Abgeordnete verlangen nach Ausstieg eines Investors neues Konzept. “Schwerpunkt nicht mehr auf Büros.“ CDU warnt Stadt vor Rückkauf.

HafenCity. Für das zu großen Teilen brachliegende Überseequartier in der HafenCity fordert die SPD-Bürgerschaftsfraktion jetzt ein völlig neues Konzept. Die "Fehlentwicklung" dort müsse gestoppt werden, heißt es in einem Antrag an den Senat, der dem Abendblatt vorliegt. Der Schwerpunkt solle nicht mehr auf Büros liegen, sondern es müssten dort auch Wohnungen gebaut werden, heißt es in dem Papier.

Zudem müsse die Stadt prüfen, ob das Areal nicht mit anderen Bauherren und "kleinteiliger" besser zu entwickeln sei. Oder anders ausgedrückt: Der Senat soll jetzt die Zusammenarbeit mit dem bisherigen internationalen Überseekonsortium dort gegebenenfalls beenden. Weder mit der Stadt vereinbarte Baubeginne noch Fertigstellungen seien eingehalten worden. Zudem sei einer der drei Investoren auch noch abgesprungen. "Die Stadt muss daher ernsthaft über Alternativen nachdenken", sagt der stadtentwicklungspolitische Sprecher der SPD, Dirk Kienscherf.

Der Vorstoß der Hamburger Sozialdemokraten stößt bei der Immobilienwirtschaft in Norddeutschland auf Zustimmung. Der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) bot gestern bereits seine Unterstützung bei einer Umplanung an. Statt nicht benötigter Büros könnte dort dringend benötigter Wohnraum erstellt werden. Diesen Vorschlag habe der Verband bereits 2010 unterbreitet. "Wir freuen uns, dass unser Vorschlag von damals jetzt - wenn auch etwas verspätet - Zuspruch findet!", sagt der Vorsitzende des BFW-Landesverbands Andreas Ibel.

An der ebenfalls geplanten Einzelhandelsnutzung im Stil einer zentralen, aber offenen Einkaufsstraße im südlichen und noch nicht gebauten Teil des Überseequartiers wollen die Sozialdemokraten aber weiter festhalten. "Wir wollen dort nicht ein geschlossenes Shoppingcenter", so Kienscherf. Doch um genau so ein Shoppingcenter ist es in den vergangenen Wochen offensichtlich in vielen Gesprächsrunden gegangen, um den Bau der geplanten acht Gebäude voranzubringen - als letzter Versuch, um mit einem finanzstarken Entwickler doch noch einen Baustart hinzubekommen. Unter anderem hatte auch das auf Einkaufszentren spezialisierte Hamburger Unternehmen ECE Gespräche geführt. Derzeit denkt die städtische HafenCity GmbH darüber nach, die bereits fertigen Architekturentwürfe noch einmal "anzufassen", wie es hieß. So könnte ein besserer Wetterschutz erreicht werden - ohne einen geschlossenen, klimatisierten Komplex zu erhalten. Seitdem einer der drei Partner des Überseekonsortiums ausgestiegen ist, suchen die verbliebenen Investoren und die städtische HafenCity GmbH nach neuen Partnern - was den Baustart nach Einschätzung von Branchenkennern nun um weitere zwei Jahre verzögern könnte.

Eigentlich hätte der brachliegende Südteil dieses Herzstücks der HafenCity, wie das acht Hektar große Areal zwischen Speicherstadt und Elbe oft genannt wird, bereits in diesem Jahr fertiggestellt werden sollen. 2005 hatte der CDU-geführte Senat das Grundstück trotz Kritik an ein einziges Konsortium vergeben. 2010 zeichneten sich erste Finanzierungsschwierigkeiten ab. Der damalige schwarz-grüne Senat beschloss - erneut gegen die Kritik der heute regierenden SPD - daher einen Nachtrag zum Kaufvertrag mit dem Konsortium, um den seinerzeit schon stockenden Bau wieder in Schwung zu bringen. Der alte Kaufvertrag für das städtische Grundstück wurde zugunsten des Konsortiums so geändert, dass beispielsweise eine konkrete Verpflichtung zum Bau der Gebäude im brachliegenden Südteil zu festen Terminen wegfiel. Jetzt ist die Verpflichtung mit einer weitgehenden Vermietungsrate verknüpft - was in Wahrheit keine Bauverpflichtung mehr ist. Die Stadt verlängerte zudem eine Art Mietgarantie über 50 000 Quadratmeter Bürofläche, um das Projekt Banken wieder schmackhaft zu machen, die sich plötzlich wegen der Finanzkrise zierten. Ohne ein solches Entgegenkommen Hamburgs sähe es mit der Zukunft des Quartiers düster aus, warnte seinerzeit der Geschäftsführer HafenCity GmbH, Jürgen Bruns-Berentelg, die Politiker. "Dann werden dort 2012 die Fahrgäste der neuen U 4 aussteigen und in einer Sandwüste landen", sagte er.

Nun ist es aber trotz dieses Vertrags genau so gekommen. Noch immer steht dort keines der Gebäude - während die U 4 seit zwei Tagen eröffnet ist. "Die Leute steigen dort in einer Bauwüste aus", sagt Kienscherf. Nach dem Vertrag von 2010 könnte die Stadt das Gelände nun aber wieder zurückkaufen, falls bis zum Oktober dieses Jahres keine Bautätigkeit stattgefunden hat. Auf genau diese Klausel bezieht sich jetzt auch der Prüfantrag der SPD.

Der Stadtentwicklungsexperte der CDU, Hans-Detlef Roock, warnt vor einem Rückkauf: "Dann wird sich die Realisierung noch weiter verzögern, die Stadt kann ja nicht allein bauen." Den aufgeweichten Vertrag von 2010 hält er dennoch nicht für einen Fehler, schon damals habe man keine andere Möglichkeit gesehen, das Überseequartier voranzubringen "Wir mussten das tun, wir wären aus dieser Nummer nicht anders herausgekommen", sagt Roock.

Auch HafenCity-Geschäftsführer Bruns-Berentelg hält das Verhandlungsergebnis von 2010 nicht für einen Fehler. Das Entgegenkommen der Stadt sei vielmehr "Ausdruck einer vorausschauenden Stadtplanung gewesen, wie mit zukünftigen Risiken umgegangen werden kann" - eine Art Versicherung, um eine langfristige Verlässlichkeit in großen Projekten zu zeigen, wie sich der Stadtplaner ausdrückt.

Mit anderen Worten: Man hätte internationale Investoren abgeschreckt, wenn Hamburg schon bei ersten Schwierigkeiten die Notbremse gezogen hätte. Heute allerdings, "nachdem ein Partner nicht mehr leistungsfähig ist", sei es richtig, die "Restrukturierung des Südteils zu betreiben" - also einen Kurswechsel vorzunehmen.