Außerhalb des eigentlichen Hamburger Haushalts lauern die größten Risiken: HSH Nordbank, Hapag-Lloyd und andere Beteiligungen der Stadt.

Hamburg. Es war am 15. August, als Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) der Bürgerschaft nachdrücklich eine unangenehme Wahrheit ins Gedächtnis rief. "Die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein haften nach wie vor in Milliardenhöhe für die HSH Nordbank", sagte er bei der Einbringung seines Haushalts 2013/2014 ins Parlament und fügte hinzu: "Ich sage das ausdrücklich an dieser Stelle, weil es zum guten Regieren nicht gehört, Dinge schönzureden, sondern Probleme und Risiken klar zu benennen."

Hatte sich an jenem Sommertag noch mancher über diese Worte gewundert, war der Schleier wenige Wochen später gelüftet: Die HSH rutscht 2012 wieder in die Verlustzone, der Vorstandschef wurde ausgewechselt, und die Milliarden-Garantie ihrer Haupteigentümer Hamburg und Schleswig-Holstein wird wohl von 2019 an in Anspruch genommen. Der Vorgang verdeutlicht eines überdeutlich: Die Bürgerschaft hat am späten Donnerstagabend zwar den Doppelhaushalt 2013/2014 beschlossen - aber die wirklich großen Probleme und Risiken der Stadt lauern nicht in diesem Haushalt, sondern außerhalb. Und nicht alle sind so offensichtlich wie die HSH Nordbank.

Um die Dimensionen zu verdeutlichen: Der Kernhaushalt der Stadt sieht Ausgaben von 11,8 Milliarden für 2013 vor und 11,9 Milliarden für 2014 - insgesamt also 23,7 Milliarden Euro für zwei Jahre. Der übergeordnete "Konzern" Hamburg, dessen Bilanz für 2011 Tschentscher kürzlich vorgelegt hatte, hat eine Bilanzsumme von 65 Milliarden Euro. Hamburg ist an 331 Unternehmen beteiligt, die der Stadt nicht nur Freude bereiten. So hat die städtische Holding HGV, die die meisten dieser Beteiligungen hält, das Jahr 2011 mit einem Verlust von 65 Millionen Euro abgeschlossen - dieses Minus muss aus dem Haushalt ausgeglichen werden. Der "Konzern" schreibt insgesamt rote Zahlen und ist überschuldet: Die Verbindlichkeiten überstiegen den Wert der Stadt samt ihrer Unternehmen Ende 2011 um 713 Millionen Euro. Tschentscher drückte es so aus: "Wäre Hamburg ein Konzern, wäre er pleite."

Dass die HGV als Kern dieses Konzerns wohl auch 2012 mit roten Zahlen abschließen wird, liegt unter anderem an einer der umstrittensten Beteiligungen: Hapag-Lloyd. Für 420 Millionen Euro hatte die Stadt über das Konsortium Albert Ballin im Frühjahr Aktien nachgekauft und ist damit mit rund 37 Prozent zum größten Anteilseigner an der Reederei aufgestiegen. Die einkalkulierte Dividende von 35 Millionen Euro wird wegen der Schifffahrtskrise aber ausbleiben. Ob sie 2013 fließen wird, ist mehr als fraglich. Auf den Finanzierungskosten bleibt die HGV hingegen sitzen - allein für den Kredit über 420 Millionen Euro müssen jährlich etwa 15 Millionen Euro Zinsen gezahlt werden. Und über allem steht die Frage: Bekommt die Stadt das investierte Geld - insgesamt steckt die Stadt mit mehr als einer Milliarde Euro bei Hapag-Lloyd mit drin - jemals wieder? Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) ist sich sicher: "I want my money back" (Ich will mein Geld zurück), hatte er in Anlehnung an die Eiserne Lady Margaret Thatcher gesagt.

Vor allem FDP und Grüne sind da sehr skeptisch. Das gilt auch für den Rückkauf von 25 Prozent der Strom- und Gasnetze von Vattenfall durch die Stadt für mehr als 540 Millionen Euro. "Der intensiv beschrittene Weg in die Staatswirtschaft ist ein nutzloses, mal eben eine Milliarde Euro teures Risiko", sagte FDP-Fraktionschefin Katja Suding in der Haushaltsdebatte der Bürgerschaft. "Und das für eine Reederei, die die eingerechnete Dividende nicht erzielt, und Netze und Kabel, die null energiepolitischen Einfluss bringen."

"Die verfehlte Beteiligungspolitik der SPD ist zu einer schweren Belastung für Hamburg geworden", meint auch Jens Kerstan, Fraktionschef der Grünen. "Olaf Scholz hat die Beteiligung an Hapag-Lloyd ohne Notwendigkeit aufgestockt, obwohl die Schifffahrtskrise längst absehbar war. Er hat sich zum Genossen der Stromkonzerne gemacht und mehr als eine halbe Milliarde Euro für eine nutzlose Minderheitsbeteiligung an den Netzen ausgegeben."

Senat und SPD weisen das natürlich zurück. Hapag-Lloyd und die Netze seien strategische Beteiligungen, die nicht wegen möglicher Dividenden erworben worden seien. Grundsätzlich gelte: "Wir haben bei der Haushaltsaufstellung auch die Risiken im Blick, die auf uns zukommen könnten", sagte SPD-Finanzexperte Jan Quast im Parlament. Ohnehin gilt: Hapag-Lloyd und Netze sind "Peanuts" gegen das größte Risiko für die Stadt: die HSH Nordbank.

Das hat zwei Gründe: Erstens stellen Hamburg und Schleswig-Holstein der Bank, die ihnen zu 85 Prozent gehört, seit der Finanzkrise 2009 eine Garantie über derzeit noch sieben Milliarden Euro. Jüngsten Prognosen der HSH zufolge wird sie im Zeitraum 2019 bis 2025 bis zu 1,3 Milliarden Euro davon brauchen. Das bedeutet zwar nicht, dass beide Länder sofort jeweils 650 Millionen Euro überweisen müssen, denn die HSH zahlt für diese Garantie derzeit 280 Millionen Euro pro Jahr Gebühr, die in den HSH Finanzfonds fließt. Er gehört den beiden Ländern, hält den Großteil ihrer Anteile und stellt auch die Garantie. Ob die Länder jemals physisch Geld für die HSH nachschießen müssen, ergibt sich aus mehreren Faktoren: Wie stark wird die Bank die Garantie tatsächlich in Anspruch nehmen? Wie viel Gebühr hat sie bis dahin gezahlt? Und was sind die Anteile, für die die Länder 2009 drei Milliarden Euro bezahlt hatten, dann noch wert?

Das zweite Risiko aus der HSH ist die "Gewährträgerhaftung": Bis 2005 hafteten die Länder automatisch für die Bank - und von dieser Haftung sind noch 32 Milliarden Euro übrig. Auch weil diese Summe bis 2015 auf drei Milliarden Euro sinkt, liegt den Ländern daran, die HSH am Leben zu halten.

Die HSH hat wiederum Auswirkungen auf die Holding HGV und auf den Hamburgischen Versorgungsfonds HFV. Aus ihm werden Pensionen für ehemalige LBK-Beschäftigte (städtische Krankenhäuser) bezahlt. Sowohl HGV als auch HVF halten HSH-Aktien und haben dafür Dividenden einkalkuliert, die aber seit Jahren nicht mehr fließen. Allein dem HVF fehlen bis 2030 rund 700 Millionen Euro. Ein Sinnbild für ein ausgelagertes Risiko. Denn gestopft werden muss das Loch, natürlich, aus dem Hamburger Haushalt.