Beim Rundgang über die Hanseboot sind millionenteure Yachten zu bestaunen. Aber es gibt auch Wassersport für wenig Geld.

Hamburg. Kühl ist es und früh am Morgen. Vom Baumwall aus schaue ich auf das Wasser der Elbe. Am äußeren Schlengel des Sportboothafens liegt das Schiff, das ich einen Augenblick für mich haben will, bevor der Besuchertrubel beginnt. Die "Opus 68", etwas mehr als 20 Meter lang. Zwei gleich hohe Masten. Sie ist als Schoner getakelt, was es heute nur noch selten gibt. Sie erinnert an die "Seeteufel"-Zeiten des Grafen Luckner, und doch sind ihre Formen ganz von heute.

Vier Trittstufen hoch, ein Fuß aufs Deck, Wunderlandschaft aus honigfarbenem Teak. Mein Fuß spürt, wie die imponierende Lady sich im Rhythmus des Stroms wiegt. "Komm mit", sagt sie. Behaglich auf Langfahrt soll sie sein, die Segelgarderobe mit 220 Quadratmetern "überschaubar", sie hat 1700 Liter Diesel im Tank und fast so viel Frischwasservorrat. Man könnte weit kommen. Man könnte. Ich ziehe meinen Fuß zurück. Die große Dame kostet zwei Millionen Euro, plus Mehrwertsteuer. Und wenn man Bankchef wäre? Was soll's. Ist ein bisschen spät für eine neue Laufbahn, alter Junge.

Die U 3 quietscht in der Kurve nach den Landungsbrücken wie immer und bringt mich vom Baumwall mit einmal Umsteigen zu den Messehallen, zu einem anderen Ende des Segelsports.Manche Menschen träumen von stattlichen Booten, die alles haben, was man brauchen könnte. Aber je mehr Drumherum, desto größer die Distanz zum Erlebnis - zu allem, um das es beim Leben auf dem Wasser geht. Gibt es überhaupt noch das neue, das "einfache" Boot? Ja, mehrfach. In Halle A1 vor Stand B150 schaut eine Handvoll Messebesucher , eher etwas jünger, auf eine "Elan 210". Sie sehen ein hübsches Boot von 6,60 Meter Länge (38 000 Euro). Mit einem "Gennaker-Rüssel", einem ausfahrbaren Bugspriet, lässt sich die für das Segeln wirksame Bootslänge vergrößern. Mit so einem leichten Ballonsegel soll es bei sechs Windstärken, die schräg von achtern für perfekten Vortrieb sorgen, bis 14 Knoten (rund 26 km/h) schnell sein. Eine heiße Kiste. Wirkt unter Deck, knappe Sitzhöhe, durchaus kommod. Üblicherweise schrecken Großwerften vor solchen kleinen Booten zurück, weil sie glauben, damit nicht genug Geld verdienen zu können. Es ist wie bei den Autobauern - eine S-Klasse bringt mehr Marge als ein Smart. Aber können alle, um den Autobauern zu gefallen, S-Klasse fahren? Schön, dass die slowenische Elan-Werft sich in das Segment der Kleinen traut. Den Irrglauben, dass Segeln Finanzsport ist, widerlegt in derselben Halle gleich die "Varianta 18", die Zahl steht für die Länge in Fuß: knapp 5,5 Meter. Segelfertig gibt's die für 10 500 Euro. Segeln pur, eben ohne alles.

Die Messebesuchergruppe beschäftigt sich gerade mit der Funktionsweise des ausfahrbaren Bugspriets. Mir fallen die markanten Gesichter der zwei jungen Frauen auf, die dabei sind. Und die Gesichter erinnern mich an die Beobachtung von Kisch-Preisträger Christian Jungblut, die er vor Kurzem in einer Liebesgeschichte über das "Folkeboot" beschrieb. Folkeboote (Halle B4, Erdgeschoss) gibt's seit 70 Jahren - klein, schwer, alt, spartanisch. Viele der mehr als 4000 gebauten Boote werden weiterhin eifrig gesegelt. Zum Wochenende, auf Tour und bei Regatten. "Frauen", die auf diesen Booten segeln, so schrieb der Autor, seien oft "schön und eigenwillig". Aber mutig müssen sie auch sein. Denn wer auf Folkebooten segelt, ist auf Augenhöhe mit dem Wasser. Und da werden auch kleine Wellen zum Gebirge.

Eines will ich gestehen: Ab dem gewissen Alter ist "Drumherum" recht angenehm. Beine ausstrecken können wird nötig. Manchmal steigert Komfort sogar das Wohlbefinden. Und so habe ich mich riesig gefreut (auch in Halle A1), Najad wiederzusehen. Die schwedische Qualitätswerft wurde im August insolvent und in letzter Sekunde vor der Hanseboot von Benny Martinsson, Gründer der erfolgreichen, ebenfalls schwedischen Nord West Werft gerettet. Seine sympathische Verlobte Jessica Stenlund zeigt in Hamburg eine 40-Fuß-Najad. Ich bin hineingestiegen, habe Wohlbefinden empfunden. Probieren Sie es mal aus, es funktioniert.

Auf der Messe gibt es mehr Wunder: Die bekannte Marke Dehler feiert zweimal Premiere. Erstens bei sich selbst (Halle B2, Stand C410), wo sie eine nagelneue "Dehler 41" zeigt, die in ihrer Klasse unter den "Yachten des Jahres" nominiert ist - entworfen vom Designteam Judel/Vrolijk. Bekannte Namen, wobei Letzterer als Hamburger bezeichnet werden könnte oder als Holländer, der in Blankenese lebt. Zweitens: Die Vilm-Werft aus Lauterbach auf Rügen präsentiert (Halle A1) eine neue, elegante Deckssalonyacht (349 000 Euro), zeigt das Schiff daneben in weiterer Version auf gleicher Basis als Cruiser/Racer (213 000 Euro). Und das hat deswegen mit Dehler zu tun, weil beide Versionen aus der Rumpfform der früheren "Dehler 41" entstanden sind. Lokalpatrioten darf dabei das Herz hüpfen, denn Dehler gehört zur hansegruppe, die von dem Wedeler/Hamburger Michael Schmidt zur weltweit drittgrößten Segelbootschmiede gemacht wurde.

"Seglerpapst" Bobby Schenk (Messevortrag: "Die ideale Fahrtenyacht") hört in Halle B7 von der Buchverlagsleiterin Nadja Kneissel (Delius Klasing), dass die Auflagen der Fach- und Sachbücher im Segelbereich auf erstaunlich hohem Niveau liegen. Der Deutsche Segler-Verband, Top-Organisation der Branche, überrascht mit der noch nicht veröffentlichten Mitteilung, dass seine Mitgliederzahlen wieder steigen. Und am Ende des Hanseboot-Besuchs tue ich, was Segler tun: Sie gehen zu "Delta Papa 07" (Halle B5), um den Mann zu treffen, dem die bekannteste Stimme auf Nord- und Ostsee gehört - Käpt'n Dietzel, Betreiber der deutschen Küstenfunkstellen. Bei ihm sitzen schon Anke und Ernst-Otto Hargens aus Brunsbüttel, die "Väninna" (schwed., Freundin), eine "Hanseat 70", segeln. Sie werden gerade zu neuen Mitgliedern von DP 07. Er sagt: "Wir wollen ihn unterstützen." Sie sagt: "Kein schlechtes Gewissen mehr, wenn wir den Seefunk-Wetterbericht mithören". Käpt'n Dietzel (Sendezentrale: Hamburg-Cranz) sagt: "Wir haben mehr Teilnehmer als vor zwei Jahren. Gott sei Dank auch viele jüngere Leute." Die Hanseboot ist dieses Jahr ein Stimmungsaufheller.