Das Gut Wulksfelde mit seinen 130 Mitarbeitern gewinnt immer mehr Kunden mit hochwertigen Produkten ohne Chemie. Die Umsätze steigen.

Hamburg. Biologischer Landbau hin oder her, ihre Zeit läuft ab. Doch man wird sagen können: Es war eine gute Zeit. Mehr als 400 Gänse watscheln im Pulk über ihre Weide auf Gut Wulksfelde. Es ist kalt, grau und regnet. Doch die Vögel sind bester Dinge. Mehr als ein halbes Jahr lang haben sie tagsüber im Freien und nachts im geräumigen Stall bei einer Portion Hafer auf Gut Wulksfelde verbracht. Dieser Tage erwartet sie ihre Bestimmung. Weihnachten steht vor der Tür.

"Es ist unglaublich, wie schnell die Tiere wachsen, obwohl wir ihnen kein Mastfutter geben", sagt Rolf Winter, 56. "Wir bekommen die Gössel im Frühjahr vom Züchter und ziehen sie bis Weihnachten auf, einige werden auch bereits zum Martinstag Anfang November geschlachtet." Die Gänse und auch die Angusrinder, die auf einer benachbarten Weide in Sichtweite grasen, stehen für die Erfolgsgeschichte des Gutes. In ihrer ersten Saison vor rund 20 Jahren hatten Winter und seine Mitstreiter sechs Gänse, in diesem Jahr waren es insgesamt 550. Die Rinderherde wuchs von sieben auf mehr als 150 Tiere.

Nur rund fünf Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland werden nach biologischen Anbaumethoden bewirtschaftet. Doch in dieser Nische arbeiten professionelle und erfolgreiche Unternehmen wie das staatliche Hamburger Gut Wulksfelde ganz im Norden der Stadt bei Tangstedt. Der Hof ist Mitglied im Erzeugerverbund Bioland. Winter und seine Mannschaft bestellen ihre Äcker und halten ihr Vieh nach strengeren Kriterien, als sie etwa die Europäische Union für den Ökolandbau vorgibt. Auf den Böden beachten sie eine bestimmte fünfjährige Fruchtfolge von Futterpflanzen wie Gras und Klee, von Getreide und Kartoffeln. "Klee ist dabei besonders wichtig, weil er Stickstoff in den Böden und im Viehfutter bindet. So können wir auf Kunstdünger verzichten", sagt Winter.

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Sämtliche Tiere - neben den Rindern und Gänsen hält der Hof auch Schweine, Enten und Hühner - haben Auslauf. Sie werden mit selbst angebautem Futter aufgezogen anstatt mit industriell hergestellten Mastmitteln. Die Schweine lagern im Stall auf Stroh, der mit den Fäkalien der Tiere später auf einem klassischen Misthaufen landet. Von dort aus wird er als Dünger auf den Äckern ausgebracht. "Der weiche Untergrund, aber auch die Bewegung im Gatter halten die Tiere gesund. Es sind sehr einfache Grundprinzipien, die eine gute von einer schlechten Tierhaltung unterscheiden", sagt Winter, während sich im Gatter die jungen Schweine in ihren Schlammlöchern suhlen.

Biologisch arbeitende Höfe wie Gut Wulksfelde erhalten den Kreislauf der Landwirtschaft, ohne die natürlichen Ressourcen zu zerstören. Die Böden werden nicht mit chemischen Giften belastet, die Tiere nicht mit Medikamenten und Wachstumstreibern verseucht. "Natürlich geben wir auch Antibiotika, wenn Tiere krank werden. Aber bei dieser Art der Haltung ist der Bedarf an Medikamenten erheblich geringer als bei einer Intensivhaltung in hermetisch abgeriegelten Ställen", sagt Winter im Büro des Hofes im alten Gutshaus, das in der Mitte des 19. Jahrhunderts gebaut worden ist.

Erfolgreich ist der Hof nicht nur wegen seiner ökologisch orientierten Produktionsweise, sondern auch wegen seiner professionellen Organisation. Insgesamt arbeiten mittlerweile rund 130 Mitarbeiter auf Gut Wulksfelde. Nur sechs davon betreiben die eigentliche Landwirtschaft, auch mithilfe von modernem Gerät - die schweren Schlepper auf dem Hof sind technologisch auf dem neuesten Stand. Eine größere Zahl der Wulksfelder Angestellten betreibt Vermarktung und Logistik.

Die Hofgärtnerei ist verpachtet, auch der modern gestaltete und großzügige Hofladen, der Produkte vom Gut ebenso verkauft wie ein breites Angebot anderer Biolebensmittel. Die Hofbäckerei verarbeitet eigenes Getreide. Das Landgasthaus Gutsküche, ebenfalls verpachtet, erfreut sich in der Region großer Beliebtheit mit seiner gutbürgerlichen Küche. Viele der Zutaten kommen frisch direkt vom Gut.

Obendrein beliefert Wulksfelde eine wachsende Zahl von Haushalten in Hamburg und Schleswig-Holstein mit Gemüsekisten. An einer Packhalle werden gerade die Lieferwagen des Gutes beladen. "Auf die Hamburger Wochenmärkte gehen wir nicht. Aber das Geschäft mit dem Lieferservice läuft sehr gut", sagt Winter. "Wir wollen die Halle im kommenden Jahr um 400 Quadratmeter erweitern."

Die zunehmende Präsenz von Biosupermärkten in Hamburg sei für das Gut einerseits zwar Konkurrenz: "Aber gleichzeitig schärfen diese Märkte auch das Bewusstsein der Kunden für eine andere Art von Lebensmitteln", sagt Winter. "Davon profitieren wir indirekt auch." Von einem Massenprodukt allerdings bleiben Fleisch, Gemüse und Obst vom Biogut weit entfernt. Rund 50 Prozent teurer als im Discountmarkt seien die Produkte aus Wulksfelde im Schnitt: "Wir bewegen uns in etwa auf dem Niveau eines Feinkostladens."

Anfang der 1990er-Jahre stieß Winter zu der Mannschaft, die Wulksfelde neu ausrichten sollte. In den Jahrzehnten zuvor war das Staatsgut vernachlässigt worden. Heute steht es in voller Blüte. Die Stadt hatte es an die Gut Wulksfelde GmbH mit der Auflage verpachtet, dass dort biologischer Landbau betrieben wird. "Die Anfangsjahre waren hart. Wir haben Lehrgeld bezahlt", sagt Winter. Mittlerweile erwirtschaftet das Gut zehn Millionen Euro Umsatz im Jahr. "Die meisten der letzten Jahre waren für uns profitabel oder sehr profitabel. Es gibt aber nach wie vor auch Verlustjahre. Man kann die Landwirtschaft, wie wir sie betreiben, nicht kalkulieren. Sie unterliegt immer natürlichen Schwankungen."

Die konsequente Ausrichtung auf naturnahe Landwirtschaft habe sich für Gut Wulksfelde ausgezahlt, sagt Winter. Das gelte auch mit Blick auf die immer wiederkehrenden Skandale der Futtermittel- und Lebensmittelindustrie. Vor fast genau einem Jahr flog das Unternehmen Harles und Jentzsch im schleswig-holsteinischen Uetersen auf, das Abertausende Tonnen Futterfette vermarktet hatte, die mit dem Ultragift Dioxin verseucht waren. Tausende Bauernhöfe in ganz Deutschland mussten zeitweise geschlossen werden.

Der hohe Gehalt von Antibiotika in Masthühnern war vor einigen Wochen das jüngste und wohl nicht letzte Thema dieser Art. "Es wird nicht besser, und es kann in diesen Strukturen der Agrarindustrie auch nicht besser werden", sagt Winter. Sein Gut profitiert von jedem Skandal unmittelbar, so auch vom Fall des Dioxinfetts Anfang 2011. "Zeitweise stieg unser Umsatz um bis zu 50 Prozent gegenüber dem Vormonat. Im Jahresvergleich 2011 zu 2010 waren es zehn bis 15 Prozent."