Um 100 Beamte mehr auf die Straße zu schicken, kürzt der Hamburger Senat bei den Spezialeinheiten. Personalrat will dies verhindern.

Hamburg. Die SPD wird im Bereich der Inneren Sicherheit eines ihrer Wahlversprechen womöglich nicht einhalten können. 100 Polizisten mehr wollten die Sozialdemokraten auf die Straße schicken. Innensenator Michael Neumann (SPD) will dafür aber keine neuen Beamten einstellen. Vielmehr gab er den Auftrag, diese Beamten aus dem Bestand - den Stäben, den Intendanzbereichen und den zentralen Einheiten - herauszulösen. Bislang sind es jedoch nur 79. Für die noch fehlenden 21 Beamten wird der Personalrat nach Abendblatt-Informationen keine Zustimmung geben: Auf die bisherige Arbeit der Polizeibeamten an den Schreibtischen könne nicht verzichtet werden. Die Innenbehörde beharrt aber weiter darauf, das Ziel bis Ende des Jahres erreichen zu können.

André Schulz, Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) kritisiert, dass auch Beamte, die für DNA-Analysen zuständig sind oder im Staatsschutz und im Bereich der Organisierten Kriminalität arbeiten, abgezogen werden sollen. "Die Dienststellen können nicht auf die Arbeit dieser Kollegen verzichten", sagt Schulz. Die Beamten hätten eine spezielle Ausbildung genossen, ihre Zuverlässigkeit sei besonders geprüft worden, weil sie in sensiblen Bereichen arbeiten. "Deren Arbeit ist wichtig und muss gemacht werden." Wenn es politisch gewollt sei, dass polizeiliche Aufgaben aufgegeben werden sollen, dann müsse der Innensenator dies auch offen sagen.

+++ Delle in der Glaubwürdigkeit +++

+++ 6000 Beamte demonstrieren gegen Weihnachtsgeld-Kürzung +++

Die Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) begleitet mehrere Fälle, in denen hoch qualifizierte Beamte mehr oder weniger auf die "Straße" versetzt werden sollen: Darunter ist der einzige Zivilfahnder-Ausbilder, den die Polizei hat, was bereits einen Proteststurm auslöste. Der 45-Jährige schult jährlich knapp 300 Kollegen, unter anderem in Observation und dem Verfolgen von Zielpersonen. Diese Fähigkeiten werden in der Grundausbildung nicht vermittelt, für die Ermittlung von Wohnungseinbrechern und Brandstiftern seien sie jedoch unerlässlich, erklärt DPolG-Landeschef Joachim Lenders.

Auf der Liste der Behörde steht auch eine Oberkommissarin mit Masterabschluss, die einen Lehrauftrag an der Hochschule der Polizei hat. Sie gilt als Expertin für die Prävention von Drogenkriminalität und Sucht, und es gibt niemanden, der ihren Platz einnehmen könnte. "Wir waren immer dafür, dass die örtliche Ebene gestärkt wird", sagt Lenders. "Aber wenn Kollegen aus zentralen Bereichen abgezogen werden, die keine administrativen Tätigkeiten haben, sondern etwa als Ausbilder das Handwerkszeug vermitteln, dann erinnern die Pläne der Innenbehörde an einen Schildbürgerstreich. Wir appellieren an den Innensenator, die Versetzungspläne insbesondere im Fall des Zivilfahnder-Ausbilders nicht weiter zu verfolgen."

Schulz kritisiert zudem, dass die Zahl von 100 Beamten im Wahlkampf willkürlich gewählt wurde und fachlich nicht begründet sei. "Man hätte auch 75 oder 200 sagen können." Und tatsächlich fällt der Innenbehörde eine Begründung für die Zahl 100 nicht leicht. "Die Zahl ist eine vernünftige Größe im Verhältnis zu der Zahl der Beamten an den Kommissariaten", sagt Behördensprecher Frank Reschreiter. "100 Beamte mehr auf der Straße - das ist spürbar und machbar." Wenngleich er einräumt, dass man sich die Rekrutierung aus den eigenen Reihen einfacher vorgestellt habe.

Zumal die Umstrukturierungen von den Betroffenen in der Regel abgelehnt werden, wie aus einem Senatspapier hervorgeht. Was in mehreren Fällen dazu führte, dass sich Beamte krank meldeten. So ist bekannt, dass ein Hauptkommissar einen Hörsturz erlitt, nachdem er von seiner Versetzung erfahren hatte. Der 57-jährige Beamte, der einen Schreibtischjob innehat, sollte die letzten drei Jahre bis zur Rente an einer Wache eingesetzt werden.

Schulz moniert, dass auch andere Beamte, die seit 20 Jahren hinter dem Schreibtisch saßen, nun auf die Straße sollten "Fürsorge spielt offenbar keine Rolle. Beim Einsatz von Personal muss man sich an fachlichen und rechtlichen Notwendigkeiten orientieren, nicht an Wahlversprechen oder Schlagzeilen." Er stellt die Maßnahme darüber hinaus grundsätzlich infrage. "Zehn neue Kriminalbeamte klären mehr Straftaten auf als 100 Polizisten, die Streife fahren." Lenders ergänzt: "Eine Verstärkung der Polizeikommissariate kann nur mittelfristig und nicht allein durch Umsetzungen passieren. Dafür braucht es auch zusätzliches Personal." Diese Forderung allerdings berührt ein weiteres großes Problem: Die Bewerberzahlen bei der Polizei sind so niedrig wie seit Jahren nicht mehr.