Hunderte schicken Kündigung. Mitglieder zahlen seit Jahren keine Beiträge. Rund 770 000 Euro Verlust erwartet

Hamm. Auf dem runden Tisch im Vorstandsbüro des Hamburger Tierschutzvereins (HTV) an der Süderstraße liegen mehrere Schreiben - es sind vier Kündigungen von Mitgliedschaften: "Das ist die Bilanz von einer Woche, und demgegenüber steht nur ein Eintritt in den Verein", sagt Schatzmeister Edgar Kiesel. Das sei schon schmerzhaft. Auch Joachim Weinlig-Hagenbeck, Chef von Hagenbecks Tierpark, soll nach Abendblatt-Informationen seine Mitgliedschaft in diesen Tagen gekündigt haben.

Der Verein, der in diesem Jahr mit einem Verlust von rund 770 000 Euro rechnet, hat noch 4432 Mitglieder. Ende vergangenen Jahres waren es rund 5000 Tierfreunde: "Wir haben allein 400 Mitglieder ausgeschlossen, weil diese ihre Beiträge über Jahre nicht bezahlt haben. Aber natürlich gab es auch Hunderte normale Austritte", sagt Kiesel. Woran das liegt: "Die Menschen müssen sparen", sagt Kiesel. Doch der Schatzmeister weiß auch, dass der Verein den Tierfreunden Anreize bieten müsse, damit er unterstützt werde. Eine erste Maßnahme ist bereits geplant: "Wir werden im März eine große Kampagne zur Mitgliederwerbung starten", kündigt Tierheimchefin Katharina Woytalewicz. Mehr werde aber jetzt noch nicht verraten.

Der Verein als Träger des Tierheims Süderstraße benötigt dringend Geld. "Wir haben für den Tierheimbetrieb 2010 rund 4,2 Millionen Euro aufgewendet. Die Stadt hat aber nur rund 1,8 Millionen Euro getragen", sagt Woytalewicz. "Unsere Dienstleistung wird zwar von der Stadt gerne in Anspruch genommen, aber nicht angemessen bezahlt", lautet der Vorwurf der Tierheimchefin.

Die Stadt spricht von rund zwei Millionen Euro, die der Tierschutzverein bekommen habe. Rico Schmidt, Sprecher der zuständigen Gesundheitsbehörde, sagt: "Wir haben Verträge mit dem Hamburger Tierschutzverein abgeschlossen, und diese werden erfüllt."

Das Tierheim Süderstraße beherbergt zurzeit rund 1067 Tiere, darunter 170 Hunde und 361 Katzen. Allerdings bezahle die Stadt für etwa 500 der Tiere keinen Euro, da diese sogenannte Abgabetiere, also etwa von Haltern abgegebene Tiere, oder Wildtiere seien.

Die Politik macht wenig Hoffnung auf mehr Geld: "Das Tierheim Süderstraße erfüllt eine wichtige Aufgabe und erhält dafür Zuwendungen von der Stadt. Die Stadt muss sparen, deshalb dürfte es schwierig werden, mehr Geld für das Tierheim aufzuwenden", sagt SPD-Tierschutzexperte Martin Schäfer. Außerdem müsse der Tierschutzverein genau offenlegen, wofür die Mehrkosten bei der Unterbringung von gefundenen Tieren entstünden.

Auch leidet der HTV offensichtlich immer noch unter der Affäre um den ehemaligen Vorsitzenden Wolfgang Poggendorf, der vom Landgericht Hamburg im Jahre 2008 wegen Untreue und Unterschlagung zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt wurde: "Wir haben gerade erfahren, dass ein kürzlich verstorbener Tierfreund sein Testament zugunsten des Tierheims im Jahre 2007 im Zuge des Poggendorf-Skandals widerrufen hat. Dadurch ging eine Erbschaft von 1,2 Millionen Euro verloren", sagt Schatzmeister Kiesel.