Im Doppel-Interview äußern sich Vural Öger und der Chef der Thomas Cook AG, Peter Fankhauser, über die Pläne mit dem Hamburger Reiseanbieter.

Hamburg. Am Freitag wurden die letzten vertraglichen Formalitäten geregelt. Thomas Cook (Neckermann, Bucher) kauft den Hamburger Reiseanbieter Öger Tours . Das Abendblatt traf sich kurz danach mit dem Chef der Thomas Cook AG, Peter Fankhauser, und Öger-Tours-Gründer Vural Öger. Wie geht es weiter mit der Firma, dem Standort Hamburg und Vural Öger persönlich?

Hamburger Abendblatt:

Herr Öger, wie schwer ist es Ihnen gefallen, sich von einem großen Teil Ihres Lebenswerks zu trennen?

Vural Öger:

Sicherlich ist mir das nicht leicht gefallen. Mein Herz hängt an Öger Tours. Es war eine rationale Entscheidung. Ich habe aber nun den perfekten Zeitpunkt gewählt und mit Thomas Cook den richtigen Käufer gefunden. Jetzt bin ich glücklich und freue mich über einen guten Abschluss.

Die Verhandlungen mit Thomas Cook waren zäh, wurden sogar abgebrochen. Warum?

Öger:

Der eine will halt mehr Geld haben, der andere weniger bezahlen. Das ist ein ganz normaler Vorgang bei einem solchen Geschäft.

Hätten Sie für Ihr Unternehmen nicht deutlich mehr als 30 Millionen Euro bekommen können? Der russische Investor Alexander Lebedev soll Ihnen 2008 rund 100 Millionen Euro geboten haben.

Öger:

Da werden Äpfel mit Birnen verglichen. Es handelte sich um völlig unterschiedliche Verträge. Herr Lebedev wollte viel mehr von meinem Geschäft kaufen als Thomas Cook. So behalte ich zum Beispiel jetzt den Nurflugveranstalter Öger Türk Tur und meine Hotels, meine Hotelbeteiligungsgesellschaft majesty und die Incomingagentur Holiday Plan.

Herr Fankhauser, haben Sie schon Urlaub in der Türkei gemacht?

Peter Fankhauser:

Vier bis sechs Mal, unter anderem in Antalya. Eine Woche lang habe ich auch eine Segeltour mit der Familie gemacht.

Was reizt Thomas Cook an Öger Tours? Immerhin hat das Unternehmen 2009 mehr als sieben Millionen Euro Verlust ausgewiesen.

Fankhauser:

Der Verlust war auf außerordentliche Abschreibungen zurückzuführen. Operativ stand auch 2009 ein Gewinn. Öger Tours ist ein äußerst erfolgreiches Unternehmen. Mit 14 Prozent Marktanteil ist es ein großer Türkei-Anbieter. Thomas Cook hat zwölf bis 13 Prozent Anteil, zusammen werden wir nun Marktführer sein.

Bei jeder Übernahme geht es darum, Kosten zu sparen. Was kommt auf die Beschäftigten bei Öger Tours zu?

Fankhauser:

Wir haben gerade erst die Verträge unterschrieben und bekommen damit auch jetzt erst die Gelegenheit, das Unternehmen von innen zu sehen. Deshalb kann ich zu dieser Frage noch nichts Konkretes sagen.

Sie werden doch schon heute Vorstellungen haben. Wird es einen Personalabbau geben?

Fankhauser:

Natürlich kann man das nicht ausschließen. Wir müssen schauen, wo Effizienzverbesserungen möglich sind. Doch Kostensenkungen müssen nicht unbedingt Personalbbau bedeuten. Kosten kann man auch durch den gemeinsamen Einkauf von Hotel- oder Transportkapazitäten senken.

Wird Hamburg langfristig der Standort der Marke Öger bleiben?

Fankhauser:

Auf jeden Fall.

Wäre es nicht sinnvoller, die Aktivitäten bei Thomas Cook nahe Frankfurt zu konzentrieren?

Fankhauser:

Nein, dann würde Öger Tours zu einer reinen Marke werden. In Hamburg soll weiter die Seele dieses Unternehmens sein.

Welches Potenzial sehen Sie für das Türkei-Geschäft?

Öger:

Schaut man auf das Preis-Leistungs-Verhältnis ist die Türkei in Südeuropa nicht zu schlagen. Zudem sind die Hotels in einem sehr guten Zustand. Sie sind im Schnitt drei bis vier Jahre jung. Zudem hat die Türkei noch einen sehr langen unbebauten Küstenabschnitt. Da gibt es noch viel Potenzial.

Die Türkei gilt als Billigurlaubsziel. Kann das Land auch für Luxusreisen interessant werden?

Öger:

In der Vergangenheit sind vor allem große Hotels für den Massentourismus in der Türkei gebaut worden. Das hing mit der Nachfrage zusammen. Vor allem Familien mit kleinem Geldbeutel haben die Türkei als Urlaubsziel entdeckt. Aber auch für die wohlhabende Kundschaft dürfte das Land in der Zukunft interessant werden. Dafür ist die Ägäisküste prädestiniert mit ihren schönen historischen Städten.

Wie werden sich die Preise für den Türkei-Urlaub entwickeln?

Öger:

Das Hotelangebot ist in den vergangenen Jahren deutlich stärker gewachsen als die Nachfrage. Deshalb gehe ich davon aus, dass Preiserhöhungen zumindest mittelfristig nur schwer durchzusetzen sein werden.

Die Türkei ist eine eher instabile Demokratie. Ist es nicht ein äußerst riskantes Unterfangen, auf dieses Reiseziel als Unternehmen zu setzen?

Fankhauser:

Nein, für uns ist die Türkei ein stabiles und sehr wichtiges Zielgebiet, und Risiken gibt es in jeder Urlaubsregion. Denken Sie an die Schweinegrippe auf Mallorca oder mögliche ETA-Attentate in Spanien.

Öger:

Die Türkei, davon bin ich überzeugt, läuft nicht in Richtung Islamismus. Sie entwickelt sich zu einem selbstständigen Land, das fest im Westen verankert ist. Wenn ich dort bin, sehe ich diesen Wandel jeden Tag. Statt Frauen mit Kopftüchern begegne ich emanzipierten Frauen, die teure Autos fahren und schicke Schuhe tragen. Allerdings ist es durchaus nicht unproblematisch, dass die EU die Integration der Türkei so lange hinauszögert.

Herr Öger, warum wechseln Sie nun in den Aufsichtsrat von Thomas Cook?

Öger:

Da müssen Sie Herrn Fankhauser fragen. (lacht)

Fankhauser:

Wir wollen Herrn Ögers Expertise behalten. Sein Wissen über den türkischen Reisemarkt ist für uns von großer Bedeutung.

Wenn Sie noch einmal am Anfang Ihrer beruflichen Karriere stünden. Würden Sie etwas anders machen?

Öger:

Auf keinen Fall. Ich würde wieder versuchen, die Türkei zu einem Massenziel der Deutschen aufzubauen. Vor 40 Jahren war dies natürlich schwierig, denn da kannte hier keiner die touristische Attraktivität des Landes. Ich habe damals Pionierarbeit geleistet und in über 280 deutschen Städten Informationsveranstaltungen über die Türkei organisiert. In der Türkei habe ich gleichzeitig die Politik überredet, staatliche Grundstücke an der Küste für den Bau von Hotels zu vergeben. Das war der Startschuss für den Türkei-Boom.

Sind Sie traurig, dass Ihre Tochter Nina das Geschäft nicht weiterführen möchte?

Öger:

Ich hätte mich schon gefreut, wenn Nina Ja gesagt hätte. Aber das ist ihre private Entscheidung und die habe ich zu akzeptieren.

Was macht Vural Öger nach Öger Tours?

Öger:

Das Geschäft wird nicht mehr der Mittelpunkt meines Lebens sein. Ich habe sehr viele Angebote. So denke ich zum Beispiel im Moment darüber nach, ob ich eine Talkshow für das türkische Fernsehen moderieren soll. Nur am Strand in der Türkei liegen, das ist auf jeden Fall nicht meine Welt. Da würde ich schon nach zwei Stunden unruhig.

Das Gespräch führten Daniela Stürmlinger, Oliver Schade und Georg J. Schulz.