Spätestens ab Juli soll an der Elbphilharmonie wieder gebaut werden. 31. Oktober 2016 soll Abnahme durch die Stadt erfolgen.

Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit, und neues Leben blüht aus den Ruinen." Es müssen Tage wie diese gewesen sein, an die Friedrich von Schiller gedacht haben mag, als er diese Worte dichtete. Zu finden sind sie auf dem Kamin im Phönixsaal des Hamburger Rathauses - und vor diesem Kamin verkündeten Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos) am Freitag die neue Zeitrechnung in Sachen Elbphilharmonie. Dass diese Auferstehung aus der Asche früherer Verträge auch noch mit dem allerletzten Vorhang geschah - schließlich wollte Scholz die Verträge eigentlich bis zum 28. Februar präsentieren - zeugte von einem Gefühl für Timing, das jedes gute Konzert braucht, um Misstöne zu vermeiden.

"Es ist verhandelt, und es ist in harter Arbeit gelungen, eine gute Grundlage für die künftige Zusammenarbeit zu schaffen", sagte Scholz. Die Elbphilharmonie werde, wenn sie denn 2017 eröffnet wird, ein faszinierender Ort werden. Klar sei aber auch: "Bei der Komplexität dieses Projektes sollte niemand glauben, dass die Fertigstellung des Konzerthauses ein Spaziergang wird." Kisseler betonte, dass sich alle Beteiligten weit aufeinander zu bewegt hätten. "Diese konstruktive Haltung auf allen Seiten hat den Weg für die Neuordnung des Projektes frei gemacht." Während der "langen und schwierigen Verhandlungen" sei immer das Ziel geblieben, "für Hamburg eines der besten Konzerthäuser der Welt zu bauen".

Mit Erleichterung nahm auch der einflussreiche "Freundeskreis der Elbphilharmonie" die Einigung auf. "Nun ist es wichtig, allen Hamburger Bürgern und gesellschaftlichen Gruppen durch eine reibungslose Fertigstellung gute Gründe zu geben, in diese Vorfreude einzustimmen", sagte der Vorsitzende Nikolaus W. Schües.

Doch was steht eigentlich in den Verträgen? Darüber kann sich jeder Bürger selber ein Bild machen, denn gemäß dem eigenen Anspruch, transparent mit dem Jahrhundertprojekt umzugehen, hat der Senat das 32-Seiten-Dokument am Freitag umgehend veröffentlicht. Es ist unter www.hamburg.de/kulturbehoerde im Internet einsehbar. Die wichtigsten Fakten:

Die "Neuordnung" des Projekts - die wichtigste Veränderung

Bislang hatte die Stadt einen Vertrag mit den Architekten Herzog & de Meuron (plus Höhler + Partner), die als Generalplaner die Pläne an die Stadt lieferten, aufgrund derer diese ihren zweiten Vertragspartner, den Generalunternehmer Hochtief, mit der Umsetzung beauftragte. Ein Dreiecksverhältnis, das permanent für Streit sorgte, wer welchen Fehler zu verantworten und die Kosten dafür zu tragen hat - mit dem Ergebnis, dass die Baustelle seit Herbst 2011 stilllag. Künftig bilden Architekten und Baukonzern eine Planer-Arbeitsgemeinschaft unter dem Dach von Hochtief. Damit hat die Stadt nur noch einen Ansprech- und Vertragspartner und hat selbst keine Mitwirkungspflichten mehr. Die künstlerische Oberleitung behalten Herzog & de Meuron, die Stadt kontrolliert die Arbeiten über ihre Realisierungsgesellschaft ReGe. Außerdem muss Hochtief vereidigte Sachverständige mit der Prüfung beauftragen, ob alles korrekt gebaut wird.

Bis zum 30. Juni soll die Bürgerschaft zustimmen

Das vielleicht Überraschendste: Obwohl die Stadt im Dezember festgelegt hatte, dass man sich trennen könne, wenn die Verträge nicht bis zum 28. Februar "rechtsverbindlich" zustande gekommen sein sollten, sind sie das nach wie vor nicht - die Papiere sind nicht unterschrieben. Der Bürgermeister sieht darin aber kein Problem: Vermutlich am 9. April werde der Senat eine Drucksache beschließen, mit der sich die Bürgerschaft dann intensiv beschäftigen solle, sagte Scholz. Bis zum 30. Juni habe das Parlament dann Zeit, den Verträgen zuzustimmen. Bis dahin würden Hochtief und die Architekten aber bereits ihre Büros zusammenlegen und mit der gemeinsamen Planung beginnen. Spätestens ab Juli soll wieder richtig gebaut werden.

Termine und Garantien - für Scholz ein großer Erfolg

Hochtief garantiert, den Konzertbereich der Elbphilharmonie bis zum 30. Juni 2016 an die Stadt zu übergeben, die endgültige Abnahme soll am 31. Oktober 2016 sein, die Eröffnung 2017. Der Baukonzern übernimmt künftig die gesamte Haftung für den Bau und die Planung - auch für die bisherige, was besonders wichtig ist. Denn damit müssen Hochtief und die Architekten untereinander klären, wer welchen Fehler zu verantworten hat; die Stadt ist aus dem Schneider. Das gilt zum Beispiel für die "Tube", die 80 Meter weit und über sechs Stockwerke durch eine Röhre verlaufende Rolltreppe. Diese fugenlos verputzte Röhre weist so viele Risse auf, dass sie wohl - wie berichtet - abgerissen und erneuert werden muss.

Auch für die gute Akustik im Großen Saal garantiert Hochtief jetzt

Beim zentralen Aspekt der Akustik hat sich einiges bewegt: Während Hochtief im Dezember noch die Übernahme einer Haftung bei Problemen in diesem Gebiet ausdrücklich abgelehnt hatte, verpflichtet sich der Baukonzern nun, jene Vorgaben und baulichen Optimierungen des Akustikplaners Yasuhisa Toyota umzusetzen, die sich "möglicherweise insbesondere in der Einspielphase des Großen Saals" ergeben. Toyota wird außerdem regelmäßig den Planungs- und Baufortschritt überprüfen. Sein grünes Licht zur Akustik der Konzertsäle der Elbphilharmonie ist nun Voraussetzung für die Endabnahme des Gebäudes durch die Stadt.

Zahlungstermine, Strafen und Kündigungsrechte für die Stadt

Aus Sicht von Scholz haben die Hochtief-Garantien im Laufe der Verhandlungen noch an Qualität gewonnen. Denn der Konzern verpflichtet sich nun sogar, bestimmte Zwischentermine zu halten. Schafft er das nicht, sind hohe Strafen fällig oder die Stadt kann den Konzern rauswerfen. Das sind die Termine und Zahlungen: Am 15. September 2013 müssen die Planung für den Großen Saal sowie das Sicherheitskonzept stehen. Dann fließen Hochtief 55 Millionen Euro zu, die noch auf einem Sperrkonto geparkt sind. Ist der Rohbau bis zum 30. November 2013 fertig, gibt es knapp 16 Millionen Euro. Für die Fertigstellung der Glasfassade bis zum 31. Mai 2014 sind es 47 Millionen Euro. Ist das Dach bis 15. August 2015 regendicht, werden 52 Millionen Euro ausgezahlt. Für die Fertigstellung des 250-Betten-Hotels und der Technik über dem Konzertsaal bis 30. April 2015 sind 40 Millionen Euro fällig. Wenn die "Weiße Haut", die die Spitzenakustik im Großen Saal sichern soll, bis zum 31. Januar 2016 fertig ist, werden 50 Millionen Euro ausgezahlt.

Erst bei zufriedenstellender Gesamtabnahme ist die Schlusszahlung von 72 Millionen Euro fällig. Reißt Hochtief einen Zwischentermin, sind pro Tag (!) 200.000 Euro Strafe fällig. Wird der Übergabetermin nicht eingehalten, sind es sogar 575.000 Euro pro Tag. Insgesamt ist die Vertragsstrafe jedoch auf 28 Millionen Euro gedeckelt - zusammen mit den 72 Millionen Euro Restzahlung trägt Hochtief also bis zum Schuss ein 100-Millionen-Euro-Risiko.

575 Millionen Euro erhält Hochtief, der Gesamtpreis ist viel höher

Insgesamt stehen Hochtief jetzt 575 Millionen Euro zu, rund 195 Millionen Euro mehr als bisher. Darin enthalten sind die künftigen Architektenkosten von 35 Millionen Euro. Das ist aber nicht der Gesamtpreis der Elbphilharmonie. Inklusive der bereits an die Architekten gezahlten 58 Millionen Euro, der Kosten für die ReGe, der Vorlaufkosten, der Erschließungskosten, der Steuern und der Finanzierungskosten kostet das Projekt weit über 700 Millionen Euro. Davon muss man aber 56 Millionen Euro an Spenden abziehen. Fest steht: Abgerechnet wird am Schluss, also nicht vor 2016.