Der Vorsitzende des Bürgervereins des Stadtteils gibt seinen Posten auf. Er hatte als Anwalt Anwohner gegen die Kirche vertreten.

St. Georg. Helmut Voigtland ist eng verbunden mit St. Georg. Seit 1978 betreibt der Jurist eine Anwaltskanzlei an der Langen Reihe. Seit 1995 kümmert er sich als Erster Vorsitzender des Bürgervereins engagiert um die Belange des Stadtteils. Jetzt haben ihn seine zwei Ämter in einen Konflikt gebracht - als Konsequenz tritt er von seinen Vorsitz im Bürgerverein zurück.

Wie berichtet, hatte Voigtland beim Landgericht Klage gegen die Domgemeinde St. Marien eingereicht. Seine Mandantin: eine Wohnungseigentümergemeinschaft, die sich durch den Lärm einer von der Kirche betriebenen Kita gestört fühlt. Ein brisanter Vorgang in einem Stadtteil wie St. Georg, der stolz ist auf seine Toleranz und Weltoffenheit. Entsprechend groß war die Empörung bei den Einwohnern, in Kirche und Politik. Auch der Bürgerverein distanzierte sich in einer Stellungnahme auf seiner Homepage von dem Vorgehen. Voigtland habe, so wurde betont, als Anwalt gehandelt, nicht als Vorsitzender des Bürgervereins.

"Ich habe einen Fehler gemacht", gab Helmut Voigtland am Sonnabendvormittag in seinem Rücktrittsgesuch zu. In der Öffentlichkeit sei seine berufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt mit seiner ehrenamtlichen Arbeit als Vorsitzender des Bürgervereins vermengt worden. "Ich hätte erkennen können und müssen, dass es mit den Zielen eines gemeinnützigen Bürgervereins nicht vereinbar scheint, gleichzeitig Interessenvertreter für Einzelinteressen zu sein. Als Anwalt ist es aber meine Pflicht, ausschließlich für meine Mandanten zu streiten." Er sei nun nicht nur als Bürgervereins-Vorsitzender zurückgetreten, sondern werde auch die Wohnungseigentümergemeinschaft bitten, ihn aus dem Mandatsverhältnis zu entlassen. Denn eines steht für den engagierten Juristen trotz allem fest: "Ich werde weiter für St. Georg streiten."

Im Bürgerverein nimmt man das Rücktrittsersuchen Voigtlands mit großem Bedauern zur Kenntnis. "Wir verlieren mit Helmut Voigtland einen sehr aktiven, agilen und kreativen Vorsitzenden", sagt Martin Streb, der als Zweiter Vorsitzender des Bürgervereins jetzt an die Spitze rücken wird. Wobei er betont: "Jemand, der so viele Jahre so positiv gearbeitet hat, ist nicht zu ersetzen." Voigtland habe erkannt, dass er sich "in etwas verrannt" habe, so Streb. Damit sei die Angelegenheit aus Sicht des Bürgervereins erledigt. Es sei ehrenwert, dass Voigtland mit seinem Rücktritt Schaden von dem Verein abhalten wolle. Trotzdem hoffe er, ihn am Montag auf der Vorstandssitzung bewegen zu können weiterzumachen.

Auch in der katholischen Gemeinde wird der Entschluss des Rechtsanwalts begrüßt. "Diese Entscheidung verdient Respekt", sagt Weihbischof Hans-Jochen Jaschke. Von Groll wegen der Klage, die der Jurist gegen die Domgemeinde auf den Weg gebracht hat, ist bei Kirchenmann Jaschke nichts zu spüren. Im Gegenteil. "Helmut Voigtland ist ein ehrenwerter und verantwortlicher Mann, der sich mit Umsicht und klugem Blick für St. Georg einsetzt." Er habe mit Klugheit und Energie schon viel für den Stadtteil erreicht - da er dort aber auch als Anwalt tätig sei, könnte es schon mal zu Interessenskollisionen kommen. Er wünsche sich, so Jaschke, dass Voigtland dem Bürgerverein erhalten bleibe. Er habe sich, auch in der Auseinandersetzung zwischen der Eigentümergemeinschaft und der Kirche, stets fair verhalten und versucht zu vermitteln. In der Frage, wie es in der Angelegenheit weitergeht, will Jaschke sich nicht festlegen. Er wünsche sich aber, so der Weihbischof, dass das Gespräch zwischen den Parteien nicht abreiße. "St. Georg ist tolerant, gerade im Hinblick auf Kinder", sagt er. "Alle Beteiligten sollten versuchen, eine friedliche Einigung zu finden." Auf beiden Seiten wäre Augenmaß gefragt.

Im Stadtteil selber zollt man Voigtlands Entscheidung ebenfalls Anerkennung. "Er war als Vorsitzender des Bürgervereins immer mein engster Verbündeter", sagt Wolfgang Schüler, Quartiersmanager in St. Georg und Sprecher der IG Steindamm. Sein Rücktritt sei "anerkennenswert und anständig". Allerdings sei ihm unbegreiflich, dass Voigtland im Streit zwischen Nachbarn und Kirche das Mandat überhaupt angenommen habe. "Gerade erst hatten sich viele Menschen für den Erhalt der Buchhandlung Wohlers eingesetzt", so der Quartiersmanager, "da kann man doch nicht gegen Kinderlärm klagen."

An der Rettung der Traditionsbuchhandlung, für die ein neuer Standort an der Langen Reihe gefunden wurde, war der Bürgerverein ebenso beteiligt wie an zahlreichen anderen Aktionen in St. Georg. Die rund 200 Mitglieder des Vereins, der mit vollem Namen Bürgerverein zu St. Georg von 1880 RV heißt, haben sich in der Vergangenheit unter anderem für den Kampf gegen die Drogenszene und Prostitution eingesetzt, für die Integration von Ausländern, die Belange von Jugendlichen und die Entwicklung der Langen Reihe. Sein eigenes Engagement wollte Jurist Voigtland, damals schon 16 Jahre Vorsitzender des Vereins, 2001 auf den ganzen Bezirk ausweiten. Er hatte sich als Nachfolger für Bezirksamtschef Rolf Miller beworben. Gewählt wurde dann allerdings Gymnasiallehrer Markus Schreiber.