Briten vom Reisekonzern Thomas Cook bezahlen 30 Millionen Euro an Gründer Vural Öger. Die Firmenzentrale soll in Hamburg bleiben.

Hamburg. Er hat lange mit sich gerungen. Nachdem klar war, dass seine Tochter Nina nach Istanbul geht und somit sein Lebenswerk in Hamburg nicht weiterführen wird, hat er Verkaufsverhandlungen begonnen, abgebrochen und wieder aufgenommen. Jetzt hat der Hamburger Unternehmer Vural Öger offenbar den richtigen Partner gefunden. Der 68-Jährige verkauft seinen Türkei-Reiseveranstalter Öger Tours an Europas zweitgrößten Tourismuskonzern Thomas Cook.

Rund 30 Millionen Euro erhält Öger für seine Pauschalreisetochter. Zudem übernimmt Thomas Cook Verbindlichkeiten, wie etwa die Vorauszahlungen, die der Reiseveranstalter an Hotels frühzeitig überweisen musste, damit seine künftigen Gäste auch eine Unterkunft haben. Das Unternehmen hat auch zugesichert, dass die Zentrale von Öger Tours weiterhin in Hamburg bleiben wird.

Dennoch will Thomas Cook mit der Übernahme rund acht Millionen Euro im Jahr einsparen. Sie kommen unter anderem durch den gemeinsamen Einkauf von Flügen oder Hotelübernachtungen zustande. Hoffnungen setzt das Unternehmen auch auf seinen Ferienflieger Condor, denn die Gäste von Öger Tours sollen künftig verstärkt mit dessen Maschinen fliegen.

Vom Flieger für Gastarbeiter zur anerkannten Marke

"Ich freue mich, solch eine eingeführte und anerkannte Marke wie Öger Tours in die Thomas Cook Group einbringen zu können", sagte Thomas-Cook-Chef Manny Fontenla-Novoa. Damit werde die Stellung des Konzerns in Deutschland, einem der wichtigsten Märkte der Gruppe, weiter ausgebaut. Das gute Image seines Unternehmens musste sich Öger hart erkämpfen. Bei seiner Gründung und auch in den ersten Jahren danach galt seine Firma als Billigveranstalter. Denn gestartet hatte Öger mit Nonstop-Flügen für Gastarbeiter von Hamburg aus in die Türkei. 20 000 Mark hat der aus Ankara stammende Einser-Abiturient in die Anmietung eines Flugzeugs investiert und die Tickets für 395 Mark pro Stück verkauft. Das war am 20. Juli 1969.

Damals kam er durch einen Zufall in das Geschäft. Am Hamburger Rathausmarkt setzte der frischgebackene Diplom-Ingenieur sein Auto versehentlich in Brand. Papiere, Geld, alles war weg. Hilfe suchte sich der junge Mann, der 1960 als 31. Türke in Berlin einreiste, in einem türkischen Restaurant. Dort hing eine Werbung für Flüge von Düsseldorf in die Türkei. Öger übernahm die Idee für Hamburg. Das Geschäft brummte. Der Sohn eines türkischen Armeegenerals konnte den Charter bezahlen und sein Unternehmen Stück für Stück ausbauen. Das gelang wohl auch deshalb, weil die Konkurrenz ihn zu Beginn unterschätzte und gewähren ließ. Heute, 40 Jahre später, erlöst Öger Tours 256 Millionen Euro und ist mit 200 Mitarbeitern in Deutschland und 2900 in der Türkei die deutsche Nummer eins bei Türkeireisen. Im vergangenen Geschäftsjahr (bis 31. Oktober 2009) lief allerdings wegen Sondereffekten ein Verlust in Höhe von 7,3 Millionen Euro vor Steuern auf. Thomas Cook erwirtschaftet mit 31 000 Mitarbeitern rund elf Milliarden Euro Umsatz.

Öger verkauft nur sein Deutschlandgeschäft. Die Hotelbeteiligungen, einige Servicefirmen in der Türkei und die Öger Türk Tours, die billige Flüge zwischen Deutschland und der Türkei organisiert, bleiben im Besitz der Familie und werden von Vural Öger und seiner Tochter Nina geleitet. Zudem bekommt der Firmengründer einen Sitz im Aufsichtsrat von Thomas Cook.

Dass Öger trotz seiner inzwischen 68 Jahre auf einen Schlag mit dem Arbeiten aufhört, wäre für den Türken, der seit 1990 auch die deutsche Staatsbürgerschaft hat, undenkbar. Der Mann, der mit einer Deutschen verheiratet ist, ist agil und hat immer weit über seinen Unternehmer-Tellerrand hinausgeschaut. Schon früh engagierte sich der Verfechter eines EU-Beitritts der Türkei politisch. Er gründete eine deutsch-türkische Stiftung, die sich für die Integration der Türken in Deutschland einsetzte und war Mitglied der Süssmuth-Kommission zur Zuwanderung. 2002 trat er der SPD bei, nachdem er sich über die Ausländerpolitik von Edmund Stoiber geärgert hatte. Bis 2009 saß er zudem für die SPD fünf Jahre lang im Europäischen Parlament.

Der "preußische Türke" hat ein Buch über sein Leben geschrieben

In dem Buch "Mein Deutschland, meine Türkei" hat Öger seine beispiellose Erfolgsstory beschrieben. Aufgrund seiner Bilderbuchkarriere wird er auch gern als "preußischer Türke" oder auch als "türkischer Hanseat" tituliert. Er mag die Stadt und die Menschen an Alster und Elbe.

Doch es gab auch Rückschläge. So sind 2008 die Verkaufsgespräche mit dem russischen Milliardär Alexander Lebedew vermutlich wegen der Preisvorstellungen geplatzt. Jetzt hat Öger einen Käufer für sein Lebenswerk gefunden. Die Voraussetzungen, dass er künftig etwas kürzertreten kann, sind geschaffen. Ob der Unternehmer aus Leidenschaft sie nutzt, bleibt abzuwarten.