Der Lokstedter Fiat-Importeur Karabag ist Deutschlands größter Hersteller. Bürgermeister Olaf Scholz kam zur Probefahrt im E-Kleinwagen.

Hamburg. "Das ist ein ganz anderes Autogefühl", sagt Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) nach einer kurzen Probefahrt im elektrisch angetriebenen Fiat 500E durch Lokstedt und Eimsbüttel: "Es ist beeindruckend, wie gut der Wagen beschleunigt." Im Anschluss an eine schnelle Einweisung durch den Hamburger Unternehmer Sirri Karabag, der die Autos auf Elektromotoren umrüstet, hatte sich Scholz ans Steuer des weißen Kleinwagens gesetzt und war - mit Karabag als Beifahrer - praktisch lautlos vom Hof des Fiat-Importeurs gerollt.

"Große Städte können in besonderer Weise Nutznießer der Elektromobilität sein, denn sie verringert die Belastungen durch Schadstoffe und Lärm", sagte der Bürgermeister anlässlich seines Informationsbesuchs bei der Firma Karabag. Das Unternehmen leiste wichtige Beiträge zur Weiterentwicklung der Elektromobilität und zu höherer Lebensqualität in der Stadt.

Mit bisher mehr als 800 verkauften Elektrofahrzeugen - neben dem Modell 500E sind dies verschiedene Fiat-Transportertypen - ist Karabag aktuell noch der größte Anbieter von rein elektrisch angetriebenen Autos in Deutschland; erst rund 5000 solcher Wagen sind in der Bundesrepublik zugelassen.

+++ Subventionen für E-Autos nötig +++

Vor allem für den gewerblichen Mittelstand könnten die Elektromobile schon heute attraktiv sein, sagte Scholz. Privatkunden halten sich angesichts eines Preises für den 500E von 36 000 Euro noch zurück. Allein die 70 Kilogramm schwere Batterie kostet rund 7000 Euro. Im Hinblick auf die Betriebskosten könne der Kleinwagen aber durchaus mit herkömmlich angetriebenen Autos konkurrieren, sagte Karabag. So koste der für 100 Kilometer Fahrstrecke benötigte Strom etwa 2,50 Euro. Bis zu 100 Kilometer weit kann der 500E mit einer Batterieladung fahren. Für den typischen Stadtbetrieb sei dies völlig ausreichend, so Karabag. Er verweist darauf, dass mit dieser Reichweite 90 Prozent aller täglichen Autofahrten problemlos machbar seien, denn im Schnitt würden dabei gerade einmal 11,5 Kilometer gefahren.

Allerdings tüftelt das Unternehmen bereits an einem sogenannten Range Extender - einem Gerät, das sich im Kofferraum verstauen lässt und das die Reichweite spürbar steigert. Ein erhöhtes Sicherheitsrisiko im Zusammenhang mit dem neuartigen Antrieb sieht Karabag nicht; Opel hatte im Dezember wegen eines Batteriebrands nach einem Crashtest die Produktion des Elektroautos Ampera vorerst gestoppt. "Unsere Elektromobile sind bisher fast 18 Millionen Kilometer gefahren, und es ist noch nie ein Auto in Brand geraten, auch wenn es schon Unfälle und gequetschte Batterien gab", erklärte der Unternehmer.

Wesentliche Bestandteile des von Karabag genutzten Antriebs werden in Hamburg entwickelt oder gebaut. Der Motor stammt von der Firma Linde Material Handling, einem Schwesterunternehmen des Hamburger Gabelstaplerbauers Still, der diese Aggregate auch in seinen Staplern einsetzt.

Um den Verkauf des 500E auch an Privatpersonen voranzubringen, hatte Karabag im März eine Kooperation mit Still vereinbart: Für die Wartung der Karabag-Autos steht nun exklusiv das deutsche Servicenetz des Gabelstaplerbauers mit bundesweit 800 Stationen, davon 120 in der Metropolregion Hamburg, zur Verfügung.

Karabag setzt für die Zukunft außerdem auf den Einsatz seiner Autos als Energiespeicher in Ökostromnetzen: In Norderstedt entsteht derzeit eine Modellsiedlung, die über hauseigene Fotovoltaik-Anlagen und ein Blockheizkraftwerk mit Energie versorgt wird. Überschüssiger Strom wird in der Batterie des Elektroautos zwischengespeichert und kann nachts wieder aus dem Auto abgerufen werden.

Von Branchenexperten werden die innovativen Konzepte von Pionieren wie Karabag durchaus geschätzt. "Anbieter abseits der großen Hersteller haben das Thema Elektromobilität in Deutschland erst salonfähig gemacht und spielen eine wichtige Rolle als Initiatoren", sagte Stefan Bratzel, Leiter des Centers of Automotive an der Fachhochschule für Wirtschaft in Bergisch Gladbach, dem Abendblatt. Skeptischer ist er, was die Erfolgsaussichten für die nächsten Jahre angeht. "Langfristig wird es sehr schwer, sich in so einer Marktnische zu halten", so Bratzel. "Das wird nur im Ausnahmefall gelingen, weil enorme Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen nötig sind."