Turbulente Hauptversammlung der Baumarktkette in Hamburg. Vorstand und Anteilseignerin einigen sich nach stundenlanger Debatte.

Hamburg. Wie sich die Bilder gleichen: Zunächst steht Kay Hafner lächelnd im Foyer des noblen Curio-Hauses an der Rothenbaumchaussee. "Wir haben ein gutes Konzept", sagt der Vorstandschef der Praktiker AG. "Deshalb werden wir heute erfolgreich sein." Wenig später positioniert sich seine Gegenspielerin im Foyer. In ein schillerndes, grünes Seidenkleid gehüllt, tuschelt die Vertreterin der Großaktionäre, Isabella de Krassny, mit anderen Anteilseignern und schart ihre Truppen um sich. Der Kampf um die Macht und die Zukunftsstrategie bei der angeschlagenen Baumarktkette geht in die entscheidende Runde, hier auf der Hauptversammlung in Hamburg.

Am Abend und nach einer dramatischen Debatte mündet sie in einen Kompromiss: Die beiden Großaktionäre der kriselnden Baumarktkette signalisieren nun doch grünes Licht für ein Sanierungskonzept. Deren Fondsmanagerin Isabella Krassny kündigt an, dem Konzept zuzustimmen. "Ich habe mich zu dem Kompromiss entschlossen, damit der Fortbestand des Unternehmens auf keinen Fall gefährdet ist", sagt de Krassny. Zuvor hatte der Vorstand von einer drohenden Insolvenz gesprochen. Eine dringend benötigte Kapitalspritze des US-Investors Anchorage über 85 Millionen Euro muss nun noch ausverhandelt werden. De Krassny lehnt diesen Kredit ab, weil er einen hohen Zinssatz hat und Anchorage die Baumarktkette Max Bahr als Pfand erhalten soll.

In der spannungsgeladenen Hauptversammlung wurde eine wesentliche Forderung der Großaktionäre erfüllt: Zwei Aufsichtsräte treten zurück. Und für den Vorstand sollen weitere Mitglieder gesucht werden, für die Sparten Einkauf sowie Vertrieb.

Managerin de Krassny, die den zypriotischen Finanzfonds Maseltov (zehn Prozent Anteil) sowie die österreichische Privatbank Semper Constantia mit rund fünf Prozent Anteil vertritt, hatte das Sanierungspaket zunächst als inakzeptabel abgelehnt. Praktiker schrieb 2011 im Konzern rund eine halbe Milliarde Euro Verlust.

+++ Machtkampf bei Praktiker – Kapitalspritze oder Insolvenz? +++

+++ Kommentar: Praktiker braucht vor Allem Ruhe +++

In den Aufsichtsrat sollen zwei Mitglieder einziehen, die die Fondsmanagerin vorgeschlagen hat: Armin Burger aus dem Aufsichtsrat der Vivatis AG in Linz (Österreich) sowie der Aufsichtsratschef der Privatbank Semper, Erhard Grosnigg. Aus dem Aufsichtsrat scheidet Vorstand Kay Hafner aus, der zur vorübergehenden Führung an die Praktiker-Spitze delegiert worden war. Auch Aufseher Ebbe Pelle Jacobsen geht.

De Krassny setzt nun auf "ihre" beiden Aufsichtsräte bei der Ausverhandlung des Anchorage-Darlehens. Die Kontrolleure sollen sicherstellen, dass Max Bahr - der Unternehmenswert beträgt nach Angaben des Vorstands 112 Millionen Euro - nicht verloren geht. "Ich bin immer noch gegen Anchorage", sagt Isabella de Krassny nach der Einigung. Aber ohne ihre Zustimmung hätte Anchorage den Vertrag sofort platzen lassen. "Ich bin gezwungen worden zuzustimmen."

Auch ihren Gegenentwurf will die Managerin weiter verfolgen und zu den bereits bereitstehenden 55 Millionen Euro weitere 30 Millionen Euro einsammeln. Nach ihrem Willen soll auch Vorstandschef Hafner ersetzt werden - durch den früheren Obi-Baumarktchef Andreas Sandmann. "Er ist vom Fach", sagt de Krassny.

Vor der Generaldebatte hatten die Vorstände offen von der Gefahr einer Insolvenz gesprochen, sollte ihr Rettungskonzept nicht die Zustimmung der Aktionäre erhalten. Finanzvorstand Markus Schürholz erklärt, bei einer Ablehnung durch die Aktionäre müsse Praktiker die Verhandlungen über Kreditlinien abbrechen. "Praktiker wäre in diesem Fall unmittelbar von der Insolvenz bedroht. Der Wert der Aktie würde wohl gegen null sinken."

Die Anteilseigner reagieren aufgebracht, werfen dem Management Erpressung vor und stellten Rücktrittsforderungen. Der Schlagabtausch bei der Hauptversammlung zieht sich bis in den Abend hin.

Die Heimwerkermärkte brauchen nach Angaben des Vorstands insgesamt mehr als 200 Millionen Euro Finanzmittel. Interimschef Kay Hafner sagt: "Es geht um die Zukunft, oder noch konkreter: Es geht ums Überleben."

Wegen des Drucks und der Drohkulisse sprechen Aktionäre von Erpressung, allen voran Isabella de Krassny. "Wir lassen uns nicht erpressen", ruft sie. "Es ist grob fahrlässig, dass wir seit einem Jahr keinen Vorstand haben, der etwas vom Geschäft versteht." Auch weitere Anteilseigner fordern den Rücktritt des Aufsichtsrats - und auch des Vorstands, unter anderem wegen Missmanagements, Planlosigkeit, ungenügender Informationen, mangelnder Transparenz.

Den kompletten Rückzug beider Führungsriegen verlangt auch die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger. "Sie können es nicht", poltert SdK-Vorstandsmitglied Markus Neumann. Für die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) sagt Dirk Unrau: "Sie haben das Unternehmen an den Rand des Ruins gebracht und gewiss nicht die Aktionäre."

In die geplante Finanzierung der Sanierung hat der Vorstand auch 70 Millionen Euro eingerechnet, die aus Veräußerungen sowie einer Kreditlinie über 40 Millionen Euro kommen sollen. Spätestens 2014 will Hafner mit der Zwei-Marken-Strategie wieder schwarze Zahlen schreiben.

Der Vorstandschef plant, 120 der 234 Praktiker-Märkte auf die angesehenere Schwestermarke Max Bahr umzuflaggen. Max Bahr (aktuell 78 Filialen) solle zur "Hauptvertriebslinie in Deutschland" weiterentwickelt werden, erklärt Hafner. Auch die Marke Praktiker solle - mit der Strategie "Weg vom Preisaktionismus" hin zum "dauerhaft niedrigen Regalpreis" - zukunftsfähig werden. Praktiker ist unter anderem wegen einer verfehlten Rabattstrategie mit Slogans wie "20 Prozent auf alles - außer Tiernahrung" ins Straucheln geraten. Im vergangenen Jahr machte das Unternehmen einen Verlust von mehr als 500 Millionen Euro. Der Konzern ist hoch verschuldet und ringt ums Überleben.

Aktuell gibt es bei der Baumarktkette rund 7700 Arbeitsplätze, bei Max Bahr sind es knapp 2900. Rund 8300 Jobs kommen im Ausland hinzu, wo 111 Filialen ebenfalls auf den Prüfstand stehen. Derzeit verlegt das Unternehmen seinen Firmensitz von Kirkel im Saarland nach Hamburg. Der Umzug soll im September abgeschlossen sein.