Stefan Heidenreich nennt Nivea-Werbung mit Sängerin Rihanna ein “No-go“. Er setzt auf neues Logo, mehr Innovationen und Schwellenländer

Hamburg. Gut ein Jahr ist es her, dass der Kosmetikkonzern Beiersdorf auf der Elbe die ganz große Sause veranstaltete: Zum 100. Geburtstag seiner Hauptmarke Nivea schipperten rund 900 geladene Gäste auf einem TUI-Kreuzfahrtschiff über den Fluss, prosteten sich bei Cocktails und Satay-Spießchen am Pool zu - und die US-Sängerin Rihanna trällerte ein 20-minütiges Ständchen im prall gefüllten Konzertsaal. Bebende Bässe und laszive Hüftschwünge inklusive.

Solch einen Markenauftritt von Nivea wird es künftig wohl nicht mehr geben. Es sei kein großes Geheimnis, dass er von den Geburtstagsaktivitäten im vergangenen Jahr nicht besonders viel halte, sagte der neue Konzernchef Stefan Heidenreich gestern während der Vorstellung der Halbjahreszahlen des Hamburger Unternehmens. Rund 100 Millionen Euro hat die Sause samt Werbekampagne verschlungen, aber kaum Umsatzzuwächse gebracht.

Wie man eine skandalumwitterte Sängerin wie Rihanna mit dem Markenkern von Nivea in Verbindung bringen könne, verstehe er nun wirklich nicht, ätzte Heidenreich. "Rihanna war ein absolutes No-go." Nivea stehe schließlich eher für Vertrauen, Verlässlichkeit und Familiensinn denn für Sex-Appeal, schob eine Beiersdorf-Sprecherin nach. Viel besser passe da Bundestrainer Jogi Löw, der weiter für Nivea wirbt.

Deutlicher als auf diese Weise hätte sich Heidenreich wohl kaum von seinem Vorgänger Thomas B. Quaas und dem früheren Markenvorstand Markus Pinger abgrenzen können. Der seit dem Frühjahr amtierende Konzernchef nutzte eine Telefonkonferenz, um erstmals seine eigene Strategie namens "Blue Agenda" für die nächsten drei bis fünf Jahre vorzustellen. Der 50 Jahre alte, gebürtige Kieler machte dabei seinem Ruf, enorm entschlussfreudig und durchsetzungsfähig zu sein, schon mal alle Ehre. "Wir brauchen bei Beiersdorf mehr echte Innovationen, mehr Entscheidungsfreudigkeit und mehr Tempo", sagte Heidenreich. Was die Forschungs- und Entwicklungsabteilung an neuen Produkten für 2012 noch in der Pipeline habe, sei allenfalls "mittelmäßig". Vor allem in der Hautpflege, die sich unter anderem aus den Produktkategorien Body Lotion, Deodorant, Sonnenmilch und Gesichtspflege zusammensetzt, möchte der neue Chef die Konkurrenz angreifen.

+++ Beiersdorf-Chef rechnet mit seinem Vorgänger ab +++

Die Hauptmarke Nivea will Heidenreich klarer und mit größerer Konsequenz als in der Vergangenheit positionieren. "Die Beständigkeit in der Markenführung war nicht gegeben", so der Konzernchef. Statt Logos in verschiedenen Formen und Farben soll künftig auf jedem Nivea-Produkt dasselbe, blau-weiße Erkennungszeichen mit einer stilisierten Cremedose prangen - egal ob es sich um eine Körperlotion oder ein Deo handelt.

Bis zu einem gewissen Grad kann der neue Beiersdorf-Chef hier allerdings sehr wohl an die Arbeit seines Vorgängers Quaas anknüpfen. Dieser hatte das Produktportfolio im vergangenen Jahr entrümpelt und wenig profitable Randprodukte wie etwa die dekorative Kosmetik aus dem Sortiment gekegelt. Auch einen kräftigen Personalabbau mussten die Mitarbeiter in Hamburg verkraften, der mittlerweile aber abgeschlossen ist.

Ein kräftiges Wachstum kann Beiersdorf im Augenblick aber nur in den aufstrebenden Schwellenländern verbuchen. In Südamerika mit dem Boomland Brasilien kletterten die Umsätze im ersten Halbjahr um 14 Prozent. In Afrika, Asien und Australien und legten die Erlöse um fast zehn Prozent zu, in Osteuropa um 8,1 Prozent. Vor allem deshalb gelang dem Kosmetikkonzern insgesamt ein Erlöszuwachs um 5,5 Prozent auf 3,06 Milliarden Euro.

Im krisengeschüttelten Westeuropa, wo sich die Käufer angesichts der Schuldenkrise zurückhalten, mussten die Hamburger hingegen einen Erlösrückgang von vier Prozent verkraften. Im Heimatmarkt Deutschland sank der Umsatz um 2,2 Prozent. Verantwortlich dafür war auch die Insolvenz der Drogeriemarktkette Schlecker. Im Ausverkauf wurden Beiersdorf-Produkte wie Nivea, Labello und 8x4 verramscht, Käufer deckten sich zu Niedrigpreisen mit Vorräten ein.

Die Schwäche in Europa lässt Heidenreich für die Zukunft klar auf die wachstumsstarken Schwellenländer setzen. "Brasilien, Russland und China stehen bei uns in den kommenden Jahren im Fokus", sagte er. Hier hat der Konzernchef auch schon die Führungsspitzen der Regionalgesellschaften austauschen oder ergänzen lassen. Er reagierte damit wohl auch auf Bedenken von Analysten. Beiersdorf drohe von Konkurrenten wie Henkel, Procter & Gamble oder L'Oreal abgehängt zu werden, weil diese früher auf die aufstrebenden Märkte gesetzt hätten, hieß es zuletzt immer wieder.

Beim Gewinn zeigen sich mittlerweile erste Erfolge des noch von Thomas Quaas eingeleiteten Konzernumbaus, wie auch Nachfolger Heidenreich einräumen musste. So stieg das betriebliche Ergebnis (Ebit) ohne Sondereffekte deutlich um 11,6 Prozent auf 390 Millionen Euro. Unter dem Strich blieb wegen höherer Steuerlasten allerdings nur ein Gewinn von 248 Millionen Euro - zehn Millionen Euro weniger als im ersten Halbjahr 2011.

Mit den Zuwächsen in Übersee im Rücken gibt sich der Vorstand insgesamt zuversichtlich für das restliche Jahr. So konkretisierte Heidenreich die Prognose für die Rendite (Ebit-Marge). Statt einer bisher in Aussicht gestellten Spanne zwischen elf und zwölf Prozent legt sich das Management nun auf zwölf Prozent vom Umsatz fest. Im Vorjahr hatte die Marge noch bei 11,5 Prozent gelegen.

Die Börse begeisterten gestern aber vor allem Heidenreichs langfristige Strategie und seine klaren Worte. Dümpelte die Aktie nach der schriftlichen Bekanntgabe der Halbjahreszahlen noch einige Prozent im Minus, schnellte sie nach der Telefonkonferenz im Laufe des Tages um 7,6 Prozent in die Höhe. So sehen wohl Vorschusslorbeeren für einen Hoffnungsträger aus.