Das Verfassungsgericht erlaubt den Volksentscheid über den Rückkauf der Netze. Hamburger dürfen am 22. September abstimmen.

Hamburg. Zufall oder nicht? Am gestrigen Dienstag um kurz nach 10 Uhr teilte der Energiekonzern Vattenfall mit, dass er nunmehr die Genehmigung zum Bau eines Wärmespeichers auf dem Gelände des Heizkraftwerks Tiefstack erhalten habe. Das, so freute sich der Geschäftsführer der Vattenfall Wärme Hamburg GmbH, Frank May, sei "ein weiterer Schritt zur Umsetzung der Energiewende in Hamburg. Mit diesem Speicher wird die Integration erneuerbarer Energien ermöglicht".

Keine zwei Stunden später wurde bekannt, dass das Hamburgische Verfassungsgericht die letzte Hürde für den Volksentscheid über den vollständigen Rückkauf der Energienetze aus dem Weg geräumt hat: Die Klage der CDU-Fraktion gegen die Abstimmung wurde als unzulässig eingestuft (siehe Seite 1).

Damit sind alle juristischen Mittel ausgereizt - und der Kampf um die Energiewende hat endgültig begonnen: Auf der einen Seite steht der SPD-Senat, der den Energiekonzernen Vattenfall und E.on 25,1 Prozent der Strom-, Gas- und Fernwärmnetze für 543 Millionen Euro abgekauft hat und darauf setzt, dass die Konzerne im Gegenzug 1,6 Milliarden Euro in alternative Projekte investieren. Daher betonte auch Vattenfall-Manager May ausdrücklich, dass das Projekt in Tiefstack "Bestandteil des Energiekonzepts mit der Stadt Hamburg" sei. Auf der anderen Seite steht die Volksinitiative Unser Hamburg - unser Netz, die den vollständigen Rückkauf der Netze fordert, weil nur so eine "sozial gerechte, klimaverträgliche und demokratisch kontrollierte Energieversorgung aus erneuerbaren Energien" zu erreichen sei. Ob das eine weitere Ausgabe von mindestens 1,5 Milliarden Euro rechtfertigt - darüber dürfen die Hamburger nun am 22. September abstimmen.

Senat und SPD-Fraktion fühlten sich durch den Beschluss des Verfassungsgerichts in ihrer Auffassung bestätigt, dass die Frist für eine Verfassungsklage schon im Januar 2011 verstrichen war. Man suche die politische Auseinandersetzung mit der Volksinitiative, nicht die juristische, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel. Und da sei der Kurs der Regierung klar: "Im Gegensatz zum Bund, im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern klappt hier bei uns die Energiewende. Vieles ist schon erreicht, vieles angeschoben. Wir machen die Energiewende jetzt - zu einem vertretbaren Preis."

Unterstützt wird die SPD von CDU und FDP, die nicht nur den bisherigen, sondern auch jeden weiteren Netzekauf ablehnen. "Die Verpuffung von Steuergeld ist noch lange kein Beitrag zur Energiewende", so Thomas-Sönke Kluth (FDP). "Wer etwas für die Energiewende erreichen will, der muss an den Erzeugung oder beim Verbrauch ansetzen, aber nicht an den Verteilnetzen." Grüne und Linkspartei stehen hingegen aufseiten der Initiative und begrüßten das grüne Licht für den Volksentscheid. "Der CDU ist es nicht gelungen, den Netze-Volksentscheid zu verhindern und damit Bürgermeister Olaf Scholz dessen größtes Problem vom Hals zu schaffen", sagte Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan. Linke-Fraktionschefin Dora Heyenn forderte die Gegner des Rückkaufs auf, nicht länger "Ängste zu schüren. Denn damit sollen nur die Hamburger von ihrem Willen nach Überführung der Netze in die öffentliche Hand abgebracht werden."