Reederei Unifeeder erwägt Zuschläge für Verspätungen auf maroder Wasserstraße. Gefahr für Anbindung des Hamburger Hafens an die Ostsee.

Hamburg. Der Nord-Ostsee-Kanal entwickelt sich für den Hamburger Hafen zunehmend zu einem wirtschaftlichen und logistischen Risikofaktor. "Mit den wachsenden technischen Problemen des Kanals schrumpfen die Standortvorteile des Hamburger Hafens in den Verbindungen von und zur Ostsee", sagte am Montag in Hamburg Timm Ulrich Niebergall, Deutschland-Chef der Reederei Unifeeder. "Sollte sich die Situation am Kanal nicht zeitnah verbessern, werden wir in den kommenden Wochen einen Transportzuschlag je Container einführen müssen. Nur so können wir die wachsenden Kosten ausgleichen, die uns durch die zunehmenden Verspätungen entstehen."

Steigende Kosten für die Verbindungsverkehre von und nach Hamburg wiederum würden Konkurrenzhäfen wie Rotterdam oder Antwerpen in die Hände spielen. Rund ein Drittel der in Hamburg umgeschlagenen Containerladung geht weiter in Richtung Ostsee oder kommt von dort.

Der Nord-Ostsee-Kanal - der in der internationalen Schifffahrt Kiel Canal heißt - verbindet die Nordsee und die Ostsee auf einer Strecke von rund 100 Kilometern durch Schleswig-Holstein hindurch. Mit rund 33.500 Schiffspassagen im vergangenen Jahr ist der 1895 eingeweihte Kanal die meist befahrene künstliche Wasserstraße der Welt. Vor allem die beiden großen Schleusen an der Nordsee bei Brunsbüttel müssen dringend saniert werden. Sie sind seit 1914 in Betrieb. In geringerem Umfang gilt das auch für die gleich alten Hauptschleusen in Kiel-Holtenau.

Neben den Schleusen soll auch die Fahrrinne des Kanals überarbeitet werden. Vorgesehen ist eine Vertiefung, damit künftig Schiffe mit 10,50 Meter Tiefgang den Kanal passieren können. Bislang beträgt der maximal zulässige Tiefgang 9,50 Meter. Für den östlichen Teil des Nord-Ostsee-Kanals drängt die maritime Wirtschaft zudem auf eine Verbreiterung der Fahrrinne, damit die Schiffe einander besser passieren können. Die gesamten Baumaßnahmen am Kanal würden den dafür zuständigen Bund rund eine Milliarde Euro kosten. Bislang wurden aber lediglich 350 Millionen Euro bewilligt, für den Bau einer dritten großen Schleusenkammer in Brunsbüttel. Nach ihrer Fertigstellung - wohl im Jahr 2016 - soll sie die beiden anderen Schleusen entlasten, die dann grundsaniert werden müssen.

Unifeeder ist eine der führenden Containerschiffsreedereien für den Kurz- und Mittelstreckenverkehr in Nordeuropa und in benachbarte Staaten. Das Unternehmen ist der größte Einzelkunde des Nord-Ostsee-Kanals. Bis zu 1900-mal passieren Unifeeder-Schiffe die Wasserstraße im Jahr. Die Reederei verbucht ständig steigende Wartezeiten vor den Schleusen, weil diese überlastet sind. Im November summierten sich allein die Wartezeiten von Unifeeder-Schiffen an den Brunsbütteler Schleusen auf 275 Stunden. "Uns entstehen derzeit Mehrkosten im hohen einstelligen Millionenbereich im Jahr, die wir demnächst an unsere Kunden weitergeben müssen", sagte Deutschland-Chef Niebergall. "Die Schiffe müssen schneller fahren, um Verspätungen wieder auszugleichen. Auch in den Häfen wird es für uns teurer, wenn die Schiffe nicht fahrplangerecht abgefertigt werden können."

Die Schifffahrtsbranche fürchtet nicht nur die steigenden Wartezeiten, sondern auch das Risiko, dass besonders die überalterten Hauptschleusen komplett ausfallen. Dann müssten die Schiffe in die Ostsee oder von dort den Umweg über die Nordspitze von Dänemark bei Skagen nehmen. "Die Verlässlichkeit des Nord-Ostsee-Kanals geht seit 20 Jahren immer weiter herunter", sagte Jann Petersen von der Schiffsagentur UCA in Kiel. Neben dem ebenfalls Kieler Unternehmen Sartori & Berger vermittelt und organisiert UCA die Schiffspassagen durch den Kanal. "Der Kanal bringt im Moment bei Weitem nicht 100 Prozent seiner Leistung. Die Bundesregierung muss dem Thema endlich mehr Aufmerksamkeit und die nötigen Mittel widmen."