Nordelbische Bischöfin erhält kirchlichen Segen und Bischofskreuz. In der Antrittspredigt forderte sie Widerstand gegen Fremdenhass.

Lübeck. Sogar der Chor war etwas Besonderes. Kirchenmusiker, auch einige Kirchenmusikdirektoren, aus ganz Nordelbien sangen zu Ehren der neuen Bischöfin "Jauchzet dem Herrn, alle Welt." Unter den hohen Bögen des Lübecker Doms drängten sich die Menschen in den Reihen. 1200 waren gekommen, um beim Festgottesdienst für Kirsten Fehrs dabei zu sein. Manche mussten stehen. Als Dutzende Pastoren und Bischöfe in schwarzen Talaren, weißen Gewändern, mit Halskrausen oder Stolen in die gotische Kathedrale einzogen, läuteten die schweren Glocken. Ein Feiertag für den Protestantismus. Man spürte die Freude auf die Neue auf dem Bischofsstuhl für Hamburg und Lübeck.

Sie sei schon ein wenig aufgeregt, hatte Fehrs kurz vor Beginn des Gottesdienstes gesagt. "Innerlich aufgewühlt. Es ist anders als normales Lampenfieber." Die frühere Hamburger Pröpstin und Hauptpastorin von St. Jacobi war im Juni als Nachfolgerin von Maria Jepsen gewählt worden, am 15. November hatte sie ihren Dienst in der Hamburger Bischofskanzlei angetreten. Am Sonnabend bekam die 50 Jahre alte Theologin bei der offiziellen Einführung in Lübeck den kirchlichen Segen - und die Kette mit dem Bischofskreuz.

Sie habe die Gabe, auf unkomplizierte Weise auf die Menschen zuzugehen, sei darüber hinaus gesprächsfähig, offen, mitfühlend und überzeuge vor allem durch ihre Verkündigung, die immer wieder gesellschaftliche Themen aufgreife, sagte Gerhard Ulrich, leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands und Fehrs' Amtskollege in Schleswig, in seiner Ansprache. Und dann stieg die neue Oberhirtin der 900 000 evangelischen Christen im nordelbischen Sprengel Hamburg und Lübeck auf die Kanzel. Mit festem Schritt und einem Lächeln. In ihrer ersten Predigt als Bischöfin entwickelte sie in Anlehnung an ein Jesus-Wort bei seiner ersten öffentlichen Predigt die Vision eines Gnadenjahrs zur Versöhnung. Die Gesellschaft müsse gnädiger mit sich umgehen, so Fehrs. Sie brauche mehr Pausen angesichts der Schnelllebigkeit, wirksame Beschlüsse gegen den Klimawandel und eine Religiosität, die "gegen die Intoleranz eine Ökumene der Dialogkultur" lebt. "Die Vision göttlicher universeller Gnade muss erzählt werden, gerade um den Frieden nicht aufzugeben und der Gerechtigkeit aufzuhelfen aus ihrer Gebrochenheit", sagte sie mit Blick auf das Blutvergießen im Iran, in Syrien und Ägypten. Im eigenen Land forderte sie nach der Aufdeckung des rechten Terrornetzwerks entschiedenen Widerstand gegen wieder zunehmende Fremdenfeindlichkeit.

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Unter den Gottesdienstbesuchern kamen die bischöflichen Worte gut an. "Sie hat einen weiten Bogen über alle Probleme gespannt und ist nicht in schiere Frömmigkeit verfallen", sagte der Lübecker Siegfried von Kortzfleisch. "Sehr empfindsam. Der Weg geht von Herz zu Herz, das habe ich gespürt", meinte Christiane Wiebe. Auch wenn es immer noch schmerze, dass Lübeck den Bischofssitz verloren habe, freue er sich auf die neue Bischöfin und hoffe, dass sie in Lübeck präsent sei, sagte Bürgermeister Bernd Saxe (SPD). Unter den Ehrengästen war die Familie Fehrs, hochrangige Kirchenvertreter aus der ganzen Welt - und viele Hamburger. Die Predigt habe ihm sehr gefallen, sagte der katholische Erzbischof Werner Thissen. "Es war eine wunderbare Komposition zwischen Spirituellem, Menschlichem und Politischem" Angetan äußerten sich auch die zahlreich angereisten Politiker, darunter Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) sowie die Fraktionschefs Andreas Dressel (SPD) und Dietrich Wersich (CDU). Er freue sich auf eine "streitbare, engagierte, vor allem aber wertvolle Gesprächspartnerin", sagte Innensenator Michael Neumann (SPD).

Es gab aber auch kritische Zwischentöne. Vor Beginn des Gottesdienstes hatte der Verein Missbrauch in Ahrensburg vor dem Dom demonstriert, weil ihm die Aufarbeitung des Skandals nicht schnell genug geht. "Frau Fehrs hatte angekündigt, mit uns zu sprechen. Aber wir warten immer noch auf einen Terminvorschlag", sagte der Vorsitzende Anselm Kohn. In ihrer Predigt schnitt die Bischöfin das Thema nur am Rande an. Zuvor hatte sie vor Journalisten angekündigt, die Aufarbeitung zu einem Arbeitsschwerpunkt zu machen.

Am 1. Adventsonnabend überwog die Feststimmung. "Wir brauchen das lebendige Wort der Hoffnung", hatte die Bischöfin gepredigt. Darüber wolle sie mit den Menschen ins Gespräch kommen. "Ich wünschte, wir sind so gemeinsam Bischöfin", sagte Fehrs - und die Gemeinde schmunzelte.