Wilfried Erdmann beschreibt, was zwischen Eigner und Boot nach dem Kauf geschieht. Gleich ob Jolle oder Yacht - ein faszinierender Prozess.

Ein Segler vergisst nie, wann er sein erstes Boot gekauft hat. Er vergisst nie, wann er zum ersten Mal die Buchstaben des Bootsnamens aufgemalt hat. Und er vergisst vor allem nie die erste Nacht an Bord, die einiges bedeutet für den beginnenden Prozess des Einswerdens mit dem neuen Schiff.

Na ja, die Koje erschien mir schmal, viel zu schmal, während meiner ersten Nacht auf meinem ersten Boot, der "Kathena". Also verbreiterte ich sie anderntags mit Leisten und einem Mahagonibrett als Schlingerkante. Dort, wo ich meinen Körper bette, will ich es gut haben, sicher und bequem, um bei wirklich jedem Wetter schlafen zu können, wenigstens entspannt zu dösen.

Von Wert ist, wenn jeder seine eigene Koje hat mit Ablagen, Staufach, Schrank für die persönlichen Dinge. Mein privates Refugium signalisiert Eigenständigkeit. Am Ende, wenn alles stimmt, entscheidet bei der Koje der Geruch, der aus dem Polster kommt. Der Geruch ist wichtig, und Polster riechen. Sie als Erstes zu erneuern ist meine Linie geworden.

Die drauffolgende Nacht an Bord der "Kathena" verbrachte ich wie in Trance. Ich war aufgeregt und unsicher und heimisch zugleich. Ich hatte von Segelbooten bisher nur gelesen, und jetzt besaß ich selbst eines. Ein scheinbar seetüchtiges Boot. Und: Ich hatte ein eigenes Domizil. Das war mir doppelt wichtig. Es war das erste, das mir allein gehörte, seit ich mein Zuhause acht Jahre zuvor verlassen hatte.

Ich halte mich im Allgemeinen für Spökenkiekerei unverdächtig, aber nach dem Kaufvertrag und einem Glas Wein in der Kajüte - der Verkäufer saß mir gegenüber, die Details waren geklärt - fühlte ich gleich zu Beginn ganz deutlich, dass in diesem Rumpf ein guter Geist steckte. Schöne Linien, viele Drähte im Rigg, eine trockene Bilge, zwei Teekannen aus Aluminium, Barometer an der Maststütze und ein Logbuch im Regal signalisierten mir einen Geist von Schiffigkeit und Geborgenheit, der sofort von mir Besitz ergriff.

Nun glaube ich nicht an Gespenster, sehr wohl jedoch an die Kraft der Begeisterung. Und ich erinnere mich an die ersten Tage im Herbst 1965, als ich die "Kathena" regelrecht vereinnahmte. Das Szenario spielte sich in Alicante an der spanischen Mittelmeerküste ab. Ich weiß noch, was für ein großartiges Gefühl es war, am Kai inmitten der "Hochseevögel" zu liegen. Ich war dabei. Jetzt würde das Leben endlich beginnen. Und das tat es auch.

Ich gab dem Schiff Namen und Heimathafen. Zweizeilig in Schattenschrift, blau und gelb die Buchstaben, aus der Hand gemalt. Es blieb der alte Name "Kathena" schon wegen der Bootspapiere und des Aberglaubens. Und ich ergänzte ihn mit dem Hafen des holsteinischen Büchen. Damit nahm ich die "Kathena" endgültig in Besitz.

Bei all meinen Schiffen ist die Namensgebung solch eine Form der Aneignung geblieben. Als ich mit meiner Frau Astrid mit dem bislang letzten im vergangenen Jahr zur Ostseereise auslief, zur "Skandinavischen Acht", tauften wir sie gleich ausgangs Schleimünde auf den Namen "Kathena X". Das geschah ganz schlicht mit Kap-Hoorn-Wasser, das ich aus einer Flasche sanft über den Bug schüttete. Jetzt hatten wir das Boot vollends ins Herz geschlossen.

Auf der ersten "Kathena" klebte ich zwischen die Fenster in der Kajüte eine Weltkarte, die ich aus jeder Position sehen konnte. Egal was passiert, meine geplante ganz große Freiheit wollte ich nicht aus den Augen verlieren: Panama, Tahiti, Kap der Guten Hoffnung. Irgendwo dort sollte sie stattfinden. Noch hatte ich keine Meile gesegelt, fühlte mich dennoch wie ein Mensch mit einer Geschichte. Souverän und selbstbewusst bewegte ich mich zwischen Hafen und Stadt, mehr noch zwischen Boot und Strand. Ich war stolz auf mich, ein Fast-Weltumsegler.

Mein kraftvolles Auftreten basierte auch auf den Arbeiten, die der Seetüchtigkeit des Bootes dienten. Zum Beispiel das Cockpit selbstlenzend umbauen, Hand über Fuß eine Reling biegen, zusätzliche Stagen setzen und vieles mehr. Jetzt war es mein Boot.

Bald klebten Fotos am Schott, lagen Schlepplog und Sextant im Schapp, standen Fachbücher im Bord, all dies machte die Kajüte individuell und deutete auf Ferne. Vor allem dokumentierte eine Selbststeueranlage am Heck meinen Aufstieg. Ich hatte mir wichtige Werte geschaffen und war glücklich. Hätte ich die "Kathena" übernommen und nichts investiert, nichts verändert, keine Vorbereitungen für Nachtsegelei, Nebelfahrt, Sturm getroffen, nicht das Hantieren mit einem Sextanten geübt, wäre sie nie meine Bootsliebe geworden. Sie war zudem aus Holz, ich meine, da fällt einem das Einfühlen leichter. Warum Holz? Zufall.

Ich setzte bei meinen folgenden Schiffen die Einvernahme ähnlich fort. Vieles ergab sich einfach so. Egal ob Metall oder GFK. Linien, Kiel, Koje, Rigg und Selbststeuerung bildeten die Prioritäten. Und nicht zu vergessen die Cockpitbänke, auf denen man auch liegen kann. Und der Bootsname: Ich blieb bei "Kathena" und ergänzte mit neuen Adjektiven. Der Bootsname bedeutet mir viel. "Kathena 2", "Kathena faa", "Kathena nui" und so weiter. Damit hatte ich immer sofort eine Verbindung. Wirklich von Wert ist ein Einvernehmen erst, wenn mein Schiff mal sturmdurchtränkt gesegelt oder koppheister durch die See geschossen ist und heil herauskommt. Zufrieden? Logisch. Zugegeben: erst mal nicht, aber später. Erst kommt: Wie sind die Bewegungen? Ist es dicht von oben? Von unten? Wenn nicht, lebe ich in Sorge um Bruch. Es entsteht ein symbiotisches Verhältnis: Du trägst mich, ich passe auf dich auf.

In stürmischem Wetter ist es mit der Liebe zum Boot nicht weit her. Da nutzt der ganze Firlefanz mit Namensgebung, Fotos und Weltkarte wenig. Erst wenn es an Deck hart und nass zugeht, zeigt sich, was anders werden muss, besser, nützlicher, effektiver. Oder was total verquer ist. Das Allerwichtigste ist eine Pantry, die bei jedem Wetter funktioniert. Ein Boot, auf dem man bei Sturm noch in der Kochecke hantieren kann, kann so schlecht nicht in der See liegen.

Jedenfalls greife ich nicht gleich zu vielen Änderungen: Meist reichen wenige Arbeiten im Cockpit (Haltegriffe), in der Pantry (Staufächer), am Kartentisch (Stift- und Schlingerleiste), in den Backskisten (Schlingerbretter), um es optimal, stausicher und bequem zu haben. Oft habe ich mir meine Boote ersegelt. Das heißt: Ich habe erst gesegelt und dann zum Werkzeug gegriffen.

Ein unscheinbares Utensil erscheint mir in dem Zusammenhang wichtig: Windfähnchen. Sie zeigen an, was seglerisch möglich ist. Das Material ist Spinnakertuch, in Streifen gerissen und in Augenhöhe an Wanten und Achterstag befestigt. Diese handgemachten Anzeigen ermöglichen ein Erfühlen von Windrichtung und -stärke und ein Einfühlen ins Schiff. Und: Im Gegensatz zu einem üblichen Verklicker hoch oben in der Mastspitze machen sie es möglich, danach zu steuern, ohne sich den Hals zu verrenken. Zudem benutze ich schwarzes oder dunkelrotes Tuch, das man selbst bei Dunkelheit und wenn man müde ist gut ausmachen kann.

Überhaupt die Farben. Mit der "Kathena nui" hat es mit Farbe im Genuasegel angefangen. Weil ich berauscht von meiner Idee - Nonstopfahrt - war, wollte ich es optisch noch toppen. Sie bekam eine rot-weiß gestreifte Genua. Fünf meiner Boote habe ich mit farbig gestreiften Genuas ausgerüstet. Damit habe ich immer eine Verbindung zum Boot geschaffen. Ich habe mit dem großen, überlappenden Vorsegel, das ein Boot so herrlich durch die See zieht, meine besten Etmale erzielt.

Es geht nichts über Vertrauen. Vertrauen zum Boot ist die wahre Harmonie. Lange ist es her, wir segelten mit "Kathena faa" nachts kurz vor einem Atoll, da blieb unser Schiff stehen. Nur einen kurzen Moment spürbar schlugen die Segel, ich sprang an Deck und hörte augenblicklich die Brecher des Riffs voraus. Nach solch einem Erlebnis muss man sein Boot bedingungslos lieben.

Ich hatte immer eigene Lösungen: Zuallererst braucht man Vertrauen, dann investiert man vier, fünf persönliche Änderungen. Oft einfache Dinge, die man sofort begreift und umsetzen kann und bei denen man fühlt: "Wenn ich das mache, habe ich auch was davon." Je kleiner das Boot, umso sorgfältiger müssen Werkzeug, Wetterkleidung, Taschenlampe, Utensilien für Nautik und Kochen platziert sein.

Bei "Kathena nui", meinem ersten neuen Schiff, hatte ich ganz präzise Ideen. Leicht sollte sie sein und zugleich sicher und gut segeln. Für mich kam daher nur ein Aluminiumrumpf infrage - bezahlbar. Deswegen stand mir nur das Minimum an Boot zur Verfügung: 10,60 Meter. Dahinein investierte ich dann alle meine Vorstellungen: Mittelkieler, vollverschweißte wasserdichte Schotten, verschraubbare Luken, breite Kojen, großer Kartentisch und, logisch, Kuttertakelung. Alle meine Vorstellungen führten zu einem schlichten, zeitlosen Boot - das mir sofort unendlich viel Vertrauen gab. Bei Sturm in der Koje zu liegen und entspannt ein Buch lesen zu können, ohne den Faden zu verlieren, ist die Extra-Anstrengung bei Bau und Ausrüstung wert.

Mit der "Kathena 7", einer Hanse 291, hatte ich noch einmal das Gefühl, dass Sich-Mühe-Geben für Ausstattung und Vorbereitung einer Fahrt viel Ärger erspart. Sie bekam all meine vermeintlich seltsamen Standpunkte zu spüren: Backstage, Schlingerbretter, Bindereffreihen, hohe Relingstützen, ein Zuviel an Haltegriffen und dergleichen mehr. Ich habe praktisch das Skandinavische (Sicherheit) in Relation zum Mecklenburgischen (Schlichtheit) gestellt.

Ein wesentlicher Aspekt ist für mich die Dokumentation des gemeinsam mit dem Boot Erlebten: mein Logtagebuch. Diese Kombination ist unschlagbar, für mich. Vor über 40 Jahren habe ich mit einem Kassenbuch im DIN-A4-Format angefangen. Jeder Tag bekam mindestens eine Seite. Deren obere Hälfte gilt dem Seemännischen. Die untere Hälfte ist dem Menschlichen vorbehalten. Bei dem System bin ich bis heute geblieben. Meine Segelfreundin, bei der ich alles loswerden konnte.

Ich finde es aufregend und unabdingbar für mein Seglerleben, immer mal andere Schiffe zu erfahren und nicht von Anfang bis Ende nur eines. Sieben gebrauchte und drei neue besaß ich. In jedes musste ich mich neu einfühlen. Das kann aber nur geschehen, wenn der erste Blick aufs Boot zündet. Es funkt auf Anhieb, oder es funkt nicht - da gibt es bei uns keine Kompromisse.

Die Zeitschrift "Yacht" veröffentlicht in ihrer aktuellen Ausgabe den ungekürzten Text Wilfried Erdmanns sowie weitere Eigner-Geschichten.