Bremer Unternehmer Lürßen rettet die Norderwerft. Niederländer übernehmen Schiffbau in Neuenfelde. Noch zwei Interessenten für Kranfabrik.

Hamburg. Hamburgs älteste Werft hat doch eine Zukunft. Die Unternehmen der wirtschaftlich angeschlagenen Sietas-Gruppe werden weitergeführt - allerdings nicht gemeinsam. Der Insolvenzverwalter der 1635 gegründeten Sietas-Werft, Berthold Brinkmann, hat sowohl für die Kernwerft als auch für die Neuenfelder Maschinenfabrik (NMF) sowie für die Norderwerft Käufer gefunden. Zwar sind noch nicht alle Verhandlungen abgeschlossen. "Das aber", versicherte Brinkmann, "wird in den nächsten vier Wochen geschehen." Klar ist: Mit der Übernahme der Norderwerft fasst die Bremer Lürssen-Gruppe nach dem gescheiterten Versuch der Übernahme von Blohm + Voss nun doch in Hamburg Fuß.

+++ Lürßens zweiter Versuch +++

+++ Neue Eigentümer für die Hamburger Sietas-Betriebe +++

Brinkmann zeigte sich nach den einstimmigen Entscheidungen im Gläubigerausschuss zufrieden. "Die Unternehmen können mit drei industriellen Partnern weiterarbeiten. Sie haben zusammen für die einzelnen Firmen mehr geboten als der Interessent, der die ganze Gruppe übernehmen wollte", sagte Brinkmann. Als Insolvenzverwalter müsse er aber immer zunächst nach dem gebotenen Preis entscheiden. Mit der Übernahme der Norderwerft mit ihren 94 Beschäftigten wird Lürssen künftig in Hamburg vertreten sein. Die Bremer wollen dazu 40 weitere Mitarbeiter übernehmen, falls sie auf der Kernwerft nicht mehr gebraucht würden. "Das ist nicht nur ein Entgegenkommen, es entspricht auch dem Bedarf von Lürssen", sagte Brinkmann. "Ein Standort in Hamburg ist für uns attraktiv. Wir werden hier Handels- und Hafenschiffe reparieren", sagte Lürssen-Chef Friedrich Lürßen dem Abendblatt. Arbeiten an Yachten seien nur in Sonderfällen vorstellbar. Klar ist für Lürßen: "Wir werden jetzt den Investitionsstau auf der Werft abbauen."

Bei der zweiten Sietas-Tochter, dem Kranbau in Neuenfelde, gibt es derzeit noch ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen einem europäischen und einem asiatischen Bewerber. Der Insolvenzverwalter ist aber auch hier sicher, dass es zu einem Vertragsabschluss kommt. Die 134 Mitarbeiter haben derzeit Aufträge, die bis Mitte 2013 reichen.

Die schwierigsten Verhandlungen gab es um die Zukunft der eigentlichen Sietas-Werft. Dennoch hat Brinkmann mit der niederländischen VeKa Gruppe einen Übernehmer gefunden. Die Firma mit Sitz in Werkendam ist aus einem Binnenschifffahrtsunternehmen hervorgegangen und hat inzwischen zwei Werften übernommen. Mindestens 300 der derzeit 400 Jobs bei Sietas wollen die Niederländer, die zwischen 300 und 500 Millionen Euro Umsatz im Jahr erzielen, erhalten.

+++ Sietas-Unternehmensteile werden einzeln verkauft +++

Nach der Hereinnahme des ersten Auftrags für ein Errichterschiff für Offshore-Windkraftanlagen stehen auch die Chancen für einen Nachfolgeauftrag für die Werft nicht schlecht. "Sobald die Verträge mit dem neuen Eigner unterschrieben sind, würden wir gerne ein zweites Schiff bestellen", sagte Peter Bunschoten, der technische Direktor der Van-Oord-Gruppe. Der Bedarf an diesen Spezialschiffen werde noch steigen. "Deshalb müssen wir die Technologie in Westeuropa halten" sagte er.

Der Insolvenzverwalter erhält aus dem Verkauf der Norderwerft und der Maschinenfabrik jeweils einen zweistelligen Millionenbetrag. Dies ist bei der Sietas-Werft nicht der Fall. Vielmehr haben hier die Gläubiger zugestimmt, sich an den Kosten für die Modernisierung der Werft zu beteiligen. Arbeiteten im November, als der Konkursantrag für die Werft gestellt wurde, noch 1000 Beschäftigte für die Gruppe, konnten nun 600 Jobs gerettet werden.

Sowohl der Betriebsratsvorsitzende Peter Bökler als auch Hamburgs IG-Metall-Chef Eckard Scholz beurteilen das Ergebnis der Verhandlungen positiv. "Die Gruppe bleibt zwar nicht zusammen. Wir haben aber industrielle Partner gefunden, die ihr Handwerk verstehen", sagte Bökler. "Wir sind verhalten optimistisch", so Scholz. Offen sei jedoch, ob alle Jobs auf der Sietas-Werft gesichert werden könnten. Bökler setzt hier darauf, dass VeKa kurzfristig Arbeit nach Hamburg verlagert.

Auch Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) ist zuversichtlich: "Die Wahl von strategischen Investoren ist positiv für die Mitarbeiter der Sietas-Gruppe und stärkt den Wirtschaftsstandort Hamburg." Für einen jedoch endet das Kapitel Sietas. Werftchef Rüdiger Fuchs, der einst von Airbus kam, sieht seine Aufgabe als "erfüllt" an. "Wir haben Know-how geschaffen, neue Produkte entwickelt und bauen mit dem Errichterschiff das bisher größte und technisch anspruchsvollste Schiff der Werft", sagte er. Wenn alle Verträge abgeschlossen sind, wird er in einigen Wochen gehen. Wohin, blieb gestern offen.