Rund 120 Experten arbeiten im Forschungslabor des Nivea-Herstellers. Qualitativ gute Discounter-Produkte setzen die Hamburger unter Druck.

Hamburg. Die kleinen Hautabschnitte im Probenträger haben eine unterschiedliche Farbe: Die Nuancen reichen von blass über beige bis zu braun. Die dunkelste Färbung der Hautzellen erinnert an einen gebräunten Teint, ein Kaffeebraun wie nach ein paar Tagen Ferien am Strand. Für Franz Stäb ist die Reaktion der Hautzellen ein absoluter Glücksfall. Ein Durchbruch auf der Suche nach Wirkstoffen, die den Menschen in der westlichen Welt den ersehnten Urlaubsteint bringen, und das auch ohne viel Sonne.

"Wir waren selber überrascht, dass dieser Stoff diese Wirkung hat", sagt Stäb im Labor der Beiersdorf AG, wo er als Leiter der Hautforschung die zentralen Innovationen des Kosmetikkonzerns entwickelt. Die Entdeckung des Bräunungswirkstoffs für das Produkt Nivea Sun Protect & Bronze war für den Biologen, der auch schon bei der Verwendung des Coenzyms Q10 für Anti-Aging-Cremes die Rolle des Pioniers gespielt hatte, ein Überraschungscoup. Schließlich wird das Produkt aus Süßholz in Japan traditionell als Mittel für eine weißere Haut verwendet. Als sogenannte Whitening-Pflege, die viele Asiaten täglich auf das Gesicht auftragen. Für eine vornehme Blässe, wie sie im Osten als schick gilt.

"Aber bei unserer Verwendung regt der Wirkstoff die Melanozyten dazu an, Melanin zu bilden und damit die Hautschichten zu bräunen", sagt Stäb. Er hat diesen Prozess in den Labors mit ihren Testapparaten und Sensoren, die Bräune nachweisen können, tausendfach überprüft. Es ist im Grunde ein einfaches Prinzip: Melanin wird auf natürliche Art vom Körper produziert und ist für den Schutz und die Bräunung der Haut verantwortlich. Herkömmlicher Selbstbräuner wirkt dagegen nur in der obersten Hautschicht, der Hornschicht, und hat keine Sonnenschutz-Wirkung. Der Durchbruch in der Forschung für eine neue Sonnenmilch ist lebenswichtig für Beiersdorf. Schließlich steht der Konzern für mehr als 100 Jahre Erfahrung in der Hautpflege, ein Qualitätsversprechen, das mit hohen Erwartungen bei den Kunden verbunden ist.

Doch inzwischen drängen immer mehr günstige Handelsmarken bei Discountern oder Drogerien in die Regale und machen den Beiersdorf-Marken wie Nivea, atrix, Eucerin und Labello mit günstigeren Preisen das Leben schwer: Beiersdorf verzichtet nach eigenen Angaben schließlich ganz auf die Produktion von Handelsmarken. Zudem lässt die Markentreue der Konsumenten nach.

+++ Viel hilft viel +++

Nivea Sun ist bei Sonnenschutzmitteln zwar die Nummer eins in Deutschland, aber neben den No-Name-Marken hat auch Ambre Solaire Delial eine wichtige Stellung im Markt. Und die Konkurrenz schläft nicht: Lidl hat eine Sonnenmilch im Angebot, die nur 1,20 Euro pro 100 Milliliter kostet und dennoch beim aktuellen Test der Stiftung Warentest mit "gut" (Note 1,7) abgeschnitten hat. Auch dm und Aldi können in der Studie mit Niedrigpreis-Produkten punkten, die mit der Note "gut" bewertet sind. Zum Vergleich: Die Nivea Sun Protect & Bronze Lotion kostet fünf Euro für 100 Milliliter und wird mit der Note 2,1 bewertet. Die bräunende Wirkung war nicht Teil des Tests, daher verhilft die Zusatzfunktion, die in Studien nachgewiesen wurde, Beiersdorf in diesem Fall nicht zu einem besseren Ergebnis.

"Wir verschaffen uns mit den Innovationen aber dennoch einen Vorteil im Markt", sagt eine Beiersdorf-Sprecherin. Mit Patenten sind die Produkte vor illegalen Kopien geschützt. Auch das Deo Nivea Black & White, das vor Flecken in der Kleidung schützen soll, hat Beiersdorf als erstes Unternehmen in die Drogerien gebracht. Heute finden sich viele Nachahmungen in den Regalen, aber für einige Monate hält der Imagevorteil des Innovators stets an. Außerdem sind die Kunden bereit, für neue Leistungen einer Creme oder eines Deos auch mehr Geld zu bezahlen. Beiersdorf stellt sich mehr und mehr auf die Rolle des Marktpioniers ein: Die Ausgaben für Forschung liegen in diesem Jahr bei 162 Millionen Euro und sind damit im Vergleich zu 2011 um gut zehn Millionen Euro gestiegen.

"Die Erforschung neuer Produkte ist aufwendig, weil wir anfangs mit mehreren Hunderttausend Wirkstoffen arbeiten und sie so lange testen, bis wir die besten gefunden haben", sagt Ludger Kolbe, 50, der bei Beiersdorf die Sonnenmilchforschung leitet. Schließlich ist die Arbeit der Frauen und Männer in den weißen Kitteln, die hier immer wieder Tröpfchen von Substanzen auf Hautzellen aufbringen, nicht mit einem funktionierenden Wirkstoff getan: "Wir müssen auch testen, ob sich der Stoff zu Cremes verarbeiten lässt, ob er die richtige Farbe hat, einen angenehmen Duft besitzt und hautverträglich ist", sagt Kolbe. Ein Beispiel: "Der Wirkstoff Q 10 war leider gelb. Da mussten wir unsere Kollegen vom Marketing erst überzeugen", sagt Franz Stäb lachend: Schließlich ist Nivea-Creme seit 130 Jahren weiß und hat einen Duft nach Maiglöckchen. "An diesem Prinzip für die Q10-Pflege etwas zu ändern hat uns einige Überredungskünste gekostet", sagt Stäb.

120 Forscher arbeiten in den Hamburger Labors des einzigen Konzerns aus der Hansestadt, der im Deutschen Aktienindex (DAX) gelistet ist und 4000 Mitarbeiter in Hamburg beschäftigt. Die Biologen und Chemiker müssen nicht nur die Wünsche der Marketingexperten berücksichtigen, sondern denken heute schon an die Bedürfnisse der Kunden von morgen. Mit Blick auf die demografische Entwicklung konzentrieren sie sich auf die Altershautforschung und erkunden, wie Cremes die Durchblutung der Haut verbessern, wie Kollagen-Mangel und Pigmentflecken gemildert werden können. Außerdem wird ihre Arbeit vom aktuellen Stand der dermatologischen Forschung beeinflusst. "Gerade wurde eine körpereigene Substanz entdeckt, die Sonnenbrand auslöst", sagt Kolbe. Daraus könnten sich auch für Beiersdorf spannende Ansatzpunkte ergeben, um die Haut noch besser zu schützen. Auch wenn die neuen Protect-&-Bronze-Produkte erst seit wenigen Monaten auf dem Markt sind, schon bald könnten die Biologen aus den Labors in Eimsbüttel die Konkurrenz erneut überraschen.