Wer eine private Pflegeversicherung abschließt, erhält Zuschuss vom Staat. Aber der Mindestbeitrag reicht für Absicherung nicht aus.

Hamburg. Das Thema will keiner gern an sich heranlassen: Pflegebedürftigkeit im Alter. Doch mit zunehmenden Lebensjahren wird das Risiko immer größer, plötzlich auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Bei den 75- bis 80-Jährigen beträgt die Pflegequote 9,9 Prozent und bei den 80- bis 85-Jährigen schon 19,9 Prozent. Bis 2030 erwartet das Statistische Bundesamt in einer Hochrechnung 3,4 Millionen Pflegebedürftige - 45 Prozent mehr als 2009.

Für dieses Risiko sollen die Bürger von 2013 an finanziell stärker vorsorgen, denn die Leistungen der staatlichen Pflegeversicherung decken die Kosten längst nicht ab. So sieht das jetzt vom Bundestag verabschiedete Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz eine staatliche Förderung privater Vorsorge vor. Das Prinzip erinnert an die Riester-Rente: Der Staat hilft mit Zuschüssen. "Es gibt 60 Euro im Jahr als Förderung, wenn die Pflegetagegeldversicherung bestimmte Bedingungen erfüllt", sagt ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums. "Das Geld wird über die Rentenversicherung ausgezahlt, unabhängig davon, ob man dort versichert ist oder nicht.

+++ Das Pflegerisiko nicht verdrängen +++

Zu den Bedingungen für die Förderung zählen, dass monatlich mindestens zehn Euro eingezahlt werden und in Pflegestufe III mindestens 600 Euro im Monat als Leistung bezogen werden können. Das entspricht einem Pflegetagegeld von 20 Euro.

Die Policen funktionieren so, dass der Kunde den Betrag vorgibt, den er in der höchsten Pflegestufe haben möchte. Daraus ergibt sich dann der Monatsbeitrag, der sich nach Eintrittsalter, Geschlecht und Gesundheitszustand richtet. In den niedrigeren Pflegestufen gibt es meist nur eine geringere Leistung. Für Pflegestufe I sind 20 bis 30 Prozent üblich und für Pflegestufe II 50 bis 60 Prozent des vereinbarten Tagegeldes.

Für das Abendblatt hat die Rating-Agentur für Versicherungsprodukte Morgen & Morgen berechnet, welche Leistungen bei einem Monatsbeitrag ab zehn Euro für eine 45-jährige Frau und einen gleichaltrigen Mann zu erwarten sind. In Pflegestufe III gibt es dann wie gefordert 600 Euro im Monat (30 Tagessätze à 20 Euro). Das Geld kann frei verwendet werden. Die Leistungen in der ambulanten Pflege fallen in den niedrigeren Pflegestufen meist etwas geringer aus. "Schon das zeigt, wie komplex das Produkt ist und auf was der Verbraucher bei diesem Thema alles achten muss", sagt Hajo Köster vom Bund der Versicherten.

+++ Pflege im Alter - so teuer ist die private Vorsorge per Versicherung +++

Doch die Modellrechnung geht so nicht auf. "Denn die geförderten Tarife werden wesentlich teurer werden als die, die jetzt schon am Markt sind", sagt Köster. Grund sind eine Reihe weiterer Bedingungen, die der Gesetzgeber vorgibt. Jeder muss von den Versicherungen angenommen werden. Gesundheitsprüfungen, Risikozuschläge und Leistungsausschlüsse wie bisher darf es nicht geben. "Das wird die Policen um mehr als die fünf Euro verteuern, die es vom Staat als Zuschuss gibt", sagt Köster. Er rechnet damit, dass vor allem Personen mit hohem Pflegerisiko die geförderten Tarife nutzen werden, weil sie die anderen nicht mehr abschließen können. "Das wird ein versicherungsmathematischer Super-GAU", sagt Köster. Die Versicherer halten sich mit konkreten Berechnungen noch zurück. "So weit sind wir noch nicht", sagt ein Sprecher der DKV.

Wer sich nur an den Mindestfördervoraussetzungen orientiert, hat im Pflegefall zu wenig Geld zur Verfügung. Schon in Pflegestufe I kostet ein Heimplatz rund 2300 Euro im Monat. Trotz privater Vorsorge und den Leistungen aus der staatlichen Pflegeversicherung müssten dann noch 1100 Euro selbst aufgewendet werden. Nach Berechnungen der Barmer GEK leben Männer als Pflegebedürftige noch durchschnittlich 37 Monate, Frauen 51 Monate. Schnell kommen so zusätzliche Kosten von bis zu 63 000 Euro im Durchschnitt zusammen, die selbst aufgebracht werden müssen. Nur wenn die eigenen Ersparnisse aufgebraucht sind und die Kinder nicht zu Unterhaltsleistungen herangezogen werden können, springt das Sozialamt für die Mehrkosten ein. "Es besteht damit die Gefahr, dass nach der Riester-Rente bereits zum zweiten Mal ein Produkt mit staatlicher Unterstützung verkauft wird, das für viele nicht bedarfsgerecht ist", sagt Eckhard Benner von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Verbraucherschützer sind nicht gegen eine zusätzliche Pflegeversicherung, sofern existenzielle Risiken wie Berufsunfähigkeit (BU) bereits abgesichert sind. "Man muss aber immer den individuellen Fall betrachten", sagt Benner. "Ein 55-Jähriger, der keine BU hat, kann dennoch über eine Pflegeversicherung nachdenken."

"Wir halten eine solche Police für sinnvoll. Etwa ab dem 40. Lebensjahr kann man sich damit beschäftigen", rät Köster. "Allerdings sollte keiner auf die geförderten Tarife setzen. Wir rechnen damit, dass sie ein Flop werden." Auch die Versicherer gehen davon aus, dass künftig geförderte und ungeförderte Tarife nebeneinander bestehen werden. Die bereits zwei Millionen abgeschlossenen Policen haben wenig Chancen, vom kommenden Jahr an gefördert zu werden.

+++ Wie sich für Pflegefälle finanziell vorsorgen lässt +++

Vor allem für Männer kann sich ein Abschluss noch in diesem Jahr auszahlen, während Frauen lieber noch abwarten sollten. Denn ab 2013 wird es nur noch Unisextarife geben. Im Unterschied zu jetzt zahlen dann Frauen und Männer die gleichen Beiträge. "In der Regel werden dann die Beiträge für Männer teurer und die für Frauen günstiger", sagt Melanie Czerniak von der HanseMerkur Krankenversicherung.

Die Auswahl der richtigen Police ist ähnlich kompliziert wie bei einer BU. Denn es kommt auf die Bedingungen an. "Gezahlt werden sollte bereits in Pflegestufe I und zwar unabhängig davon, ob man ambulant oder stationär betreut wird", sagt Köster. Denn mehr als zwei Drittel der Pflegedürftigen sind noch zu Hause.

Mit einem Monatsbeitrag von zehn Euro kommt man jedenfalls nicht weit, wie ein Vergleich der am besten bewerteten Angebote zeigt. Für Männer sehr preisgünstig leistungsstark im stationären Bereich (100 Prozent in allen drei Pflegestufen) ist der Tarif PZT Best der Allianz. Die Rating-Agentur Morgen & Morgen hat 100 Tagegeldtarife von 34 Anbietern nach fast 40 Kriterien untersucht. Nur vier Gesellschaften erreichten die Höchstnoten von fünf und vier Sternen. Nur bei dieser Bewertung ist sichergestellt, dass auch bei Umzug ins Ausland - zumindest innerhalb Europas - gezahlt wird und im Leistungsfall eine Beitragsbefreiung erfolgt. Auch bei Demenz gibt es Leistungen, wenn noch keine Pflegebedürftigkeit vorliegt. Ein Top-Versicherer muss diese drei Kriterien gut erfüllen, fordert Morgen & Morgen. Insgesamt zeigen die Pflegegeldtarife aber nur gepflegtes Mittelmaß, stellt das Analysehaus aus Hofheim fest. "Die PKV hat sich in ihrem Bedingungen stark an dem Niveau für die gesetzliche Pflegeversicherung orientiert", sagt Stephan Schinnenburg, Geschäftsführer von Morgen & Morgen.