der Islam kennen, finden wenig Zustimmung."

Im Zweifel für den Glauben II

Jung, engagiert, gläubig - auf dem Kirchentag sind diese Jugendlichen in der Mehrheit. In Harburg gibt es ein Zentrum der Jugend, und allein mehr als 2000 Pfadfinder sind noch bis Sonntag ehrenamtlich unterwegs

Ihr Schiff hat den Namen "Zuversicht". Und sie sind unterwegs im Namen des Herrn. Patrick, Lena und Sophie (alle 17) sind so etwas wie Botschafter für die Bewahrung der Schöpfung. Vor einer Woche sind sie mit dem Jugendumweltprojekt KlimaSail der Nordkirche in Kiel losgesegelt, für den Kirchentag haben sie im Traditionsschiffhafen in der HafenCity festgemacht. "Es geht darum umzudenken", sagt Patrick, "dass man merkt, wie verschwenderisch wir mit den Ressourcen umgehen." Für die Jugendlichen an Bord des 108 Jahre alten Schoners fängt das mit dem Abwaschwasser an oder auch damit, ob man unnötig das Bettlicht anlässt. "Es geht um die Verantwortung für die Welt", sagt Sophie. "Beten ist das eine, aber wir wollen etwas tun, damit sich was ändert."

Jung, engagiert, gläubig - insgesamt ist das die Minderheit (s. links). Aber auf dem Kirchentag sind sie viele. Ein Drittel aller 117.000 Dauergäste sind Schüler und Studenten. Knapp 16 Prozent sind zwischen 14 und 17 Jahren alt, die Gruppe der Teilnehmer von 18 bis 29 Jahren umfasst noch mal 17,5 Prozent. Und das sieht man auch überall in der Stadt. Junge Leute mit blauen Kirchentagsschals sitzen in Parks, manchmal auch einfach am Straßenrand und singen. Es gibt sogar ein eigenes Zentrum Jugend auf der anderen Elbseite in Harburg. Viele von ihnen engagieren sich ehrenamtlich als Helfer. Mehr als 2000 Pfadfinder aus ganz Deutschland sind beim Kirchentag in Hamburg dabei.

So wie Katharina, 15, Sophia, 16, Esther, 16, Selina, 16. Die Schülerinnen aus Niedersachsen sind für die Müllentsorgung in den Messehallen eingeteilt. "Das ist okay", sagt Selina. "Wichtig ist, dabei zu sein." Genau wie ihre Freundinnen, trägt sie Pfadfinderkluft - Lederhose und das blaue Tuch. "Auf dem Kirchentag ist toll, dass man Leute trifft, die so denken wie man selbst", sagt Katharina. Klar, dass alle vier offen mit ihrem Glauben umgehen. "Ich bete jeden Abend", sagt Sophia. Und für Selina ist "Glauben eine Verankerung, an der ich mich festhalten kann".

Ilse, 16, und Valentina, 17, sind aus Düsseldorf angereist, um bei dem Glaubensfest dabei zu sein. Seit Mittwoch sind sie nonstop unterwegs: Bibelarbeiten, gemeinsames Singen, das Lichtermeer mit 150.000 Kerzen am Eröffnungsabend, und natürlich das Konzert mit den Wise Guys. Bloß nichts verpassen! "Es tut gut, dass hier so viele Christen sind", sagt Ilse. "Da fühlt man sich nicht allein." Über Glauben zu reden, das ist ihr wichtig. "Es ist auch die Pflicht als Christ", sagt Valentina. Andere engagieren sich in der Jugendarbeit. "Ich habe eine Ausbildung als Teamerin gemacht", sagt Daria, 17, die auf dem Markt der Möglichkeiten am Stand des Kirchenkreises Paderborn über Konfirmandenarbeit informiert - während andere draußen entspannen. "Expedition Gottessuche" haben jungen Leute auf ihren T-Shirts stehen. Auch die drei jungen Leute auf der "Zuversicht" sind auf der Suche. "Religion ist mir wichtig", sagt Sofie. Es ist das dritte Mal, dass sie, Patrick und Lena mit dem Kirchenschiff unterwegs sind. "Der Glauben schweißt zusammen."