Die fatale Botschaft: Im weltoffenen Hamburg werden Menschen einfach ausgesperrt.

In der Theorie mag es die effektivste Maßnahme gewesen sein, um die Probleme rund um die Kersten-Miles-Brücke im Hamburger Stadtteil St. Pauli zu lösen. Tatsächlich ist der Zaun, der dort Obdachlose vom Campieren und Übernachten abhalten soll, ein großer Fehler, der so schnell wie möglich korrigiert werden muss.

Denn ein Zaun - gerade wenn er fast drei Meter hoch ist und aussieht wie ein Gitter im Gefängnis - ist eben nicht nur eine Barriere. Ein solcher Zaun ist mitten in der Stadt auch ein fatales Symbol. Seine Botschaft: Hier werden nicht nur Probleme, sondern Menschen einfach ausgesperrt. Hier bemüht sich die weltoffene Hansestadt Hamburg nicht um eine Lösung, die ihrem Ruf gerecht wird, sondern setzt dumpf auf Härte und auf Abschreckung. Das würde schon in einem weniger prominenten Winkel nicht gehen, an dieser Stelle ist es fast imageschädigend.

Was bitte schön sollen die vielen Tausend Besucher denken, die jeden Tag vom Hafen kommend oder zum Hafen fahrend die seltsame Stahlkonstruktion sehen? Dass Hamburg so etwas nötig hat? Dass man in der Stadt, in der die Menschen angeblich glücklicher leben als in jeder anderen der Republik, keine bessere Lösung findet, um einen solchen Konflikt zu klären?

Der Zaun verzerrt das Bild auf Hamburg in einer Weise, die nicht geduldet werden kann. Denn tatsächlich hat die Stadt an anderen Stellen, an denen es ähnlich zugegangen ist wie unter besagter Brücke, in der Vergangenheit bessere Auswege gefunden. Zum Beispiel am Hauptbahnhof, wo man Richtung Schauspielhaus früher mit Obdachlosen, vor allem aber mit Prostituierten, Drogendealern und anderen Kriminellen zu kämpfen hatte und wo sich Reisende alles andere als sicher fühlten. Statt das Gebiet deswegen nun großzügig ein- beziehungsweise abzuzäunen, kam man am Hauptbahnhof auf die Idee, die gesamte Fläche mit klassischer Musik zu beschallen. Angeblich sollen bestimmte Stücke dazu führen, dass sich bestimmte Menschen dort nicht allzu lange aufhalten. Und tatsächlich: Die Situation ist dort inzwischen deutlich entspannter, als sie es noch vor einigen Jahren war.

Gut, die Gegend gehört auch heute nicht zu den besonders vorzeigbaren in der Stadt, aber mit blitzsauberen Straßenzügen darf man im Umfeld von Bahnhöfen ja sowieso nicht rechnen. Genauso wenig übrigens wie mit niedrigen Kriminalitätsraten in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer Vergnügungsmeile wie der Reeperbahn. Dort wird es immer wieder zu Zwischenfällen kommen, dort werden sich immer wieder Menschen niederlassen, die kein Dach über dem Kopf haben oder haben wollen. Das lässt sich mit einem hohen Zaun vielleicht an einer bestimmten Stelle verhindern, mehr aber auch nicht. Es sei denn, der Bezirk plant, gleich den ganzen Kiez einzuzäunen.

Im Ernst: Politiker und Beamte dürfen Fehler machen, sie dürfen auch einmal Geld für etwas ausgeben, was sich am Ende als verkehrt herausstellt. Sie müssen dann aber bereit sein, falsche Entscheidungen wieder rückgängig zu machen. Im Fall des Zauns gegen Obdachlose wird ihnen auch deshalb nichts übrig bleiben, weil die Situation unter der Brücke sonst eskalieren könnte. Die Proteste, die am vergangenen Wochenende begonnen haben, werden auf jeden Fall nicht geringer werden.

Und etwas anderes haben die Verantwortlichen mit ihrem edlen Stahlgitter ebenfalls erreicht. Auf diesen Platz wird man in der Hamburger Öffentlichkeit und in der Politik künftig genauer gucken - und alles versuchen, um eine wahrhaft hanseatische Lösung zu finden.

Sollte das gelingen, dann hätte dieser dämliche Zaun sogar noch etwas Gutes gehabt.

Jetzt aber erst mal: weg damit!