Die Gewerkschaften behaupten: ja. Aus der Innenbehörde heißt es, man müsse “die Kirche im Dorf lassen“. Ein Blick auf die Gehälter.

Hamburg. Der Anstieg von Nebentätigkeiten bei Polizisten - jeder siebte hat einen Nebenjob - hat eine Diskussion um die Bezüge der Hamburger Ordnungshüter ausgelöst: Karl-Heinz Warnholz, CDU-Innenexperte und Initiator einer entsprechenden Senatsanfrage, sieht diese Entwicklung einer "Diskrepanz zwischen Besoldung und gestiegenen Lebenshaltungskosten" geschuldet und verweist auf die in anderen Städten übliche Ortszuschläge. Viele Beamte könnten allein von ihrem Gehalt als Polizist nicht den Lebensunterhalt ihrer Familien bestreiten, resümiert der Bürgerschaftsabgeordnete und fordert: Die Innenbehörde müsse die aktuellen Zahlen prüfen. Zuspruch erhält er vor allem von den Gewerkschaften.

Doch wie viel verdient ein Polizist eigentlich? Immerhin zahlt er keine Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Zudem darf sich ein Beamter - zusätzlich zum sicheren Arbeitsplatz - über Zulagen freuen, die einem Angestellten nicht zustehen. So erhält ein Polizeibeamter neben dem Grundgehalt feste Boni wie die Polizeizulage oder die allgemeine Stellenzulage. Hinzu kommen je nach Dienst und Familienstand variable Zulagen: etwa für den Dienst in regelmäßigen (Schichtzulagen) und in unregelmäßigen Schichten (Wechselschichtzulage), für den "Dienst zu ungünstigen Zeiten", manchmal auch eine Zivilbekleidungspauschale. Mehr Geld gibt es für Verheiratete und für Beamte mit Nachwuchs (Familienzuschläge).

Für eine kinderlose, ledige 23 Jahre alte Polizeimeisterin, die sich nach dem Abitur für den mittleren Dienst bei der Schutzpolizei entschieden hat, sind so laut Berechnungen der Polizeipressestelle knapp 2000 Euro netto im Monat drin. Ein Einkommen, über das sich viele Jobeinsteiger sicher freuen würden. Dennoch: Übten 2010 noch 750 Beamte eine nach dem Beamtengesetz bei ihrem Dienstherrn anzuzeigende Nebentätigkeit aus, sind es in diesem Jahr bereits mehr als 1200. Die Polizei relativiert diese Zahlen: Darunter seien nicht nur gewerbliche Jobs. In die Senatsantwort seien auch Ehrenämter und Tätigkeiten mit geringem Entgelt, Trainertätigkeiten etwa, eingeflossen, sagt Sprecherin Sandra Levgrün. Diese Beschäftigungen dienten sicher nicht dazu, die Familienkasse aufzubessern, müssten aber angezeigt werden, ebenso wie die zeitintensive Pflege von Angehörigen.

Die Innenexpertin der Grünen, Antje Möller, verweist auf die Feuerwehr, wo ebenfalls viele Beamte einer Nebentätigkeit nachgingen. "Dieses Phänomen betrifft bestimmte Gehaltsschichten und ist ein typisches Merkmal in der Beamtenlaufbahn." Ein Problem und die Notwendigkeit nachzusteuern sieht sie nicht, "solange es keine Kenntnis darüber gibt, dass der Nebenjob die Ausübung des Dienstes beeinträchtigt".

+++Jeder siebte Polizist hat ganz offiziell einen Nebenjob+++

+++Bürgerschaft beschließt neues Polizeirecht+++

Der Landeschef des Deutschen Beamtenbundes (dbb), Rudolf Klüver, glaubt zudem, dass der Schichtdienst den Möglichkeiten zum Nebenerwerb Grenzen aufzeige. Mit Blick auf das Bezahlungsgefüge anderer Beamtengruppen, etwa im Strafvollzug, würden Polizisten noch ganz gut dastehen. Während Letztere mit dem jüngst gestoppten Laufbahnverlaufsmodell noch relativ gute Aufstiegschancen hatten, insbesondere vom mittleren in den gehobenen Dienst, seien Beförderungen im Strafvollzug die Ausnahme: allein für den Aufstieg von A7 auf A8 könnten schon mal 20 Dienstjahre ins Land gehen. Polizisten hätten da eine ganz andere Lobby.

Die Innenbehörde will sich nicht offiziell äußern, kritische Töne hört man hinter vorgehaltener Hand. Dass Polizisten einer hohen Arbeitsbelastung ausgesetzt seien, sei unbestritten. Dennoch müsse man die "Kirche im Dorf lassen", heißt es aus der Behörde, auch mit Blick auf die Haushaltslage. Andere Beamtengruppen müssten sich ebenfalls auf die Lebenshaltungskosten einer Großstadt einstellen. "Diese Probleme hat man, wenn man in einer Stadt lebt."

Immerhin: Um dem aktuellen Bewerbermangel entgegenzutreten, hat sie bereits reagiert: Die Alimentierung von Studenten der Polizeihochschule wird zum Wintersemester wieder eingeführt. Auszubildende sollen schneller an bezahlbaren Wohnraum kommen. Nicht zuletzt wird die Wiedereinführung der freien Heilfürsorge diskutiert.

Die Gewerkschaften hingegen sehen durchaus Handlungsbedarf, kritisieren die Einkommensberechnung. Grund: Die Modellbeamten hätten im richtigen Leben durchaus weitere Abzüge: So müsste die 23 Jahre alte Beamtin ihre private Krankenversicherung selbst tragen, das seien knapp 250 Euro im Monat, betont die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Würden die variablen Zulagen gestrichen, weil das Dienstprofil der Beamtin sie nicht rechtfertige, könne ihr Einkommen schnell 400 Euro geringer sein, sagt GdP-Landesvize Gerhard Kirsch, also nur noch 1600 Euro betragen. Angesichts der Kürzung des Weihnachtsgeldes und der Abschaffung der freien Heilfürsorge könnten sich viele Kollegen nur mit Nebenbeschäftigungen über Wasser halten.

"Wenn man bedenkt, dass Polizisten in sekundenschnelle Entscheidungen treffen müssen, in Grundrechte eingreifen und rund um die Uhr für den Bürger da sein sollen, ist ein Einstiegsgehalt von netto 1600 bis 1700 Euro nicht hoch", sagt Thomas Jungfer von der Polizeigewerkschaft DPolG: "Gerade in einer Metropole wie Hamburg müsste draufgesattelt werden." Verglichen mit Tarifabschlüssen in der Wirtschaft ergebe sich ein klares Minus. Zumal Steigerungen von 1,3 bis 1,9 Prozent nicht mal die Inflation ausglichen. "Es ist richtig, dass Polizisten nicht das Risiko tragen, gekündigt zu werden", sagt Jungfer, aber ein sicherer Job sei nicht alles. "Das Nachwuchsproblem kommt nicht von ungefähr."

Auch André Schulz, Bundeschef der Kripo-Gewerkschaft BDK, hält die Löhne für zu niedrig. "Ein junger Kommissar hat Abitur, Studium, Berufserfahrung. Mit 30 will er eine Familie gründen, ist aber noch im Einstiegsamt. Er kommt auf kaum mehr als 2000 Euro."