Die Banken bitten ihre Kunden bei Überziehung des Kontos kräftig zur Kasse. Jetzt soll die Kostenspirale gestoppt werden.

Hamburg. Das Leben auf Pump ist teuer. Rund zwölf Prozent verlangen die Hamburger Filialbanken von ihren Kunden, wenn diese ihr Konto überziehen. Die höchsten Zinsen werden bei der staatlich gestützten Commerzbank mit 13,24 Prozent fällig. Dabei ermöglicht die Europäische Zentralbank ( EZB ) die Geldversorgung der Banken mit einem historisch niedrigen Zins von nur einem Prozent. Doch wer sein Konto über das erlaubte Limit überzieht, wird in Hamburg im Schnitt mit 16 Prozent Zinsen zur Kasse gebeten.

"Während es für Spareinlagen nur Magerzinsen gibt, wird bei der Überziehung des Kontos richtig abkassiert", sagt Arno Gottschalk von der Verbraucherzentrale Bremen, die die Entwicklung der Überziehungskredite über einen längeren Zeitraum analysiert hat. Nach Berechnungen der Verbraucherschützer haben die Bankkunden bei einem Kreditvolumen von über 40 Milliarden Euro allein im Zeitraum von Dezember 2008 bis April 2010 rund 780 Millionen Euro zu viel für ihre Kontoüberziehung bezahlt.


Grund ist der historisch große Abstand zwischen dem Zins für die Geldbeschaffung der Kreditinstitute und den aktuellen Dispozinsen. Seit Oktober 2008 ist der Drei-Monats-Euribor von im Schnitt 5,1 auf 0,7 Prozent gefallen. Das ist ein Geldmarktzins, zu dem sich die Banken untereinander Geld leihen und der sich neben dem EZB-Leitzins gut als Vergleichsmaßstab für die Entwicklung der Dispozinsen eignet. Im selben Zeitraum sind die Zinssätze für Überziehungskredite im Durchschnitt gerade einmal um 1,7 Prozentpunkte gesunken, geht aus der Studie der Verbraucherzentrale Bremen hervor. "Auf diese Weise ist es zu einem historischen Rekordabstand zwischen den Geldmarktzinsen und den Dispozinsen gekommen", sagt Gottschalk. Zwischen 2003 und 2006 lag der Abstand zwischen dem durchschnittlichen Überziehungszins und dem Drei-Monats-Euribor ziemlich konstant bei knapp acht Prozentpunkten, ermittelten die Verbraucherschützer. Inzwischen hat er sich auf mehr als zehn Prozentpunkte ausgeweitet. Gottschalk: "Das ist eine unverschämt hohe Marge für die Banken, die durch nichts gerechtfertigt ist."

Diese hohe Gewinnmarge wollen die Banken jetzt für die Zukunft festschreiben. In der Finanzkrise, die durch die großzügige Liquiditätspolitik der EZB zu historisch niedrigen Zinsen führte, sind die Zinsen für Kredite kaum gesunken. In einer Phase steigender Zinsen sollen sie aber schnell anziehen. Da kommt den Banken die neue Verbraucherkreditrichtlinie der EU gerade recht. Sie schreibt vor, dass für eingeräumte Überziehungskredite ein Referenzzinssatz festgelegt werden muss. Mit einem solchen Vergleichsmaßstab sollen Verbraucher nachvollziehen können, warum die Zinsen steigen oder sinken. "Das ist von der Sache her sehr gut, denn gerade ein solcher Maßstab hat bei vielen Banken bisher gefehlt, obwohl das der Bundesgerichtshof seit Jahren fordert", sagt Achim Tiffe, stellvertretender Direktor des Instituts für Finanzdienstleistungen.


Doch für die Verbraucher kommt die Regelung zu einem ungünstigen Zeitpunkt. "Das schon sehr hohe Zinsniveau wird so in den nächsten Jahren weiter steigen", sagt Max Herbst von der FMH-Finanzberatung. Die Deutsche Bank orientiert sich am EZB-Leitzins. Falls sich dieser Zinssatz um mehr als 0,20 Prozentpunkte verändert, wird die Bank den Dispozins entsprechend anpassen. Die Schwelle für Zinsveränderungen ist aus Sicht der Bank gut gewählt, denn üblicherweise erfolgen die Zinsschritte der EZB in 0,25- oder 0,50-Prozentpunktschritten. Steigt der Leitzins auf drei Prozent, könnte der Dispozins der Deutschen Bank bei 14,75 Prozent liegen, wenn die Bank ihre Anpassungsmöglichkeiten ausschöpft. Der Abstand zum Referenzzins beträgt dann wie auch jetzt schon 11,75 Prozentpunkte. Hoffnungen auf eine Zinssenkung sind gering, denn dann müsste der Leitzins auf unter ein Prozent sinken, was wenig wahrscheinlich ist.

Moderater werden die Zinsanpassungen bei der SEB-Bank ausfallen. Denn sie will ihre Dispozinsen nur um 0,10 Prozentpunkte anheben, wenn sich der Leitzins um mehr als 0,30 Prozentpunkte erhöht. Damit haben die Kunden der Bank gute Chancen, bei der ersten Zinserhöhung der EZB ungeschoren davonzukommen.

Die meisten Banken haben ihre Dispozinsen an den Drei-Monats-Euribor geknüpft. Wird sich dieser Zinssatz um mehr als 0,20 Prozentpunkte verändern, so erhöht oder senkt die Postbank den Dispozins um ebenso viele Prozentpunkte. Eine ähnlich transparente Regelung hat die Hamburger Sparkasse, nur dass die Schwelle bei 0,25 Prozentpunkten liegt. Die Sparda-Bank Hamburg reagiert ebenfalls ab einer Veränderung des Euribors ab mindestens 0,25 Prozentpunkten. Es bleibt allerdings offen, wie sich das auf den Dispozins auswirkt. Die Bank lässt sich dabei "nach billigem Ermessen und unter Berücksichtigung der Kosten ihrer Refinanzierungsmittel" viel Spielraum, den der Kunde nicht deuten kann. Damit die Banken die Zinsen nicht täglich ändern müssen, bilden sie über einen bestimmten Zeitraum einen Durchschnittssatz vom Referenzzins und entscheiden monats- oder quartalsweise über eine Anpassung.


Um die bevorstehende Zinsspirale nach oben zu stoppen, will die Verbraucherzentrale Bremen zusammen mit dem Bundesverband der Verbraucherzentralen eine Deckelung der Dispo- und Überziehungszinsen erreichen. "Drei-Monats-Euribor oder EZB-Leitzins plus fünf Prozentpunkte für den Dispo und plus acht Prozentpunkte für geduldete Überziehungen bieten den Banken eine ausreichend hohe Marge", sagt Gottschalk. "Das sollten die Obergrenzen für Kontoüberziehungen sein." Eine Überziehung des Kontos dürfte so nicht mehr als sechs Prozent kosten. Wer sein Limit sprengt, zahlt höchstens neun Prozent.

Auch das Bundeskartellamt soll von den Verbraucherschützern eingeschaltet werden. "Die Konditionen der Filialbanken zeigen, dass es keinen Wettbewerb gibt, auch weil sich die Kunden für die Höhe der Zinsen nicht interessieren", sagt Tiffe. Die Wettbewerbshüter waren bereits bei den zu hohen Gebühren für Geldabhebungen an fremden Automaten gegen die Banken vorgegangen. Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) forderte gestern erneut, die Gebühren weiter zu senken.