Der Obdachlosen-Zaun soll nun doch abgebaut werden

Markus Schreiber ist ein erfahrener Verwaltungsmann. Der Bezirksamtsleiter von Mitte weiß, wie man Themen öffentlich wirksam präsentiert, um Vorhaben durchzusetzen. Ob er, wie vor vielen Jahren, demonstrativ gegen Wildpinkler anging oder beim Abriss des sogenannten Horrorhauses in St. Georg als Erster Hand anlegte. Es waren stets derartige Auftritte, die den Projekten den nötigen Schwung verliehen.

Mit dem Aufbau des Obdachlosen-Zauns an der Kersten-Miles-Brücke aber hat er überdreht. Dass dabei sein politischer Instinkt versagte, ist möglicherweise nicht Schreiber allein anzulasten, sondern auch seiner Partei, der SPD, die seit 2001 unter einem Trauma leidet. Das Trauma der Abwahl. Die SPD hatte damals unter anderem die Drogenhändlerszene am Hauptbahnhof nicht ernst genommen. Noch einmal soll das nicht passieren. Und die Partei will so früh wie möglich verhindern, dass sich ein innenpolitisches Thema erneut gegen die Sozialdemokraten dreht. Es wäre ein Desaster für Bürgermeister Olaf Scholz, wenn die Opposition genau mit diesem Thema punkten könnte. Ganz nach dem Motto: Seht her, die SPD konnte es damals nicht und sie kann es immer noch nicht. Eine bessere Steilvorlage gäbe es für die CDU nicht, die sich derzeit im Parlament und auch programmatisch noch in einem Findungsprozess befindet.

Und so ist es in der Tat von der SPD nicht unklug, genau jetzt, in einer Phase der Stärke, vorzusorgen. Aber das Trauma von 2001 scheint so schwer auf der Partei zu lasten, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis einer aus ihrer Reihe fiel. Der Zaun gegen die Obdachlosen ist eine übertriebene Bewältigung dieses Traumas.

Das hat die SPD-Führung nun auch begriffen. Und um Schreiber, der sich in der Partei verdient gemacht hat, aber nach der Wahl keinen Senatorenposten erhalten hatte, das Gesicht zu wahren, sollte ein Schlichtungsverfahren aus der vertrackten Lage helfen. "Ergebnisoffen", wie es zunächst hieß. Davon war gestern keine Rede mehr. Am Ende soll nun eine Lösung "ohne Zaun" stehen. Es ist das erste Mal, dass die SPD in ihrer Regierungszeit ins Schlingern gerät.