Zur Reparatur der “Stettin“ sind ehemalige Werftarbeiter gefragt. Weil nur sie noch das Handwerk des Niethämmerns beherrschen.

Hamburg. Ein wenig warten muss Gunnar Witt heute schon, bevor er loslegen kann. Zwar ist der bullige Schlosser von Blohm + Voss immerhin schon 60 Jahre alt, ein erfahrener Metaller. Doch heute ist er auch so etwas wie ein Lehrling, der auf Ansagen älterer Kollegen hört. Neben ihm lodert an Deck des Dampfeisbrechers "Stettin" ein offenes Feuer in einer Art Drahtkorb. "Jetzt", ruft plötzlich Fritz Brandt, der 76-Jährige schaut dabei kritisch in die Flammen. "Attacke! Schneller, schneller", brüllt ein anderer der meist weißhaarigen Arbeiter und hält einen Presslufthammer bereit.

Dann greift Schlosser Witt mit einer langen Zange in den Korb, holt den ersten der rot glühenden Metallstifte heraus, reicht ihn herüber. Bang! Bang! Bang!, ein metallisches, ohrenbetäubendes Hämmern dröhnt über das Gelände. Schmerzhaft kribbelt es im Ohr, Schweiß rinnt von der Stirn, weil es so heiß ist. So muss sich Werftarbeit vor Jahrzehnten angehört und angefühlt haben, als die Schiffe noch genietet und nicht geschweißt wurden.

+++ Die Alten haben noch Dampf +++

+++ Besichtigungen und Gästefahrten +++

Doch in dieser Woche liegt hier im Werfthafen hinter dem Dock 10 ja auch ein Oldtimer: Der 1933 gebaute Dampfeisbrecher "Stettin" gilt als das größte noch seetüchtige Kohle-Dampfschiff der Welt. Im Vergleich zu dem neuen Containerschiff im benachbarten Dock aber doch eher ein Winzling, ein Stück Vergangenheit neben Hightech-Schiffbau. Mit einem Warntorn setzt sich am Dock ein automatischer Kran in Bewegung - dann überdröhnt das Niethämmern von der "Stettin" wieder jedes andere Arbeitsgeräusch.

Der Stammliegeplatz des Dampfeisbrechers ist im Museumshafen Övelgönne in Neumühlen, ganz außen am Anleger, wo auch die Hadag-Fähren halten. Allerdings ist das Schiff auf Elbe, Nord- und Ostsee auch immer wieder auf Tour. Und bei einer dieser Gästefahrten war es kürzlich im Hafen von Cuxhaven in eine heftige Tidenströmung geraten. "Und da haben wir uns eine große Beule in das Schanzkleid am Rumpf gefahren", sagt Helmut Rohde, Technik-Vorstand des Betreibervereins.

Normalerweise wäre jetzt eine schnelle Schweißarbeit nötig gewesen. Doch die "Stettin" ist in weiten Teilen eben noch originalgetreu erhalten. "Und daher haben wir uns für das Nieten entschieden, damit dieser Originalzustand gewahrt bleibt", sagt Rohde. Keine leichte Entscheidung, denn gut 30.000 Euro, so die ersten Schätzungen, dürfte eine solche Reparatur kosten. Was nicht wenig ist für einen Verein, der ein solches Schiff mit Gästefahrten und Spenden in Fahrt hält.

Und noch eine weitere Schwierigkeit kommt hinzu: Denn das Wissen um diese alten Niet-Techniken ist im heutigen Werftbetrieb kaum noch vorhanden. Und daher wurde wieder eine "Rentner-Gang" (Rohde) von ehemaligen Werftarbeitern aus dem Ruhestand geholt. So wie Fritz Brandt eben. "Ich hab alle Hamburger Werften durch", sagt er. Und früher hat er eben viel auch mit dem Nieten zu tun gehabt. Rot glühend werden die daumendicken Metallstifte in vorgebohrte Löcher gesteckt, mit Pressluft und Gegendruck hämmern die Arbeiter dann Setzkopf und Schließkopf, beim Abkühlen schrumpfen die Nieten und pressen förmlich die zu verbindenden Metallplatten zusammen. Das laute metallische Hämmern erfüllte daher in früheren Jahrzehnten die Werften, weiß Brandt. Auch auf den Stettiner Oderwerken, wo die "Stettin" als damals größter deutscher Eisbrecher gebaut worden war.

Gut 2000 PS leisten die beiden Kessel an der Schraube, bei langsamer Fahrt konnte das Schiff eine gut ein Meter dicke Eisschicht brechen. Pro Stunde verfeuern die Heizer dabei gut 1500 Kilogramm Kohle. Bei Gästefahrten, die der Verein immer wieder anbietet, lässt sich diese harte Arbeit noch heute anschauen.

Bis Kriegsende war die "Stettin" in ihrer eigentlichen Heimat auf dem Stettiner Haff im Einsatz. 1945 floh die Mannschaft mit dem Schiff Richtung Westen, sagt Rohde, dessen Vater früher Chef-Ingenieur auf dem Eisbrecher war. Bis 1981 noch war die "Stettin" dann auf der Unterelbe und im Nordostseekanal weiter im Einsatz - bevor sie zum Museumsschiff wurde.