Konsortium will Überseequartier nach Ausstieg eines Mitglieds allein fertigstellen. Doch SPD und HafenCity GmbH fordern neue Partner.

HafenCity. Jetzt liegen offenbar die Nerven blank: Nachdem einer der drei großen Investoren des Überseequartiers zum Dezember seinen Ausstieg aus dem Projekt verkündet hat, haben die städtische HafenCity GmbH und das Restkonsortium ganz unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie der brachliegende Südteil des "Herzstücks der HafenCity" doch noch zügig bebaut werden könnte.

So hatte die HafenCity GmbH vor wenigen Tagen öffentlich angekündet, dass jetzt nach einem neuen, dritten Investor gesucht werden müsse, der das ausscheidende Unternehmen ING Real Estate ersetzt. Dem widersprechen nun die beiden verbliebenen Investoren aus dem Konsortium: Man suche "entgegen anderer Medienberichte" derzeit keinen neuen Partner, hieß es in einer Erklärung des deutschen Projektentwicklers Groß & Partner und der niederländischen Bank SNS Property Finance, die beide in der Überseequartier-Beteiligungsgesellschaft kooperieren. Geschäftsführer Nikolaus Bieber: "Der Ausstieg von ING macht uns ein ganzes Stück flexibler." Man werde "in naher Zukunft wieder volle Fahrt aufnehmen", so Bieber. Beispielsweise soll schon Anfang 2013 im Nordteil der Bau des 14-stöckigen Luxuswohnturms Cinnamon beginnen. Ein Gebäude, das wie andere auch eigentlich längst stehen sollte.

Doch die HafenCity GmbH bleibt bei ihrem Standpunkt: Auf absehbare Zeit sei es "unabdingbar, die einzelhandelsbezogene Kompetenz des Konsortiums mit einem Partner zu stärken", formuliert HafenCity-Geschäftsführer Jürgen Bruns-Berentelg diplomatisch.

Zwischen den Zeilen dürfte der Satz aber nichts anderes bedeuten, als dass man dem Konsortium offensichtlich nicht zutraut, die noch fehlenden 50 000 Quadratmeter Einzelhandelsfläche - das entspricht der Größe zweier Ikea-Filialen - allein dort entwickeln zu können.

Verschärft wird der Streit wohl auch durch einen Vorstoß der Hamburger SPD-Bürgerschaftsfraktion: Die Regierungspartei fordert, dass im unfertigen Südteil mehr Wohnungen als Büros gebaut werden sollen. Zudem müsse der Senat prüfen, ob man das Areal nicht mit anderen Investoren schneller voranbringen könne. Bisher seien alle genannten Termine zur Fertigstellung nicht eingehalten worden, und die Fahrgäste der neuen U 4 landeten in einer "Bauwüste", kritisiert der stadtentwicklungspolitische Sprecher der Fraktion, Dirk Kienscherf.

Tatsächlich sollte das gut eine Milliarde Euro teuere Überseequartier mit seinen 16 Gebäudekomplexen bereits in diesem Jahr fertig sein. So jedenfalls hatte es der Zeitplan von 2005 noch vorgesehen; dann jedoch geriet das Projekt ins Stocken. Schuld sei die "Finanzkrise", hieß es. Heute ist erst gut ein Drittel im Norden des Quartiers fertig. Und auch da gibt es noch Lücken: Eine davon ist für den neuen Wohnturm, mit dessen Bau nun begonnen werden soll.

Auch das alte Amt für Strom- und Hafenbau - das einzige historische Gebäude in der HafenCity - soll nun zügig renoviert werden. Insgesamt soll dann auch im Südteil eine rasche Weiterentwicklung gewährleistet sein, sagt Überseequartier-Geschäftsführer Bieber.

So gute Nachrichten gab es selten in den vergangenen Monaten aus dem Überseequartier, mit dessen Bau bereits 2005 begonnen wurde: Leerstände bei offensichtlich teuren Wohnungen, Probleme in der erst zum Teil bestehenden Geschäftsstraße Überseeboulevard - das waren eher die Schlagzeilen. Doch diesem Bild will das Überseequartier-Konsortium nun entgegentreten - und meldet erste Vermietungserfolge: So sei jetzt in das Haus Java auf 6500 Quadratmetern das Beratungsunternehmen Esche Schümann Commichau gezogen, das Gebäude sei damit größtenteils vermietet. Neueinzüge habe es auch in anderen Häusern des bereits seit 2010 fertigen Nordteils gegeben.

Insgesamt erstreckt sich das Überseequartier auf rund 750 Meter Länge, von der Speicherstadt bis zur Elbe. Im fertigen Nordteil befinden sich ein Supermarkt und weitere Läden im Erdgeschoss, darüber Wohnungen und auch Büros. Im Südteil soll es einen Einkaufsbereich über zwei Etagen geben, in den vor allem große internationale Geschäfte einziehen sollen. Noch wird dazu an architektonischen Details gefeilt - etwa, um den Wetter- und Regenschutz zu optimieren. Ein geschlossenes, klimatisiertes Shoppingcenter soll dort aber keinesfalls gebaut werden. Darüber zumindest besteht Einigkeit bei den Akteuren. Noch jedenfalls.