Der kleine Esel Emil im Tierpark Hagenbeck hütet ein Geheimnis. Er ist komplett dunkel. Das sind Thüringer Waldesel eigentlich nie.

Hamburg. Emil hütet ein Geheimnis. Das Geheimnis ist so dermaßen dunkel, dass man gar nicht darum herumkommt, darauf zu stoßen. Denn der kleine Esel im Tierpark Hagenbeck ist komplett dunkel. Und das sind Thüringer Waldesel, zu denen Emil zählt, eigentlich nie.

Mutter Emely, Junghengst Emmet: Sie tragen ein freundliches, helles Eselgrau. Nur Emils Fell glänzt im Ton von hochprozentiger Bitterschokolade. "Wir haben uns sehr über seine Geburt gefreut, gleichzeitig aber auch über die Farbe gewundert", sagt Hagenbeck-Tierärztin Dr. Adriane Prahl. Emely war in Begleitung von Junghengst Emmet Mitte April 2011 aus Erfurt nach Hamburg gekommen. Da war sie bereits tragend. Am 30. Juni kam Söhnchen Emil zur Welt.

"Seitdem hat er sich zu einem echten Rabauken entwickelt", sagt Sebastian Behrens. "Eigentlich möchte er den ganzen Tag nur toben - seine Mutter ist schon ein wenig genervt", berichtet der Tierpfleger und muss lachen. Denn mit seiner stürmischen Art versuche der kleine Esel nicht nur seine Mutter, sondern auch die anderen Gehegebewohner im Haustierrevier ständig zum Spiel zu animieren. Allen voran den eineinhalbjährigen Emmet, gerne aber auch das erst eine Woche alte Kalb der Zebus, einer Rinderart.

Das sei ja so weit alles in Ordnung, sagt Behrens. Nur neulich sollte er selbst der Sparringspartner sein: "Wir üben mit den Eseln, am Halfter durch den Tierpark zu gehen. Eigentlich macht Emil das auch schon sehr gut mit. Nur wurde es ihm wohl plötzlich langweilig und er fing an zu toben - am Halfter!" Da brauchte der Tierpfleger alle Kraft, um das hüpfende und bockende Eseljunge zu halten. Störrisch seien die Thüringer Waldesel hingegen nie, sagt Behrens: "Das schöne Klischee vom sturen Esel gilt für unsere drei absolut nicht. Sie mögen es im Gegenteil anscheinend sehr, durch den Tierpark gehen zu können."

Der Thüringer Waldesel ist eine sehr alte, vermutlich mitteldeutsche Hauseselrasse. Sie wurde früher vorwiegend in Westthüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt gezüchtet. Zu den auffälligsten Merkmalen der bis zu 110 Zentimeter großen und bis 180 Kilogramm schweren Tiere zählen eigentlich der dunkle Aalstrich auf dem Rücken, das Schulterkreuz, die dunklen Streifen an den Beinen und das sogenannte Mehlmaul - die weißlich abgehobene Maulregion.

Eigentlich. Doch dann kam Emil. Hatte Mutter Emely da etwa ein kleines Tête-à-tête mit dem Postboten? Bis jetzt gehen die Zoologen davon aus, dass es sich bei dem kleinen Thüringer Waldesel um einen sogenannten Schwärzling handelt - eine seltene dunkle Farbvariante.

Eine spezielle Variante ist er nachweislich: die des Schmusetiers. "Er fällt nahezu in eine Narkose, wenn man ihn krault", sagt Sebastian Behrens. Zwischen den Ohren, an Kopf und Hals hat es Emil dabei am liebsten. Behrens: "Das hat er von seiner Mutter Emely, die ist auch sehr verschmust."

Auf der dreijährigen Emely und dem jungen Emmet ruht die Hoffnung des Tierparks, nach Emil noch viele weitere Thüringer Waldeselfohlen in Hamburg aufwachsen zu sehen. Da heute nur noch etwa 15 bis 20 reinrassige Tiere des früher auch "Mülleresel" oder "Steinesel" genannten Tieres in Deutschland existieren, gilt er als fast ausgestorben und steht unter Kategorie 1 der "Roten Liste der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen".

Ob Emil mit seiner besonderen Farbgebung in die Zucht einscheren soll, wird sich noch zeigen. Vorerst interessiert das aber noch niemanden - am wenigsten Emil. Wenn er nicht gerade völlig ermattet mitten im Gehege einschläft (wohlbehütet von Emely), ist das lebendige Eselkind der Liebling aller. Trinkt brav bei Mama seine Milch, frisst schon die ersten kleinen Portionen Gras, läuft und springt hinter den Zebus und den Girgentana-Ziegen her und ist dabei einfach nur verdammt niedlich.

Und ganz schön dunkel.

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