Bezirksamtsleiter Markus Schreiber hatte den Obdachlosen-Zaun für 18.000 Euro errichten lassen. Massive Kritik des Sozialsenators.

Hamburg. An dem umstrittenen Obdachlosen-Zaun an der Helgoländer Allee auf St. Pauli scheiden sich die Geister. Hamburgs Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) ist davon überzeugt, dass der Hansestadt durch den Zaun ein Image-Problem droht. In der Bürgerschaft sprach der Politiker davon, dass Hamburg durch den Zaun in einem Licht dastünde, das die Stadt nicht verdient hätte. Und dann fügte er an, was er, und da er als einziges Mitglied des Senats sprach, auch die Regierung vom Ergebnis der anstehenden Schlichtungsgespräche erwartet: "Ich bin mir sicher, dass am Ende der Abbau des Zaunes steht."

Scheele ergriff in der Mitte der Bürgerschaftsdebatte um den Zaun das Wort. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Abgeordneten in zum Teil hitzigen Redebeiträgen den Abbau gefordert. GAL-Sozialexpertin Katharina Fegebank sprach von einer "menschenunwürdigen Politik" im Bezirk Mitte.

Dessen Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD) hatte den Zaun an der Kersten-Miles-Brücke vergangene Woche für 18.000 Euro errichten lassen, um zu verhindern, dass sich Obdachlose dort niederlassen. Vorher war die Brücke für 100 000 Euro umgebaut worden, ebenfalls mit dem Ziel, das Schlafen dort zu verhindern. Diese Maßnahme war im vergangenen November auf Betreiben der SPD und GAL im Bezirk Mitte durchgeführt worden - ohne Erfolg.

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Da sich erneut Obdachlose dort ansiedelten, entschied sich Schreiber, den umstrittenen Zaun zu errichten. Er begründete dies mit einem Totschlag und einer Vergewaltigung, die sich dort im Obdachlosenmilieu ereignet hatten. Außerdem hätten sich Anwohner und städtische Mitarbeiter über Pöbeleien und Dreck beschwert.

Schnell schlossen sich öffentliche Empörung und Proteste an, von deren "Vehemenz" sich Schreiber überrascht zeigte. Die tagelange Debatte führte schließlich zu einer Aktuellen Stunde der Bürgerschaft. Die GAL-Abgeordnete Fegebank sprach von einem "repressiven Umgang" mit Menschen, bezeichnete Schreiber als "City-Sheriff". Sie will die Gespräche am runden Tisch, die kommende Woche beginnen, nicht abwarten und forderte einen sofortigen Abbau des Zauns. "Das wäre so einfach."

CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich unterstellt Markus Schreiber eine Geltungssucht beim Aufbau des Zauns. "Da will sich ein politischer Beamter profilieren." Es seien nahezu 120 000 Euro ausgegeben worden, ohne dass dies Wirkung gezeigt habe. Wersich kritisierte zudem Schreibers Äußerung, dass es nur durch den Zaun zu dem runden Tisch gekommen sei. "Das ist ja wohl das teuerste Moderationsverfahren, das man sich denken kann." Und auch er forderte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) auf: "Lassen Sie den Zaun abbauen."

Dass dies nicht seine Aufgabe sei, war die Überzeugung von FDP-Sozialexpertin Martina Kaesbach. Das Thema gehöre nicht einmal in die Bürgerschaft, weil es Angelegenheit des Bezirks sei. Dass sich nun ausgerechnet die Bürgerschaft damit befasse, würde die "Legitimität der Bezirksversammlung infrage stellen". Dennoch bezeichnete auch sie den Zaun als "übertriebenes Symbol", obwohl es kein Wohnrecht unter Brücken gebe.

Cansu Özdemir von den Linken forderte gleich zu Beginn ihres Debattenbeitrags den Rücktritt von Markus Schreiber. "Herr Schreiber muss zurücktreten, weil er meint, mit Vertreibung und Ausgrenzung Politik machen zu müssen." Alles, was nicht in sein Bild von Hamburg passe, solle weg, unterstellte sie dem SPD-Mann: "Bauwagen, Minarette, Skateboardfahrer, Obdachlose, Prostituierte, Menschen, die trinken, und Menschen, die rauchen."

Anja Hajduk, stellvertretende Fraktionschefin der GAL, nahm sich dagegen Sozialsenator Detlef Scheele vor. "Es ist nicht akzeptabel, dass Sie Applaus für Ihren Satz entgegennehmen, dass der Zaun ein schlechtes Licht auf die Stadt werfe, aber nicht sagen, dass der Zaun wegkommt."

Scheele hatte darüber hinaus in seiner Rede für einen Eklat gesorgt. Der CDU-Abgeordnete Jörg Hamann hatte lautstark gegen Scheeles Rede protestiert, weil diese ihm nach seinem Geschmack zu lange dauerte und am Thema vorbeiging. Scheele wies ihn darauf hin zurecht und sagte, dass von ihm verlangt worden sei, etwas zum Umgang der Stadt mit Obdachlosen zu sagen: "Und das werden Sie sich anhören müssen", rief Scheele in Hamanns Richtung.

Daraufhin wurde die Debatte unterbrochen. Fast eine Dreiviertelstunde saß anschließend der Ältestenrat zusammen, um zu beraten, wie mit dem vermeintlichen Affront der Regierung gegen die Abgeordneten umzugehen sei. Der Senat solle nun belehrt werden, dass die Volksvertreter dieses Verhalten als unangemessen ansähen.

Angemessener fiel das Fazit von SPD-Fraktionschef Andreas Dressel im Hinblick auf das Ende des Schlichtungsverfahrens aus: "Der Zaun wird sicherlich nicht Teil der Lösung sein."