Als Enkel getarnt versucht der Ganove der alten Dame Gold für 65.000 Euro per Telefon abzuschwatzen. Doch die Seniorin dreht den Spieß um.

Alsterdorf. Die 85-Jährige hat viel über die Masche mit dem Enkeltrick gelesen. Über die Betrüger, die bei alten Leuten anrufen und sich als ihre Enkel oder nahe Verwandte ausgeben. Die tränenreich eine Notlage vorgaukeln, nur um das Geld oder den Schmuck der Senioren zu ergaunern. Auf der Suche nach Opfern durchforsten sie das Telefonbuch nach Namen, die etwas altmodisch klingen. Zum Beispiel Elfriede, Wilhelmine. Oder Erika.

So müssen die Betrüger auch auf sie gekommen sein, Erika B. Doch am Ende ist nicht sie das Opfer, das in die Falle der Täter tappt - es sind die Täter, die ihr auf den Leim gehen. Am Mittwoch hat sie einem Enkeltrickbetrüger das Handwerk gelegt. In Hamburg sind im vergangenen Jahr 251 Fälle angezeigt worden. Zwar erbeuteten die Täter nur in 16 Fällen Geld oder Schmuck, doch liegt der Schaden mit 300.000 Euro vergleichsweise hoch. "Diese Fälle haben mich so wütend gemacht", sagt Erika B. "Ich habe mir geschworen: Wenn mir solche Gangster mal unterkommen, bringe ich sie zur Strecke."

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Es ist Mittwoch, 13.15 Uhr. Erika B. hat einen Arzttermin, will gerade ihre Wohnung verlassen, als das Telefon klingelt. "Rate mal, wer dran ist", sagt der Mann in der Leitung. Die Stimme kommt ihr vertraut vor, aber sie passt nicht ganz zu dem Mann, den sie aus dem Seniorenchor kennt. "Ubbo?", fragt sie. "Richtig", sagt der Anrufer. Er klinge nur etwas dumpf, weil er erkältet sei. Sofort kommt "Ubbo" zur Sache. Er sei beim Notar und müsse 65.000 Euro hinterlegen. Ob sie ihm die mal leihen könne. Spätestens da hat die 85-Jährige Gewissheit: Sie hat einen Enkeltrickbetrüger am Apparat. "Ich wollte ihn unbedingt zu fassen kriegen", sagt sie.

Zum Schein geht sie auf seine Bitte ein und ruft nach dem Gespräch die Polizei an. Gleich danach meldet sich "Ubbo" erneut. "Ich habe nur Gold anzubieten, es liegt auf der Bank", sagt sie. Der Anrufer: "Dann besorg es schnell, ich hole es bei dir zu Hause ab." Danach spricht sie wieder mit den Beamten, die sie bitten, zur Sparkasse an der Alsterdorfer Straße zu gehen und auch "Ubbo" dorthin zu lotsen. Vor der Sparkasse begegnet sie einem Zivilfahnder, der gleich Position in der Bank bezieht, und erhält zur Tarnung eine große Tasche mit zwei massiven Metallplatten - damit alles echt aussieht. Dann meldet sich "Ubbo" per Handy: Er könne das Gold abholen - aber in ihrer Wohnung.

Obgleich Polizisten ihre Wohnung keine Sekunde aus den Augen lassen, schlägt ihr das Herz bis zum Hals. Vor allem, als sie gleichzeitig den Zivilfahnder auf dem Handy und "Ubbo" am Festnetztelefon hat. Als er die Stimme aus dem Handy hört, wird der Betrüger misstrauisch. "Ist da jemand?" Erika B.: "Nein, das ist nur der Fernseher." Aber "Ubbo" bleibt skeptisch: Er werde das Gold von einem Boten abholen lassen, sie solle ihm auf der Alsterdorfer Straße entgegenkommen. Erika B. willigt ein, steckt aber noch ein massives Feuerzeug in die Tasche, das aussieht wie ein kleiner Goldbarren. Sie hat gerade das Haus verlassen, als ihr ein Mann begegnet, schwarz gekleidet, schwarze Haare, Kinnbärtchen. Er sei Herr Petersen von der Bank, er wolle das Gold in Empfang nehmen. Als sie eine Quittung verlangt, wird er nervös und schnappt sich die Tasche: Er geht nur wenige Meter, dann kommen fünf Polizeiwagen aus der Deckung. Blitzschnell führen die Beamten den Mann ab. Noch in der Nacht ist Erika B. so aufgeregt, dass sie nur mit Beruhigungstabletten einschläft.

Sie würde es aber wieder genauso machen. "Natürlich hatte ich Angst. Aber ich will älteren Menschen Mut machen. Man kann diese Ganoven fangen, wenn man beherzt ist. Man muss sich wehren: Alte Leute sind kein Vieh, das zur Schlachtbank geführt wird."