In dem einen Jahr nach Winnenden hat es in Hamburg 50 Drohungen gegeben. Polizei: Die Stadt ist auf den Ernstfall vorbereitet.

Hamburg. Auf den Tag genau ein Jahr ist es her, dass ein 17-jähriger Amokläufer die Albertville-Realschule in der baden-württembergischen Kleinstadt Winnenden stürmte und 15 Menschen erschoss. Ein Jahr nach dieser Bluttat stellt sich nun auch die Frage: Wie gut sind eigentlich Hamburgs Schulen, an denen in den vergangenen zwölf Monaten nach Schätzungen von Experten insgesamt rund 50 Amokdrohungen eingegangen sind, auf einen derartigen Ernstfall vorbereitet?

Die Beratungsstelle Gewaltprävention (BSG) des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung hat einen "Krisenordner" angelegt, der in einem Kapitel auch Maßnahmen für den Fall eines Amoklaufs empfiehlt. "Es gibt eine klare Verabredung mit den Schulen, dass bei einer Bedrohung sofort die Polizei eingeschaltet wird", sagt BSG-Leiter Christian Böhm. Denn bei der Hamburger Polizei gibt es konkrete Einsatzpläne, bei denen vor allem eines zählt: Schnelligkeit. "Anders als beim Amoklauf von Erfurt 2002, als die Beamten draußen auf ein Sondereinsatzkommando warteten, gilt längst: Wer von den Einsatzkräften zuerst vor Ort ist, muss sofort in die betroffene Schule rein", sagt Polizeisprecher Ralf Meyer. Gleichzeitig würde das Mobile Einsatzkommando alarmiert, das sich umgehend in Richtung Einsatzort bewege.

Auch an den Schulen selbst tut sich viel: Erst vor wenigen Tagen hat Schulamtsleiter Norbert Rosenboom in einem Brief allen allgemeinbildenden Schulen empfohlen, bis Mitte April schulinterne "Krisenteams" aufzustellen, die sich jeweils aus mindestens vier Fachkräften zusammensetzen. Um diese Teams für den Ernstfall zu schulen und bestimmte Verhaltensweisen universell zu verankern, hat die Bildungsbehörde "verbindlich" für Juni zu den Veranstaltungen "Bedrohungsmanagement" und "Traumatisierung von Kindern und Jugendlichen" eingeladen.

Zudem werden nach Angaben von Christian Böhm in Hamburgs Schulen nach und nach die Pausenklingel-Anlagen modernisiert. "Es gibt dann also künftig ein Signal, das in einem Brandfall ertönt und zur Evakuierung aufruft und einen anderen Ton, der auf einen möglichen Amoklauf hinweist und bedeutet: Türen geschlossen halten." Hamburgs Schulen seien "gut aufgestellt", so Böhm: "Es wurde ein ganzes Paket mit Präventionsmaßnahmen erarbeitet." Das gilt auch für die benachbarten Bundesländer: In Schleswig-Holstein, wo es an den Schulen laut Bildungsministerium seit Winnenden rund 100 Amokdrohungen gegeben hat, werden Lehrer ebenfalls in entsprechenden Seminaren auf eine bedrohliche Situation vorbereitet.

An einem eintägigen Kursus hat Hans-Michael Kiefmann, Schulleiter der Kieler Humboldt-Schule (800 Schüler), teilgenommen: "Der Erfolg liegt in der Prävention." Probealarm würde es an seiner Schule nicht geben. "Das würde die Schüler nur unnötig verunsichern", so Kiefmann. In Niedersachsen, wo laut Landeskriminalamt im vergangenen Jahr insgesamt 118 Drohungen an Schulen registriert wurden, gibt es Alarmpläne. Auch schuleigene Krisenteams sind häufig bereits eingerichtet - zum Beispiel an der Realschule Meckelfeld. "Die vier Mitglieder des Teams geben Fortbildungsinhalte an die Kollegen weiter", sagt Schulleiter Norbert Vietheer.