Fünf Wohnhäuser in Winterhude seit Jahren ungenutzt. SPD-Politiker wollen Gesetz gegen Wohnungsnot verschärfen. Bezirk bittet um Hilfe.

Hamburg. Kaum ein Thema beschäftigt den von Bürgermeister Olaf Scholz geführten SPD-Senat mehr als der Hamburger Wohnungsmarkt. Es gilt das Regierungsversprechen einzulösen, jährlich 6000 neue Wohnungen zu schaffen. Illegaler Leerstand von Wohnraum sorgt bei diesem Vorhaben für besonders viel Ärger.

Allein im Bezirk Nord sind mindestens 177 Wohnungen verlassen. Darunter auch Villen und Mehrfamilienhäuser an den begehrten Wohnstraßen Bellevue, Bebelallee und dem Leinpfad in Winterhude. Ein Problem, dass Andy Grote beheben will. Der SPD-Stadtentwicklungspolitiker fordert ein schärferes Wohnraumschutzgesetz. Die Anzeigepflicht von Leerstand soll eingeführt und die bezirklichen Wohnraumschutzdienststellen aufgestockt werden.

Nach dem Antrag in der Bürgerschaft gab es vor Kurzem eine erste Antwort des Senats: "Eine Verstärkung des Wohnraumschutzes ist anzustreben", schreibt Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau (SPD). Sie zieht strengere Regelungen zur Bekämpfung von Leerstand und eine Erweiterung der Auskunftspflicht in Betracht. "Die Dinge bewegen sich in die richtige Richtung, auch wenn wir uns ein höheres Tempo wünschen", sagt der Abgeordnete Andy Grote dazu.

Warum Eigentümer ihre Objekte in besonders begehrten Wohnlagen über Jahre leer stehen lassen, bleibt rätselhaft. Das Abendblatt hat nachgefragt. Am Leinpfad 21 steht eine Villa aus der Gründerzeit schon seit vier Jahren leer. Der Putz bröckelt von der Fassade, die Hecke vor dem Haus wuchert, und im Eingang liegt noch eine Zeitung aus dem Jahr 2009.

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Dem Bezirksamt Nord war dieser Fall bislang nicht bekannt. "Es werden Recherchen folgen", hieß es dort vor wenigen Wochen. Später konfrontierte das Abendblatt Eigentümer Bertram Rickmers mit dem Leerstand. Ganz offen räumt der Reeder ein, das Haus in den vergangenen Jahren vernachlässigt zu haben. "Viele andere Projekte hatten Priorität", sagt er.

Rickmers bestätigt, dass er mittlerweile ein Mahnschreiben vom Bezirksamt erhalten habe, und kündigt an, die Villa am Leinpfad innerhalb der kommenden sechs Monate vollständig zu sanieren und in den Originalzustand zu versetzen. Bis zu drei Familien können sich Hoffnungen auf ein neues Zuhause machen, sagt Reeder Rickmers.

Auch an der Bellevue, direkt an der Außenalster, stehen zwei Häuser leer. Für die Villa Bellevue 15 liegt bei den Behörden nach vielen Jahren des Leerstands ein Abriss- und Neubauantrag vor. Das Ergebnis ist noch offen. Die Villa Bellevue 24 wird immer baufälliger. Die Nutzung des Hauses - offiziell ein "schwebendes Verfahren". Das Bezirksamt will sich dazu nicht äußern.

"Ich habe für den Leerstand kein Verständnis", sagt Wilfried Lehmpfuhl vom Mieterverein zu Hamburg. Lehmpfuhl nennt zwei Gründe für verlassene Wohnungen in begehrten Lagen. "Entweder der Eigentümer plant einen Abriss, oder es handelt sich um ein Spekulationsobjekt", sagt er. Die Eigentümer ließen die Objekte über einen längeren Zeitraum leer stehen, um sie dann teurer zu verkaufen. Das sei häufig lukrativer als eine Vermietung. Lehmpfuhl, seit 30 Jahren beim Mieterverein, wird immer wieder mit Leerstand konfrontiert: "Das ist in Hamburg ein Reizthema." Bertram Rickmers wehrt sich allerdings dagegen, ein Immobilienspekulant zu sein, und nimmt auch andere Eigentümer in Schutz. "Vielen fehlten in den vergangenen Jahren möglicherweise einfach die finanziellen Mittel, um die Häuser zu sanieren", sagt er.

Zutreffen könnte diese Aussage auf die beiden Villen an der Bebelallee 10 und 11, wenige Meter vom Leinpfad entfernt. Die Häuser an der Ecke Winterhuder Kai verwahrlosen seit mehr als fünf Jahren. In den Müllcontainer-Boxen hausten bereits Obdachlose. Der neue Eigentümer, der nicht namentlich genannt werden möchte, plante nach Abendblatt-Informationen einen Neubau. Doch die Villen aus dem Jahr 1923 stehen unter Denkmalschutz, daher kommt ein Abriss nicht infrage. Der Bauherr will beide Villen nun für Gewerbe und den Eigenbedarf der Familie nutzen. Das bestätigt das Bezirksamt Nord. "Es wurden Baugenehmigungen für Innenarbeiten erteilt. Der Leerstand sollte bald behoben sein", sagt Sprecherin Katja Glahn.

Viel Zeit bleibt dem Eigentümer nicht mehr. Laut dem Hamburgischen Wohnraumschutzgesetz darf Wohnraum nicht länger als sechs Monate leer stehen. Nach Ablauf der Frist ordnet der Bezirk an, dass die Eigentümer die Immobilien nutzen oder instand setzen. Andernfalls droht ein Bußgeld. Es sei denn, die Eigentümer können Umbau- oder Sanierungsarbeiten nachweisen.

"Das sind Lücken im Gesetz, die geschlossen werden müssen", fordert Thomas Domres, SPD-Fraktionsvorsitzender des Bezirks Nord. Domres glaubt, dass bei den meisten Leerständen etwas faul ist. "Es gibt kein Gesetz, das man nicht missbrauchen kann."

Laut Bezirksamtssprecherin Glahn nehmen Hinweise von Dritten auf Leerstand inzwischen zu. "Jedem Hinweis wird nachgegangen. Wir haben aber nicht genügend Personal, um eigene Erkundungen anzustellen und Leerstand aktiv aufzuspüren." Glahn appelliert deshalb an die Hamburger: "Wir sind auf die Hilfe der Bürger angewiesen."