Der Anteil der Radler am Verkehrsaufkommen ist auf zwölf Prozent gestiegen. Verbände fordern höhere Investitionen in Infrastruktur.

Hamburg. Die Belastung durch den Autoverkehr in Hamburg geht immer weiter zurück. Vor allem in der City und im erweiterten Innenstadtbereich sinkt die Zahl der Nutzer von Autos und Lastkraftwagen. Dagegen steigt die Zahl der Menschen, die auf Hamburgs Straßen mit dem Fahrrad unterwegs sind, kontinuierlich an. Das geht aus dem "Fortschrittsbericht 2012" zur Radverkehrsstrategie für Hamburg hervor, der in Kürze veröffentlicht wird.

Die Zahl der Verkehrsbelastungen durch Autos auf den Stadtstraßen sank in den vergangenen 20 Jahren um sechs Prozent, in der vom Ring 2 markierten Kernstadt um zwölf Prozent. In der City nahm die Verkehrsbelastung seit 1990 sogar um 16 Prozent ab. "Das Gefühl, dass der Verkehr auf Hamburgs Straßen immer mehr zunimmt, wird durch die Zahlen nicht belegt. Im Gegenteil, der Trend ist insgesamt leicht abnehmend", sagt Olaf Böhm, Radverkehrsplaner aus der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI).

Eindrucksvoll abzulesen ist die Entwicklung des Fahrradverkehrs an den 38 Hamburger "Fahrradpegeln". An diesen über die Stadt verteilten Messstellen werden einmal im Jahr von 6 Uhr morgens bis 19 Uhr abends die Radfahrer gezählt. Die am stärksten frequentierte Stelle befindet sich auf der Kennedybrücke. Während die Zählungen 1990 dort noch 2945 Radfahrer ergaben, stieg die Zahl im Jahr 2010 auf 7950 Radfahrer.

Die Gründe dafür, dass zumindest für kürzere Strecken in der Stadt immer mehr Menschen vom Auto auf das Fahrrad umsteigen, sind vielfältig. So besteht zwar bei den Radwegen überall in der Stadt auch laut Behörde noch "deutlicher Verbesserungsbedarf", aber zahlreiche Baumaßnahmen, die teilweise noch auf die schwarz-grüne Regierung zurückgehen, greifen nun.

So wurde in den Jahren 2011 und 2012 auf einer Länge von 47 Kilometern in die Radverkehrsplanung investiert. Mit 17 Kilometern nahmen dabei die Radwege an Bezirksstraßen den größten Anteil ein. Gefolgt von 14,5 Kilometern, auf denen der Ausbau des Veloroutennetzes der Stadt mit seinen insgesamt 14 Routen (Länge bisher: 280 Kilometer) vorangetrieben wurde. Die Tendenz ist seit Jahren steigend: Betrug die Länge der umgesetzten baulichen Maßnahmen 2008 noch acht Kilometer, stieg sie 2012 bereits auf 22 Kilometer.

Für die folgenden Jahre sieht der Fortschrittsbericht bauliche Maßnahmen auf insgesamt 100 Kilometern vor. Davon 41,5 Kilometer im Veloroutennetz und 36 Kilometer an Hauptverkehrstraßen. Dort ist es besonders schwierig, den Autoverkehr zurückzudrängen. Ab März wird auf der viel befahrenen Alsterkrugchaussee (von der Röntgenstraße bis zum Erdkampsweg) der Radfahrstreifen auf 1,2 Kilometer Länge auf die Fahrbahn verlegt.

Oft sind es ganz praktische Gründe wie Zeit- und Kostenersparnis sowie ein allgemein gestiegenes Umweltbewusstsein, das die Hamburger aufs Rad steigen lässt. Ein weiterer Grund: Viele Einbahnstraßen in Tempo-30-Zonen dürfen von Radfahrern in beiden Richtungen befahren werden. Mit 70 Prozent der insgesamt 900 Einbahnstraßen liegt Hamburg hier sogar vor Freiburg (48 Prozent) sowie Stuttgart und München (40 Prozent).

Ein Erfolgsprojekt ist auch Stadtrad Hamburg mit 1650 Fahrrädern, die an mittlerweile 123 Stationen im Stadtgebiet ausgeliehen werden können. 2012 haben 180.000 Kunden insgesamt 2,05 Millionen Fahrten zurückgelegt. 1,7 Millionen Euro hat Hamburg dem Betreiber dafür im vergangenen Jahr bezahlt. "Eine Umfrage hat ergeben, dass elf Prozent der Kunden ein Auto benutzt hätten, wenn es Stadtrad nicht gegeben hätte", sagt Olaf Böhm. Das Projekt ist das erfolgreichste in Deutschland und habe vor allem dazu beigetragen, "die Präsenz des Fahrrads im öffentlichen Raum zu erhöhen".

Derzeit beträgt der Anteil des Radverkehrs in Hamburg zwölf Prozent - 18 Prozent benutzen Bus und Bahnen, 28 Prozent gehen zu Fuß, 42 Prozent fahren mit dem Auto. Von dem Vorhaben aber, den Radverkehrsanteil bis 2015 auf 18 Prozent zu erhöhen, hat sich der SPD-Senat, zumindest was die Jahreszahl angeht, verabschiedet. Das sei "zu ambitioniert" gewesen, heißt es. "Oft sind aufwendige Planungsverfahren erforderlich, um bedarfsgerecht auszubauen", sagt Olaf Böhm.

Merja Spott vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club vermisst dagegen den politischen Willen, den Radfahrern noch mehr Platz in der Stadt einzuräumen. "Man muss den Autofahrern wehtun, sonst werden sie kaum umsteigen. Das kann man eigentlich auch niemandem vorwerfen, das ist ein ganz normales Verhalten." Aber dazu gehöre Mut. Sie habe manchmal den Eindruck, dass die Politiker ängstlicher sind als die Bevölkerung. "Um Radfahrer zu unterstützen, ist es wichtig, Radstreifen auf der Fahrbahn einzurichten. Die sind sicherer, weil Fahrradfahrer dort von den Autofahrern gesehen und sie dort nicht von parkenden Autos gefährdet werden." Das Nichtgesehenwerden sei die häufigste Unfallursache. Auch große Kreuzungen und Ampelschaltungen müssten an alle Verkehrsteilnehmer angepasst werden.

Wichtig sei auch, mehr Geld und Personal für den Ausbau des Radverkehrs bereitzustellen. "Im Vergleich zum Busbeschleunigungsprogramm, was wir nicht grundsätzlich ablehnen, sind Investitionen in den Radverkehr sehr viel effizienter", sagt Merja Spott.