Mladen Petric, der Ball- und Kartentrickser, ist privat eher ein ruhiger Typ. Momentan muss der Fussballer wegen eines Muskelfaserrisses pausieren.

Der rote Faden zieht sich durch die Stadt: Er verbindet Menschen, die einander schätzen, bewundern, überraschend finden. Sie entscheiden, an wen sie ihn weiterreichen: an andere, die hier arbeiten, die Besonderes für diese Stadt leisten, die in Hamburg als Vorbilder gelten. Den Anfang machte Altbürgermeister Henning Voscherau. In der 15. Folge vor einer Woche: Designer Peter Schmidt.

Im leeren Volksparkstadion, das derzeit auf den Namen Imtech-Arena hört, ziehen unten auf dem Spielfeld drei Rasenpfleger schnurgerade ihre meditativen Bahnen. Oben, in der HSV-Loge, redet Stürmerstar Mladen Petric, 30, über den Weg zum Topspieler. Er kam vor drei Jahren aus Dortmund - wohin er aus Basel gewechselt war - zum HSV. Derzeit muss er wegen eines Muskelfaserrisses in der Wade etliche Wochen pausieren.

Fußball spielt er, solange er sich erinnern kann, zuerst auf dem Bolzplatz und auf der Straße. "Ich war jede freie Minute draußen mit dem Fußball, mit Freunden, mit den Brüdern." Der eine ist fünf Jahre jünger, der andere fünf Jahre älter - "und wie das so ist, haben sie sich gern mal gegen den Mittleren verbündet. Da hab ich gelernt einzustecken. Und auszuteilen." Dass er Stürmer ist, stand für ihn von Anfang an fest. "Das ist man einfach vom Typ her. Wer eine gute Schusstechnik hat, eine gute Technik im Allgemeinen, gutes Dribbling, wer kopfballstark ist und gut Tore schießen kann, wird Stürmer."

Seit seinem sechsten Lebensjahr spielt Petric in Vereinen: "Dort habe ich bald gemerkt, dass ich einfacher an Gegenspielern vorbeikomme als andere, dass ich die ausdribbeln kann. Irgendwann hatte ich dann am Ende der Saison auch die meisten Tore geschossen." Woran das liegt? Man muss es wirklich wollen - "das ist doch nicht nur im Fußball so. Man übt Sachen, die man lernen will, immer wieder, und irgendwann klappt es."

Mit 13 Jahren hat er seinen Schulkameraden selbstbewusst erklärt: "Eines Tages werde ich beim Grashopper Club Zürich spielen", beim Rekordmeister der Schweiz also, dem fußballerischen Aushängeschild der Republik. "Sie haben mich ausgelacht. Später haben wir uns hier und da mal wiedergetroffen, und sie mussten zugeben: Du hast es tatsächlich geschafft!"

Was Mladen Petric erzählt, ist knapp, es klingt ruhig und unspektakulär, er braucht keine ausholenden Bewegungen, keine ausgeschmückten Karrierelegenden. Er ist, was er ist - einfach so. Haare und Bart stoppelkurz. "Das haben wir damals bei der Meisterfeier 2001 in der Schweiz aus Spaß gemacht, 20 Spieler auf einmal. Seither gefällt mir das. Und meiner Frau auch." In seinen deutschen Sätzen schwingen hörbar seine Lebensstationen mit als leicht dialektale Färbungen: härtere Konsonantenverbindungen aus dem Kroatischen, wo er am 1. Januar 1981 geboren wurde, und der alpenländische Singsang der Schweiz, wohin die Familie 1983 zog.

Dass er Fußballprofi werden durfte, verdankt er seinem älteren Bruder Josip. Der wollte das auch, aber der Vater, in kroatischer Tradition das Familienoberhaupt, dessen Wort geachtet wird, glaubte nicht daran, dass er das erreichen könne. "Er wusste, dass es sehr viel braucht, um Fußballprofi zu werden. Und hat Josip den Rat gegeben, erst mal einen Abschluss zu machen." Es muss ein ziemlich eindeutiger Rat gewesen sein - der Bruder arbeitet heute bei einer Bank.

Als Mladen am gleichen Entscheidungspunkt stand, gab der Vater nach. Der ältere Bruder trägt ihm das nicht nach. "Sicher denkt er öfter mal: Was wär gewesen, wenn ...? Er hätte das auch schaffen können. Aber wir haben in unserer Familie ein sehr gutes Verhältnis, und weil ich diesen Beruf habe, kann mein Bruder das auch ein bisschen mitleben."

Die Familie ist so etwas wie das Zentrum, der Ruhepunkt, das Konstante im Leben des Fußballers. Die Eltern und Geschwister in Zürich, die er mindestens einmal im Monat besucht, und natürlich Frau und Tochter in Hamburg. "Das Einzige im Leben, worauf man immer zurückgreifen kann", sagt er, und für einen Augenblick ist die weiche Seite des Mladen Petric spürbar. Seine Despina sitzt bei jedem Heimspiel im Stadion, seit acht Jahren sind sie zusammen. Und wenn dann noch die dreijährige Tochter Melina Charlize mitkommt, ist das für ihn jedes Mal ein ganz besonderer Moment. "Sie weiß schon, dass Papa Fußball spielt, und wenn zu Hause ein Spiel im Fernseher läuft, dann sucht sie mich da."

Petric hat seine Karriereschritte und Wechsel klug gewählt, "das ist mindestens so wichtig, wie gut Fußball spielen zu können". Von Zürich ging er nach Basel, von dort zu Borussia Dortmund und 2008 zum HSV. Mit Basel und Dortmund würde er jetzt in der Champions League spielen - mit dem HSV geht es derzeit darum, die unmittelbare Abstiegszone hinter sich zu lassen. Ärgert man sich da nicht manchmal? "Ich bin grundsätzlich ein Mensch, der nach vorn schaut, die Vergangenheit kann man nicht mehr verändern."

Wichtig ist es, sagt Petric, mental stark zu sein, Druck aushalten zu können. Auch außerhalb des Spielfelds. Wenn man in einem Spiel was versiebt hat und es heftige Kritik setzt, "das steck ich ganz gut weg. Ich bin ein sehr selbstkritischer Mensch und kann ganz gut einschätzen, ob ich ein gutes Spiel gemacht habe. Man geht das ja abends schon selbst immer wieder durch und überlegt, wie das gelaufen ist."

Druck entsteht auch, wenn Fans die Grenzen des Anstands vergessen und in jeder erdenklichen Situation den Spieler plötzlich als ihr Eigentum betrachten, sich beim privaten Essen im Restaurant dazusetzen und reden wollen. "Man fühlt sich den Fans durchaus verpflichtet, sie sind sehr wichtig und können eine Mannschaft tragen." Doch dann erzählt er, wie er selbst früher Autogramme gesammelt hat: "Wenn ich als kleiner Junge ein Autogramm haben wollte von einem Fußballprofi, dann hab ich erst mal fünf Minuten gebraucht, um meinen Mut zusammenzunehmen, bin dann hin und hab gesagt: Entschuldigen Sie bitte, könnte ich bitte ein Autogramm haben? Heute rennen manche hinter einem her und rufen nur: Ey, Alter, unterschreib mal!"

Autogramme sind Erinnerungen, Trophäen. Was hebt er auf, um sich später mal zu erinnern? "DVDs von guten Spielen eher weniger. Einige der Trikots, die man bei wichtigen Spielen getauscht hat." Zum Beispiel, wenn er für Kroatien in der Nationalmannschaft spielt. "Da vertritt man ja ein ganzes Land. In Kroatien ist man ein Staatsheld, wenn man in der Nationalelf spielt." Jetzt, da sich Kroatien gegen die Türkei für die Europameisterschaft qualifiziert hat, will er auf jeden Fall dabei sein. Einer seiner goldenen Momente als Fußballer war schließlich der, als er 2007 gegen die Engländer in der 77. Minute das Tor schoss, das die Kroaten zur EM brachte und die Engländer rauswarf. "Die Fußballgroßmacht England! Da bleibt jeder einzelne Moment im Kopf. Das kann ich auch noch in 20 Jahren wie einen Film ablaufen lassen."

Genau wie die kuriose Szene, als Petric in einem Uefa-Cup-Spiel für den Torwart einsprang, der nach einer Roten Karte vom Platz musste. Da hielt er in der zweiten Minute der Nachspielzeit einen Elfmeter. Das sind die ganz großen Gefühle. Hebt man da ab? "Das ist bei jedem Spieler anders, da gibt es sicher einige, die mit dem Ruhm und der ganzen Situation nicht wirklich umgehen können, weil der Weg nach ganz oben zu schnell geht. Da muss man in der Mannschaft auch mal jemanden an die Hand nehmen, gerade auch als älterer Spieler."

Am 1. Januar wird Petric 31, und Fußballkarrieren gehen so früh zu Ende wie die von Balletttänzern. "Na ja, im kommenden Sommer läuft erst mal mein Vertrag beim HSV aus. Und man weiß nie, was in der Zukunft kommt. Ich will schon bis 34, 35 Fußball spielen." Spekulieren verboten, damit die Wechselgerüchte, die bei jedem Spieler immer mal wieder auftauchen, nicht um weitere vermehrt werden. "Als Kind", sagt er, "hat doch jeder den Traum, mal bei Madrid oder Barcelona zu spielen." Er bleibt auf dem Boden und denkt auch an die Zeit danach: "Trainer oder Sportchef in einem Verein. Oder Spielervermittler." Beim Nachdenken über Plan B hilft ihm seine Frau, "das machen wir zusammen, sie ist ja auch mit mir das Risiko eingegangen, aus der Schweiz wegzugehen". Die Familie erdet ihn, sie hilft ihm, Probleme, die im Stadion aufgetaucht sind, "auf der Fußmatte zu lassen", wieder herunterzukommen von den Adrenalinschüben des Spiels. Essen gehen, einen Film anschauen - das reicht ihm zum Abschalten.

Hobbys hat er auch: Tennisspielen. Und Zaubern. "Mit 14 hatte ich mal 'ne Blinddarm-OP, und mein Bruder hat mir damals ein Buch geschenkt über Zauberei. Und als ich dann David Copperfield gesehen hatte, wollte ich das auch machen. Vor allem die kleinen Tricks, nicht die Riesenbühnenshows. Ich bin ziemlich weit gekommen, hab auch ein paar Kurse gemacht und viel gelernt. Solche Sachen wie Taschentücher verschwinden lassen, Kleinigkeiten schweben lassen, Kartentricks." Inzwischen hat er die Magie vernachlässigt. "Vielleicht", sagt er, "mach ich's mal wieder bei einem Kindergeburtstag."

Was hält seine Ehe im Kern zusammen? "Jeder hat bei uns sein eigenes Leben - ich mit dem Fußball, sie mit der Boutique in Zürich" - so haben beide immer neuen Gesprächsstoff. Zu Hause sind die Rollen klar verteilt: "Sie ist eher die Quirlige, und ich bin sehr ruhig, fast zurückhaltend, der Ruhepol für sie, bewahre meistens einen kühlen Kopf."

Und wie bringt sich der sanfte Familienvater dann vor einem Spiel in Angriffslaune? "Es gibt welche, die fahren sich vor dem Spiel mit Musik hoch. Ich bin vor dem Spiel immer sehr gelassen, erst kurz vorher, wenn man zum Warmlaufen geht, fängt das Kribbeln an. Ich brauche keine Rituale, außer dass ich immer als Letzter aus der Kabine gehe." Draußen packt es ihn dann, wenn 50 000 Fans die Namen der Spieler rufen, auch seinen. "Ein sensationelles Gefühl." Das hat sich auch nach so vielen Jahren nicht geändert. "Okay, es ist nicht mehr dasselbe wie beim ersten Mal - da macht man sich fast in dieHose, denn es ist ja auch Druck. Aber mit der Zeit hab ich gelernt, den Jubel der Fans zu genießen."

Mladen Petric gibt den Roten Faden an Jasmin Wagner weiter. "Weil uns beide die Leidenschaft für die Kunst verbindet - die Kunst am Ball und die Kunst an der Musik." Seit Oktober glänzt Jasmin auch als Schauspielerin in der Rolle der Alexandra im Schlosspark-Theater Berlin. Petric: "Ich wünsche ihr dabei viel Erfolg!"